Lilou kommt von der Toilette wieder.
"Was hat das jetzt eigentlich mit dem Rauchen zu tun?", fragt sie. Ich sehe sie einen Moment verdutzt an, bis mir einfällt, warum ich überhaupt angefangen hatte von der Kursfahrt zu erzählen.
"Das kommt gleich...denke ich", antworte ich vage und Lilou lächelt mich aufmunternd an.
Wenn ich ehrlich bin kann ich mich von der Kursfahrt nur noch an Carina erinnern, alles drumherum ist so verblasst. Beim Essen setzte ich mich jedes Mal so, dass ich sie sehen konnte, dass sie direkt in meinem Blickfeld war. Mich zu ihr und den anderen Lehrern zu setzen traute ich mich dann doch nicht. Bei den Ausflügen, die wir "Talgruppe" mit ihr unternahmen, achtete ich stets darauf in ihrer Nähe zu sein und Carina fing dann meistens von sich aus an zu erzählen. Sie war so ein unglaublich toller Gesprächspartner.
Aber nicht nur das. Es bestand auch eine non-verbale Kommunikation zwischen uns. Es genügte, wenn ich ihr einen Blick zuwarf, immer lächelte oder „blinzelte" sie zurück. Carina hat verstanden was mich amüsierte oder was meine Augen zum Rollen brachte. Sie verstand mich.
Ich genoss einfach diese Nähe zwischen uns. Jedes kleine Lächeln, das sie mir zuwarf. Jedes Blitzen ihrer warmen Augen.
An einem Abend gingen wir zum Bowling.
Wir teilten uns in zwei Mannschaften auf, Carina landete in der Gegnerischen. Sie war die Letzte in ihrer Mannschaft, die bowlte, ich die Letzte in meiner, somit trat ich direkt gegen sie an. Und aus irgendeinem Grund war es unglaublich sexy, mich in dieser Weise mit Carina zu messen. Mich packte ein ungekannter Ehrgeiz, sie zu besiegen.
Alles an ihr beim Bowling war wunderschön. Die Art wie ihre Augen die Kegel fixierten und sie sich vor Konzentration leicht auf die Lippe biss. Ihre rötlichen Haarsträhnen die sich aus ihrem Zopf lösten und leicht verschwitzt in ihrem Nacken klebten. Die Bewegung ihres Körpers als sie sich vorbeugte um die Bowlingkugel auf die Bahn gleiten zu lassen. Die Art, in der sich ihre Finger um die Bowlingkugel schlangen.
Carina hatte eine ganz besondere Technik, einen ganz besonderen Bewegungsablauf, bevor sie die Kugel losschickte und ich wurde nicht müde ihn anzusehen, immer und immer wieder.
Sie war so süß, wenn sie sich ärgerte. Ihre Entschlossenheit, schon beinahe begeisterte Besessenheit, die sie an den Tag legte war so heiß.
Da wir anschließend noch zusammen mit der „Berggruppe" ein Lagerfeuer machen wollten, und spät dran waren, machten sich die anderen Schüler und Lehrer nach ihrem Letzten Wurf schon auf den Weg zurück zur Herberge.
Logischerweise blieben Carina und ich als letzte zurück und ich konnte mein Glück kaum fassen.
Es war ein etwa fünfzehn Minuten langer Spaziergang durch den kleinen Ort. Es war noch gar nicht so spät aber trotzdem stockduster draußen. Carina legte einen strammen Schritt vor, teils weil wir mal wieder spät dran waren, teils, weil es unglaublich kalt war, selbst für den Schwarzwald im Winter.
Meine Hände erfroren Stück für Stück und ich rieb sie ein wenig aneinander, damit sie nicht zu Eis erstarrten.
Plötzlich fühlte ich, wie zwei warme Hände meine umfassten. Mein Herz begann wie verrückt zu klopfen.
„Oh Gott, die sind ja ganz kalt", erschrak Carina und zog augenblicklich ihre Handschuhe aus.
„Aber-", setzte ich an, doch sie unterbrach mich: „Kein aber, ich dulde keine Widerrede"
Ich streifte Carinas Handschuhe über und versuchte nicht zu hypervertillieren bei dem Gedanken eines ihrer Kleidungsstücke zu tragen.
„Das ging doch ganz einfach", schmunzelte Carina. „Ich hatte schon befürchtet ich müsste von meiner pädagogischen Autorität gebrauch machen"
Sie stieß mich spielerisch in die Hüfte.„Schließlich bin ich immer noch deine Lehrerin"
In dem Moment als sie das sagte, blieb mein Herz beinahe stehen und ein sehr trauriger und zugleich erschrockener Ausdruck trat auf ihr Gesicht und ich wusste nicht, ob sie mich oder sich selbst daran erinnern wollte, in welcher Beziehung wir standen.
Ich war vor Schreck über das Gesagte stehen geblieben und Carina beschleunigte ihre Schritte, sodass sie mich überholte.
