Dienstag

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Das Bett fühlte sich viel zu bequem an, als dass Scarlett aufstehen wollte. Die Sonne hatte sich hinter Wolken verborgen als wüsste sie sehr genau, was Sca heute bevorstand. Natürlich freute sie sich darüber, endlich 18 zu sein, aber diese Freude wurde von der Tatsache überschattet, dass sie sich mit David treffen "musste". Schließlich siegte aber doch die Freude darüber, endlich volljährig zu sein. Mit einem kleinen Lächeln stand Sca auf und zog die Vorhänge vor dem Fenster auseinander. Sie verbannte jeden Gedanken an David aus ihrem Kopf und beschloss, nicht auch nur eine neuronale Verschaltung an ihn zu verschwenden, bis sie vor ihm stand. 
Kaum hatte sie sich angezogen, stürmte auch schon Kira herein. "Heeey, alles Gute zum Geburtstag!!", rief sie und fiel Sca um den Hals. Diese bedankte sich lachend und erwiderte die stürmische Umarmung. Gemeinsam gingen sie zum Frühstück, Kira erzählte ihr lang und breit, wie dieser Tag perfekt werden würde und Sca konnte gar nicht anders, als glücklich zu sein. Im Essenssaal wurde sie auch schon von einigen erwartet und bald trällerte der ganze Saal ein Geburtstagslied. Peinlich berührt bedankte sich Scarlett und zog Kira rasch mit an einen freuen Tisch. 

Eigentlich war es ein schöner Tag. Scarlett bekam jede Menge Aufmerksamkeit und wurde ständig bedrängt, was sie von wem geschenkt bekommen hatte. Jeder wollte Zeit mit ihr verbringen und sich mit ihr unterhalten. Die Wolken hatten aufgerissen, sodass nun die Sonne schien und es schön warm war und außerdem fiel für alle das Vormittagstraining aus, weil Miss Thinder einen Arzttermin hatte. Und dennoch schien der Abend wie ein Schatten auf Sca zuzurücken. Einerseits verging die Zeit zu schnell, andererseits zu langsam. Das Training am Nachmittag verflog beinahe, aber die Stunde danach, die Sca noch Zeit hatte, bis sie los musste, schlich dahin wie zäher Kaugummi. Mit jeder Minute wurde sie nervöser und wollte doch nichts lieber, als diesen wunderbaren Geburtstag mit ihren Freunden ausklingen zu lassen. 

Schließlich musste sie los. Scarlett warf einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Ihre hellen Haare rahmten ihr Gesicht mit sanften Wellen ein. Ihre Augen hatte sie mit Wimperntusche und sogar ein wenig Eyeliner geschminkt, und ihre Lippen hatten eine unauffälligen Rosaton bekommen. Ihre Augenfarbe wurde von der grünen Kette um ihren Hals noch verstärkt. Skeptisch griff Sca nach ihrer kleinen schwarzen Tasche und trat hinaus auf den Gang. Es fiel ihr nicht schwer auf den hohen Schuhen zu laufen, die sie von ihren Eltern geschenkt bekommen hatte, nur das enge schwarze Kleid fühlte sich ungewohnt an. Trotzdem versuchte Scarlett so selbstbewusst wie möglich zu laufen. Es sollte nur niemand denken, dass sie sich extra für David so herausgeputzt hatte. Das machte sie ganz für sich allein. Draußen war es noch erstaunlich warm. Der Himmel schimmerte dort, wo die Sonne soeben hinter dem Horizont verschwunden war, in den verschiedensten Rottönen. Von tieforange bis hin zu violett. Sca war aufgeregt und gespannt, was sie erwartete. Für einen Moment fragte sie sich, wozu sie sich eigentlich so schick gemacht hatte. Es war nur David. Und es war zwar eine Verabredung am Abend und es war ihr Geburtstag und sie hatte einfach Lust darauf gehabt...aber plötzlich fühlte sie sich absolut overdressed. Sie war nicht mal mehr mit ihm zusammen (auch wenn sie nicht genau wusste, ob ihm das auch klar war und eigentlich war es ihr selbst auch gerade eben erst bewusst geworden). Egal, sie wollte ihm einfach zeigen, dass sie nicht um ihn trauerte und sich auch schick machen konnte, wenn es nicht um ihn ging. Das Eisentor quietschte, als Sca es aufzog. Und genauso quietschte es, als sie es wieder zustieß. Sie kam sich vor, als ließe sie ein Gefängnis hinter sich, obwohl ihr die Ballettschule nie wie ein Gefängnis vorgekommen war. Nun hatte Sca das Gefühl leichter atmen zu können und sich freier bewegen zu können. In ihrer Kleidung fiel sie nun auch nicht mehr so auf, sondern sie war eine von vielen, die am Abend auf dem Weg zu einer Verabredung durch die Straßen liefen. Beschwingt lief sie die Straße entlang, die in die Stadt führte. Dort vorne lag auch schon das kleine Kaffee, in dem sie sich verabredet hatten und an einem Tisch saß ganz alleine David. Ihre Nervosität war verflogen. Zurück blieb nur Wut und auch ein kleines bisschen Verachtung für seine mangelhafte Fähigkeit, eine Beziehung zu führen oder überhaupt sein Leben hinzukriegen. Der Abend könnte interessant werden! 

on Pointe Shoes (fertig und überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt