Mond und Sterne

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Jeremy und Scarlett gingen schließlich wieder schweigend nebeneinander her, bis sie aus der Stadt heraus kamen und einen kleinen Hügel hinaufgingen. Als sie oben angekommen waren sah Sca dass ihnen das Ballettinternat zu Füßen lag. Es war umgeben von einer hohen Mauer, doch das Gelände war voller Wiesen und in der einen Ecke lag der kleine Teich, an dem Scarlett so gerne saß. Verblüfft sah sie Jeremy an. Er grinste. "Man sieht dir an, wo du herkommst." Beantwortete er ihre stumme Frage. Sie setzen sich auf den kalten Boden. Mit einem Mal fühlte sich Scarlett unbehaglich. Sie kannte diesen Typen nicht. Sie wusste seinen Namen und sie verstanden sich auf Anhieb, aber das war's auch schon. Wenn sie Pech hatte, interessierte er sich gar nicht für sie, sondern wollte nur ein Ballettmädchen seiner Liste von Mädchen, mit denen er schon geschlafen hatte, hinzufügen. Der Gedanke war wenig ermutigend. Jeremy sah sie an mit diesen blauen Augen, die eigentlich einschüchtern sein müssten durch dieses eisige Blau, aber Sca sahen sie neugierig an, überhaupt nicht so, als hätte er noch Hintergedanken. Sie konnte sich trotzdem nicht so wirklich entspannen. "Wie alt bist du?", fragte er. "Ich bin heute 18 geworden. Du?" "20. Ich studiere seit einem Jahr." "Ich tanze seit ich klein bin hier an der Schule. Am Wochenende haben wir eine Aufführung. Ich hab es inzwischen zu einer Solotänzerin gebracht, aber ich wurde von dem Theater hier in der Stadt nicht genommen, deshalb werde ich wahrscheinlich mit dem Tanzen aufhören und auch studieren", sprudelte sie plötzlich heraus und biss sich im nächsten Moment auf die Zunge. Das musste ja furchtbar eingebildet geklungen haben. Jeremy lächelte und nickte.
Dann saßen sie wieder schweigend nebeneinander. Aber es war keine unangenehme Stille. Langsam entspannte sich Sca.
Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, als sie leise sagte: "Ich muss langsam zurück." Jeremy nickte. "Wann ist eure Aufführung am Wochenende?" "Am Samstag um 19 Uhr."
Jeremy begleitete sie bis zum Tor der Ballettschule. Am liebsten wäre Sca einfach umgedreht und wieder zurückgegangen, zurück in die Stadt, zurück zu den Lichtern und dem pulsierenden Leben, aber sie wollte ungern so kurz vor der Premiere alle im Stich lassen. Deshalb sah sie Jeremy ein wenig traurig an. Er lächelte und seine blauen Augen blitzten, bevor er sich umdrehte und mit den Händen in den Taschen davonging. Da erst merkte sie, dass sie die ganze Zeit ohne Jacke unterwegs gewesen war. Jeremy hatte sie warm gehalten. 

on Pointe Shoes (fertig und überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt