Sie dreht sich verschreckt zu mir um.
Die verschiedentsten Emotionen scheinen im Bruchteil einer Sekunde, über ihr Gesicht zu huschen.
Scham.
Verwirrung.
Angst.
Etwas, was ich nicht deuten kann.
Bis sich ein Lächeln auf ihr Gesicht legt.
Sie ist so wunderschön. Sie war es schon immer, aber nun ist sie vollkommen aus dem Kindlichen herausgewachsen. Ihre honigfarbenen Augen sehen mich jedoch genauso an, wie vor vier Jahren. Derselbe schüchterne Reh-Blick.„Frau Abke", flüstert sie. Mehr nicht.
Ich weiß nicht, ob es eine Begrüßung oder eine Feststellung ist.
Ich räuspere mich und trete näher an sie heran.
„Nenn mich Carina, bitte"
Sie nickt mit einem seligen Lächeln, beinahe als hätte sie es erwartet. Genauso wie damals, fällt es mir so schwer sie zu deuten.Mein Blick gleitet an ihr herab und ich denke an all die Male in denen ich sie heimlich angesehen habe.
Sie hat immer noch die gleiche Wirkung auf mich und ich bin erneut dankbar dafür, dass ich nicht allzu schnell erröte.
Weil keiner die Stille bricht sage ich:
„Die BonBons von deinem T-shirt esse ich am liebsten"
Und komme mir sofort blöd vor. Warum erzähle ich sowas.
Doch sie lächelt und deutet vage auf mein Auto. „Das habe ich gesehen"
Und sie errrötet. Genauso schnell wie damals.
Ich kann mich nicht zurückhalten und muss sie einfach aufziehen.
„Du hast also mein Auto ausspioniert"
Ich ziehe meine Augenbrauen hoch und trete noch ein bisschen näher. So nah, ich könnte meine Hand ausstrecken und sie berühren.
Mir wird mit einem Schlag bewusst, dass ich das und noch viel mehr nun tun könnte, dass es nun nicht mehr illegal ist.
Avas Verunsicherung steht ihr ins Gesicht geschrieben. Fürchtet sie sich etwa vor einer Strafpredigt von mir?
Ich lache. Weil es einfach urkomisch ist, dass ich nach all den Jahren hier neben ihr stehe.
„Ist schon gut, ich bin doch nicht sauer", bringe ich hervor.
„Außerdem bin nicht nicht mehr deine Lehrerin", füge ich hinzu.
In dem Moment, als dieser Satz meinen Mund verlässt, merke ich, wie falsch er sich anhört und er katapultiert mich direkt zurück zu meinem Fehltritt bei der Kursfahrt.
Ava reißt ihre Augen auf und ich gestikuliere wild.
„Ich meine, ich kann dich nicht bestrafen..."
Oh man.
„Das hab ich schon verstanden Frau - Carina" Doch dabei klingt sie neckisch.
Die Art wie sie meinen Namen ausspricht scheint die Luft um uns herum zum Vibrieren zu bringen.
Ich räuspere mich wieder und versuche zusammenzusetzen was hier gerade passiert.
Ava steht plötzlich an meinem Auto. Die große Frage ist wieso. Ava, zu der ich nie die gewöhnliche Lehrerin sein konnte.
Weil sie mich einfach nur ansieht, mit diesem Ausdruck, den ich beim besten Willen nicht deuten kann, beschließe ich, einfach zu fragen.
„Warum stehst du an meinem Auto?"
Es klingt wie ein Vorwurf, obwohl es mich insgeheim so sehr freut.
„Aus dem selben Grund, aus dem Sie, tschuldiging, du mich deswegen noch nicht angemeckert hast", antwortet sie mit ein unsicheren Grinsen, als ob sie erwägen würde, ob sie die Grenze überschritten hat.
Aber es gibt keine Grenze mehr.
„So so", raune ich.
Und dann berühre ich endlich ihren Arm. Ich versuche, es wie beiläufig wirken zu lassen, bin mir sicher, dass es nicht gelingt.
Die Berührung ist kurz, aber ich merke, wie sehr ich danach gelechzt habe.
Mit Erschrecken stelle ich fest, dass mir diese Berührung mehr gibt, als jeder Kuss meiner Ex-Freundinnen.
Ich merke wie Ava ihren Arm hebt, um den Körperkontakt zwischen uns zu verlängern.
Dann versuche ich lässig ums Auto herumzugehen, Avas wachsamer Blick folgt mir.
„Na dann steig mal ein", fordere ich sie auf.
Sie zögert kurz, bevor sie die Tür öffnet und sich auf den Beifahrersitz fallen lässt, nicht ohne meinen Krempel behutsam zur Seite zu legen.
Ihr Zögern verunsichert mich. Vielleicht habe ich mir doch nur wieder etwas zurechtgesponnen, so wie es mir passt. Vielleicht -
Ich unterbreche meine eigenen Gedanken.
„Tut mir Leid, das war blöd. Ich weiß ja gar nicht, ob du das willst"
Ava lächelt mich an.
„Glaub mir, jetzt gerade, will ich genau das"
Ich habe das merkwürdige Gefühl, dass das für mehr steht, als eine Autofahrt, aber ich hake nicht nach.
Wenn es nur ein Hirngespinst meinerseits ist, möchte ich mich ihm hingeben.
So wie ich mich schon zwei Jahre lang ihm hingegeben habe.Ich starte den Motor und setze zurück.
Ich weiß noch nicht, wohin wir fahren und hoffe inständing, dass Ava nicht fragt.
Also plappere ich drauf los.
„Woher wusstest du, dass das mein Auto ist?"
Aus dem Augenwinkel sehe ich wie Ava vor Scham den Blick senkt.
„Ich kenne es auswendig", flüstert sie. „Das Nummernschild"
Ich reiße fast das Lenkrad rum. Mein Herz macht ein paar unkontrollierte Hüpfer und ich versuche neutral zu klingen.
„Auswendig?"
„CA 2584", sagt sie, wie um es mir zu beweisen. „Es steht für deinen Namen und deinen Geburtstag"
Mir steigen vor Rührung Tränen in die Augen und ich wende meinen Blick kurz von der Straße ihr zu. Unsere Blicke treffen sich und wir scheinen in einem Raum zu schweben, einem Raum in dem Zeit nicht existiert.
Ich habe diese Art von Blick vermisst.
Ich breche den Blick, um der Verkehrssicherheit Willen.
„Das weißt du?", hauche ich.
Ava nickt. Das Lächeln ist ein fester Bestandteil ihres Gesichts geworden.Die Tränen und ihr Lächeln bringen mich auf eine Idee. Plötzlich weiß ich, wo wir hinfahren sollten.
Ich grinse, was Ava natürlich sofort bemerkt.
„Was ist?", fragt sie.
„Gegenfrage: wie lange hast du Zeit?"
Ava richtet ihren Blick auf die Straße.
„Ich glaub ne ganze Weile erstmal"
Ihre Antwort verunsichert mich ein wenig, aber ich ignoriere es.
Wir haben uns einfach lange nicht gesehen, wir müssen uns erst wieder aneinander gewöhnen.
„Gut", antworte ich. „Wir machen nämlich einen Ausflug"
Ava kennt mich gut genug, um nicht zu fragen, wohin es geht.
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You were my first love [lehrerinxschülerin]
Teen FictionAva ist 22, lebt in Paris, ist glücklich verlobt - ihr Leben könnte gerade nicht besser sein. Wären da nicht die Erinnerungen, die sie heimsuchen, Gedanken, die sie unterdrückt. Gedanken an ihre erste große Liebe, die sie auch nach Jahren noch nich...