Teil 16

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Bevor ich den Schlüssel ins Schloss steckte, atmete ich tief durch. Ich hatte Angst. Gefühlt hatte ich seit gestern Abend durchgängig Angst.
Ich wusste nicht, was mich drinnen erwarten würde. Ob Jonas wütend oder einfach nur besorgt war.
Im Grunde genommen hatte ich Angst vor Jonas. Angst vor meinem eigenen Freund. Angst vor einem 21-jährigen freundlich aussehendem Mann im Anzug.
Doch was er mir privat jedes Mal aufs Neue zeigte, war so ganz anders.
Ich könnte wetten, dass niemand in seiner Firma dachte, er würde jemals seine Freundin oder Frau schlagen. Nein. Von außen sah er nicht so aus. Eher als wäre er der perfekte Gentleman, der Mann, den man gerne seinen Eltern vorstellte, der Mann, mit dem man sich eine Zukunft vorstellen konnte, der Mann, der einmal eine eigene kleine Familie haben würde.
Doch er war nicht dieser Mann. Nicht zu mir. Und das musste ich jedes Mal am eigenen Leib spüren. Bis gestern Abend hatte ich mich damit noch abgefunden, hatte es als normal angesehen und nicht schlimm gefunden.
Kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, kam Jonas auf mich zu und schlug mir ins Gesicht. Jene Hand, die mich schon etliche Male geschlagen hatte.
„Wo warst du?", fragte er jähzornig.
„Ich war nur eine Runde spazieren", murmelte ich leise, woraufhin er nur nickte.
Dann ging er in die Küche und schmierte sein Brot weiter. Eine ganz normale Begrüßung von ihm.
Kleiner als ich war, schlich ich ins Bad. Das 19-jährige Mädchen im Spiegel erkannte ich selbst nicht wieder. Mit großen Augen schaute es mich an, einen Kratzer oberhalb der Augenbraue, einer aufgeplatzten Lippe, aus der frisches Blut ins Waschbecken tropfte.
Ich zog meine Kleidung aus, ließ sie einfach auf den Boden fallen und stand jetzt nackt vor dem Spiegel. Ich hatte nie eine perfekte Figur gehabt, doch bis gestern Abend hatte ich mich noch in meinem eigenen Körper wohlgefühlt. Jetzt konnte ich mich nicht einmal mehr ansehen.
Vielleicht weil mich die zahlreichen blauen Flecken und Blessuren an letzte Nacht erinnerten.
Dann stieg ich unter die Dusche, schrubbte in dem verzweifelten Versuch alles abzuwaschen so lange an mir herum, bis meine Finger anfingen zu schrumpeln.

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