Teil 35

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„Hey, kann sein, dass das jetzt bisschen komisch kommt", sagte Wincent am Frühstückstisch, als ich mir gerade einen Löffel Joghurt in den Mund schob. „Aber weil du eigentlich eh schon hier wohnst, wollte ich dich fragen, ob du nicht Lust hast ganz hier einzuziehen, mit all deinen Sachen."
Er schaute mich fragend an und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Langsam schluckte ich meinen Joghurt herunter.
„Ich kann meine Sachen nicht holen", war das einzige, was ich dazu sagte. Mich hatte die Frage nicht wirklich überrascht. Wincent hatte schon Recht, im Grunde genommen wohnte ich schon längst hier.
Ich wusste nicht, ob wir mittlerweile richtig zusammen waren, doch wenn ja, waren wir unsere Beziehung so ganz andersherum als jedes normale Pärchen angegangen. Erst hatten wir Sex, dann bin ich bei ihm eingezogen, dann haben wir uns geküsst, doch ein richtiges Date hatten wir noch nicht.
„Ich würde gerne, aber es geht nicht."
„Scheiße stimmt", sagte er und sah nachdenklich aus. „Ich kann verstehen, wenn du nicht dorthin zurückmöchtest. Ich kann verstehen, wenn du dieses Schwein nie wieder sehen möchtest. Ich möchte nicht, dass er dich wieder sieht. Aber ich hab mir gedacht, du würdest vielleicht noch gerne ein paar Sachen von dir haben. Du lebst seit mehreren Wochen mit den wenigen Sachen. Ich hätte nie gedacht, dass eine Frau mit so wenig Kram überleben würde." Er grinste leicht und ich liebte ihn dafür, wie er Situationen mit einem einzigen Satz auflockern konnte.
Ich hätte auch nie geglaubt, dass ich es schaffen könnte. Doch ich hatte keine andere Wahl. Mein Drang nach Freiheit war so spontan über mich gekommen, dass ich nicht die Zeit hatte, Koffer zu packen.
Doch jetzt, wo Wincent das gesagt hatte, fiel mir auf, dass ich doch noch ganz schön viel Kram zuhause hatte, den ich unendlich vermisste.
Angefangen von meinen Klamotten, über meine ganzen Kosmetikartikel, bis hin zu wichtigem Papierkram.
„Ich kann nicht wieder zu ihm zurück", sagte ich.
„Ich weiß, dass du es kannst", meinte Wincent und nahm meine Hand in seine. „Ich komme mit dir. Und ich werde dir nicht von der Seite weichen. Keine Sekunde wirst du mit ihm alleine sein, versprochen! Wir packen bloß ein paar deiner Sachen ein und ich schwöre, dann wirst du dieses Arschloch nie wieder sehen."
Er schaute mir in die Augen und in seinem Blick lag so viel Zärtlichkeit, so viel Zuneigung, dass ich ihm vertraute und langsam nickte.

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