Alter Bekannter

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Scarlett sah auf die kleine Uhr in ihrer Tasche. Sie sollte zum Essen gehen, das in zehn Minuten begann. Hastig warf sie ihre Ballettschuhe, eine Flasche Wasser und ein Handtuch in ihre Tasche. Dann schlüpfte sie in Socken und leichte Schuhe, stand auf und trat aus dem Ballettsaal. Sie fuhr erschrocken zusammen, als sie sich in Richtung Essenssaal umdrehte und nun direkt vor einem Jungen stand. Er war ihr nur allzu vertraut. Sein Haar war kurz und fast schwarz. Scarlett zog scharf die Luft ein, als sie David erkannte. "Was willst du hier?" Scarlett konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme etwas heiser klang. Dabei wollte sie kühl und abweisend klingen und nicht so eingeschüchtert. Am liebsten hätte sie ihm ihre Tasche um die Ohren geknallt, aber stattdessen stand sie da wie festgefroren. "Ich möchte mich bei dir entschuldigen. Ich weiß, dass ich dich sehr vernachlässigt habe, nachdem ich gehen musste. Ich war echt am Boden nach dem Rauswurf, auch wenn ich überall erzählt habe, dass es kein Stress ist. Ich musste mein ganzes Leben neu ordnen und da habe ich in erster Linie an mich gedacht. Das war auch echt nötig, aber ich hätte da offen mit dir sein sollen. Es tut mir Leid. Du bisst mir immer noch unglaublich wichtig und jetzt weiß ich auch wieder, was du mir bedeutest. Vielleicht können wir es nochmal versuchen?" Scarlett starrte ihn ziemlich entsetzt an. Klar, sie bewunderte seinen Mut, dass er hier einfach auftauchte und diesen Schritt auf sie zu machte, der bestimmt nicht einfach für ihn gewesen war. Aber dachte er ernsthaft, dass er sie einfach in irgendeine Schublade stopfen konnte und sie wieder rausholte, wenn es ihm gerade einfiel? In welcher Welt lebte er denn. Entschieden schüttelte sie den Kopf. "Ich kann nicht einfach nochmal von vorne anfangen. Das ist völlig absurd. Ich weiß, man sollte manchmal eine zweite Chance geben, aber ich wäre so lange dazu bereit gewesen. Stattdessen kommst du erst jetzt zu mir. Weißt du, wie lange ich Schmerzen gelitten habe, weil ich so gehofft habe, dass du zurückkommst?" David sah zu Boden. Er verbarg seine Enttäuschung darüber, dass sie nicht sofort einwilligte, nicht. Ungewöhnlich für ihn. Normalerweise trug er die locker lässige Maske, mit der Scarlett ihn auch kennengelernt hatte. Es dauerte lange, bis sie fiel. "Ich hab doch gesagt: ich musste erst mal mein neues Leben in den Griff bekommen. Ich wusste gar nicht wie das alles laufen sollte ohne das Ballett. Ich war überfordert und hatte dadurch zu wenig Zeit und habe schlicht die Zeit nicht gefunden, auch noch eine Beziehung zu bewahren, nachdem ich so neben mir stand." Nun hob er den Kopf. "Vielleicht tat uns die Auszeit ganz gut. Davor hat es zwischen uns doch auch wunderbar geklappt." "Da hatte er Recht und Scarlett musste sich eingestehen, dass ihr Unterbewusstsein eigentlich nie die Hoffnung aufgegeben hatte, dass er zurückkommen würde. "Ich wäre dir so gern beigestanden, David. Ich wäre jederzeit für dich da gewesen." Er nickte. "Ich weiß. Es tut mir wirklich Leid, Scarlett. Das war völlig bescheuert von mir." Sie lächelte ihn zaghaft an und legte ihm sanft eine Hand auf die Wange. "Das war es", sagte sie leise. David nickte und blickte sie mit schief gelegtem Kopf an. Dann trat er auf sie zu und küsste sie ganz sanft. Das Gefühl, als seine Lippen die ihren trafen, war für Scarlett so vertraut, andererseits doch fremd. Sie war sich noch nicht sicher, ob es sich richtig anfühlte, aber den Gedanken schob sie rasch beiseite. Ihr Herz musste die Neuigkeiten erst einmal verarbeiten. Schließlich griff sie nach seiner Hand und zog ihn mit sich in Richtung Essenssaal. Sie musste Kira, ihrer besten Freundin unbedingt sie Neuigkeiten erzählen.

on Pointe Shoes (fertig und überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt