14 ~ Ava ~

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Irgendwie mag ich den Freitag nicht, denke ich, während ich mich, begleitet von dem schrillen Weckerklingeln, im Bett aufsetze.
Ich taste nach meiner Brille und schiebe sie mir auf die Nase. Dabei erinnere ich mich zum 1000sten Mal daran, dass ich dringend eine neue brauche. Die Sehstärke entspricht mir nicht mehr.
Wie immer gleitet mein Blick zu der leeren Betthälfte neben mir. Eine nervige Angewohnheit. Vera ist schon vor 4 Monaten ausgezogen.
Ich vermisse sie nicht, aber ich vermisse das Gefühl, nicht alleine zu sein.
Aber mittlerweile müsste ich es doch besser wissen. Meine Beziehungen halten einfach nicht lange. Vielleicht bin ich dazu verdammt. Vielleicht hat sie mich dazu verdammt.
Ich schüttle meinen Kopf, um meine Gedanken davon abzuhalten sich zu verselbstständigen. So ein Blödsinn.
Ich bin gerade mal 34 geworden. Ich habe noch genug Zeit, um die Richtige zu treffen. Oder den Richtigen. Wer weiß.
Seufzend erhebe ich mich endlich aus dem Bett und tapse durch die Wohnung. Die Spuren meines Geburtstages letzte Woche habe ich inmer noch nicht vollständig beseitigt.
An der Decke dümpelt ein „Happy Birthday"-Ballon und neben der Tür stehen leere Champagnerflaschen, die ich noch zum Altglas bringen muss.
Ich koche mir einen Kaffee, schmiere mir einen Erdnussbuttertoast und ignoriere den Vorschlag meines Gehirns etwas Gesünderes zu frühstücken.

Beim Make-up auftragen stelle ich fest, dass sich meine Make-up Routine seit Jahren nicht verändert hat. Außer der Anti-Falten Creme, die vor zwei Jahren hinzugekommenen ist, mache ich immer exakt dasselbe.
Ich strecke mir selbst im Spiegel die Zunge raus und zucke mit den Schultern.
Kindisch.
Auch meine Haare flechte ich in die übliche Hochsteckfrisur. Seit einiger Zeit trage ich sie bei der Arbeit gar nicht mehr offen, ich weiß selbst nicht wieso. Sie sind fast braun. Früher waren sie röter.
Auch das quittiere ich mit einem Schulterzucken.

Im Hinausgehen werfe ich einen prüfenden Blick in den Spiegel. Jeans und T-shirt - es gibt niemanden mehr, den ich noch beeindrucken will bei der Arbeit.

Im Auto habe ich mal wieder ein schlechtes Gewissen. Ich sollte wirklich mal ab und zu Fahrrad fahren. Wie oft ich das in den 6 Jahren, die ich hier wohne, getan habe, kann ich an einer Hand abzählen. Peinlich.

Ich bin ein wenig spät dran zu meiner ersten Stunde. Eine 7.Klasse in Französisch. Die sind noch ganz niedlich, aber brauchen viel Aufmerksamkeit und das schlaucht.
Ich bin glücklich über die zwei folgenden Freistunden, die ich mit Korrigieren von Klausuren verbringe. Über manche Fehler kann ich nur entgeistert den Kopf schütteln.
Meine letzte Doppelstunde am Freitag und der Grund, warum ich den Freitag nicht ausstehen kann, ist mein Französisch -LK.
Ich weiß, ich sollte alle Klassen und Schüler gleich sehen, aber dass ich das nicht besonders gut kann, weiß ich ja.
Dieser Oberstufenkurs ist aber einfach die Hölle.
Es ist der 4. Französisch-LK, den ich an dieser Schule übernehme und man könnte meinen, ich hätte schon alles gesehen, doch nein.
So viel Respektlosigkeit und Faulheit geballt auf einem Haufen von 7 testosterongesteuerten Jungs, die sich für unwiderstehlich halten.
Auf dem Weg zu Raum 103 verdrehe ich einmal kräftig die Augen und denke sehnsüchtig an meinen ersten Französisch-LK zurück.
Ich habe schon vor langer Zeit aufgehört, vor mir selbst zu bestreiten, was damals in mir vorging, aber nicht nur durch sie war der Kurs so toll.
Rede ich mir jedenfalls ein.

Ich ziehe meinen Unterricht durch und lasse mich nicht davon stören, dass 3 Leute meinen, es würde reichen, den Kurs 20 Minuten nach Unterrichtsbeginn mit der Anwesenheit zu beehren.
Keiner hört zu, es wird nur halbherzig mitgeschrieben, von mündlicher Beteiligung kann ich nur träumen.
Die Wahrheit ist, ich bin nicht wütend.
Es macht mich traurig, denn ich gebe mir Mühe, auch für diesen Kurs.
Ich bereite sorgfältig Unterrichtsmodule vor, Zusammenfassungen der Themen, denke mir immer wieder neue Erklärstrategien für die zugegeben komplizierte Grammatik aus.
Aber es wird mit Füßen getreten.

In der 5 Minuten Pause stürmen alle aus dem Raum und ich weiß, dass mindestens 10 Minuten vergehen werden, bis langsam die Ersten wieder reintröpfeln.
Mit geringen Erwartungen schlage ich das Klassenbuch auf. Ich erwarte nicht diese Hingabe wie von ihr, damals.
Doch die letzte Stunde, die eingetragen wurde ist von vor drei Wochen. Und das ist die, direkt nach den Sommerferien gewesen, die ich höchstpersönlich eingetragen habe.
Bedauernd schließe ich das Klassenbuch und trete ans Fenster heran. Ich öffne es und lasse die Sonnenstrahlen des letzten Augusttags rein.
Moment mal, das kann doch nicht sein.
Ich nehme meine Brille ab und putze sie an meinem T-shirt, bevor ich sie mir wieder aufsetzte.
Ich sehe eine meiner Kolleginnen über den Lehrerparkplatz gehen.
Für einen kurzen Moment hätte ich schwören können, dass mir der Körperbau seltsam bekannt vorkam.
Ich wende mich vom Fenster ab.
Das kommt davon, wenn man alten Gedanken nachhängend durch eine unpassende Brille durchschaut.

Der Rest der Stunde vergeht dann doch wie im Flug, einfach weil ich wirklich abwesend bin.
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass ich sie gesehen habe.

Nach Unterrichtsende eile ich sofort hinaus auf den Parkplatz, ohne den Umweg im Lehrerzimmer, bei dem ich mich von meinen Kollegen und Kolleginnen verabschiede.
Ich trete hinaus in die Sonne und bedauere meine Kleidungswahl, es ist viel zu warm für eine lange Jeans.
Egal, das ist nicht wichtig.
Ich scanne den Parkplatz ab und sehe niemanden.
Fast möchte ich auflachen und Scham kriecht in mir hoch.
Doch dann sehe ich sie.
Sie steht bei meinem Auto. Wieso?
Ist sie es wirklich?
Ihre Haare sind länger und sie sieht weiblicher aus, eine richtige Frau ist aus ihr geworden.
Eine wunderschöne Frau. Jedenfalls sofern ich das von hinten beurteilen kann.
Zögernd trete ich an sie heran.
Noch gut fünf Meter von ihr entfernt bleibe ich stehen.
Ich merke, dass ich die Luft angehalten habe und jetzt stoßartig ausatme.

„Ava?", frage ich.

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