„Danke", hauchte ich leise in die kühle Luft.
Sie drehte sie um und rief mir zu: „Komm schon Ava" und ich setzte mich in Bewegung.
Das Lächeln, dass sie mir dabei zuwarf schien immer noch ein wenig zu klein, ein wenig zu traurig, aber ich beeilte mich, sie einzuholen.„Moooooment", unterbricht Lilou mich heftig gestikulierend. Der Wein schwappt beinahe aus ihrem Glas.
„Du willst mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass du nicht wusstest was sie für dich empfand!"
Ich schüttle den Kopf. „Du weißt, sie hat das nicht so gemeint...es...sie hat es nur blöd formuliert"
Lilou schnaubt. „Wie du meinst. Erzähl weiter."Beim Lagerfeuer distanzierte ich mich von Carina. Nicht, weil ich es wollte, sondern, weil ich mich Carina nicht aufdringen wollte. Ich sah sie über das Lagerfeuer hinweg an. Ihr Blick war so schmerzverzerrt und verschlossen, sie sprach das gesamte Lagerfeuer über kein einziges Wort, zu niemandem.
Mir fiel erst im Zimmer auf, dass ich inmer noch Carinas Handschuhe hatte und mir schoss die Röte ins Gesicht. Ich stürzte in den Gang und klopfte an Carinas Zimnertür, doch sie öffnete nicht. Sie war anscheinend nicht da.
„Suchst du Frau Abke?", ertönte eine Stimme hinter mir. Ich zuckte zusammen und fing mich sogleich wieder; ich tat nichts Verbotenes. Es war der andere Lehrer.
„Ja", brachte ich hervor.
„Ich habe sie gerade unten an der Rezeption gesehen, vielleicht ist sie noch dort"
„Danke"
Ich eilte die Treppen hinunter, ich wusste selbst nicht, warum es mir so wichtig war, ihr die Handschuhe sofort zurückgeben, ich wusste nur, dass ich es nicht ertrug sie bei mir zu haben.
Carina war nicht bei der Rezeption, also lief ich durch die Gänge, bis ich auf eine Tür zum Innenhof stieß. Aus unerklärlichen Gründen war ich mir so sicher, dass sie dort war.
Die Tür schwang auf und sich sah Carinas Profil, auf einer Bank sitzen. Ihre Hose war wahrscheinlich vollkommen durchnässt, sie hatte den Schnee nur halbherzig zur Seite gewischt. Sie wirkte sehr in sich gekehrt, nicht so als wolle sie Gesellschaft.
Sie bemerkte mich nicht.
Ich ging langsam auf sie zu. Carina wischte sich verstohlen mit ihrer rechten Hand über die Augen und -
„Oh Ava!", ihre Stimme zitterte und mein Blick wanderte automatisch zu ihrer linken Hand.
Sie hielt eine Zigarette.
Auf der Stelle wandte ich meine Augen ab und im selben Moment senkte sie ihre Hand unter den Tisch.
Sie wollte offensichtlich nicht, dass ich sah, dass sie rauchte, aber ich hatte es gesehen und das wusste sie.
Dennoch tat ich als hätte ich es nicht bemerkt und schaute angestrengt in ihr Gesicht.
Carina hatte definitiv geweint, auch das konnte sie nicht verbergen.
„Ich - ich wollte nur die hier zurückgeben". Meine Stimme zitterte auch. Ich hielt ihre Handschuhe hoch, um das Gesagte zu unterstreichen.
„Danke nochmal".
Ich wollte die Handschuhe instinktiv auf dem Tisch ablegen, aber er war voller Schnee, also trat ich noch ein Stückchen näher und legte sie ihr auf den Schoß. Dieser kurze Moment in dem ich ihre Wärme spürte, ließ mich unwillkürlich nach Luft schnappen.
Ich drehte mich um und stapfte langsam davon.
Dann blieb ich stehen und sah über meine Schulter, wie Carina die Zigarette in den Schnee warf.
„Frau Abke?"
Sie schaute mich an.
„Ich hoffe, es... es ist alles in Ordnung mit Ihnen".
Anschließend ging ich endgültig weg von ihr.
Ich konnte nicht ertragen, sie traurig zu sehen, doch ein Teil von mir hoffte, dass es trotzdem mit mir zusammen hing.Lilou atmet hörbar aus und verschlingt den letzten Cracker. Sie kommentiert es nicht, wofür ich ihr äußerst dankbar bin.
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You were my first love [lehrerinxschülerin]
Teen FictionAva ist 22, lebt in Paris, ist glücklich verlobt - ihr Leben könnte gerade nicht besser sein. Wären da nicht die Erinnerungen, die sie heimsuchen, Gedanken, die sie unterdrückt. Gedanken an ihre erste große Liebe, die sie auch nach Jahren noch nich...