Kapitel 5 Der Sturm

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Kapitel 5

Der Sturm

Miami, Florida

08. Juli 2037

18:12

Nach tagelang anhaltendem Regen und heftigen Unwettern, gibt es nach wie vor keine Entwarnung für die Ostküste Floridas. Wetterexperten haben inzwischen bestätigt, dass es sich bei Hurrikane Alma um den stärksten Sturm seit 12 Jahren handelt und die Klimaforscher gehen davon aus, dass durch die globale Erwärmung...

„Fernseher aus.", sagte Celeste genervt. Ihre Mutter saß in Jogginghose neben ihr auf der Couch und las ein E-Book auf ihrem Tablet. „Geht dir das Nachrichtenprogramm etwa auf den Zeiger, Liebling?", fragte sie neugierig, worauf sich Celeste beschwerte: „Und wie! Es läuft nichts anderes mehr. Ich geh nach oben und hör' ein bisschen Musik."

Das schlechte Wetter sorgte dafür, dass die junge Frau keinen Schritt vor die Tür machte und sie den ganzen Tag über in Leggins und weiten Shirts herumlungerte. Sie streckte sich stöhnend, als sie von dem überdimensionalen weißen Ledersofa aufstand und schlurfte schließlich nach oben in ihr Zimmer.

Regentropfen prasselten hämmernd gegen die Fensterscheiben, die Palmen draußen auf der Straße bogen sich wie Gummi unter dem starken Wind und grelle Blitze erhellten die Nachbarschaft, welche durch einen dichten Regenschleier in ein verblasstes grün-grau getaucht wurde.

Alister befand sich derweil im Freizeitraum der Familie und polierte dort die Billardkugeln am Pooltisch. Er hingegen machte sich rein Garnichts aus dem nassen Wetter, bis ein extrem heller Blitz aufleuchtete und der darauffolgende Donner die Gläser und Schnapsflaschen in der Vitrine klingend erzittern ließ. Ein kurzes, kräftiges Vibrieren durchfuhr anschließend den Boden. Es war nicht so, dass der schick gekleidete Android sich fürchtete, jedoch wusste er, dass ein derartiges Unwetter gefährlich für die Menschen sein konnte, weshalb er misstrauisch aus dem Fenster sah und die Umgebung überprüfte. Ein weiterer Blitz erhellte sein Antlitz. Die LED an seinem Kopf blinkte zunächst gelb und seine Augen wurden schmal, bevor sie sich letztlich rot färbte und er Miranda's panische Stimme vernahm: „Alister!"

Miranda hatte ebenfalls bemerkt, dass der Sturm abrupt stärker wurde und war in der Zwischenzeit aufgesprungen. Beunruhigt sah sie in den Garten, wo sämtlicher Unrat wild umherflog.

„In den Keller! Runter in den Keller!", rief der Android während er aus dem Nebenzimmer eilte, doch Miranda stand wie angewurzelt auf der Stelle vor dem Fenster. Alister raste bereits auf sie zu, um sie von dort weg zu holen, da schlug plötzlich ein roter Minivan auf dem Rasen auf und machte ihr Beine.

„In den Keller! Los, in den Keller! Beeilung!", brüllte er und das Haus wurde von einem gewaltigen Beben erschüttert, so als würde eine riesige Faust neben das Grundstück schlagen.

Celeste, die mit Kopfhörern halb schlafend auf ihrem Bett lag wurde gleichermaßen von dem heftigen Stoß erfasst und fiel beinah von der Matratze. Ihr Puls schoss in die Höhe. Ruckartig riss sie sich die Hörer vom Kopf. „Was zum Teufel ist hier los?"

Noch bevor sie es begreifen konnte, schlug ihre Zimmertür auf und Alister schrie sie an: „Celeste, du musst sofort mit mir kommen!" Als dieser sah, dass sie gerade dabei war einen Blick nach draußen zu riskieren wurde er noch lauter: „Weg von dem Fenster!"

Ohne zu zögern sprintete er auf sie zu und riss sie weg. In dem Moment sprengte der Druck des Windes die Scheibe und ein Schwall aus Scherben und Regen fegte pfeifend in ihr Zimmer. Celeste entfuhr ein ängstlicher Schrei, worauf sie von Alister gepackt wurde und er mit ihr aus dem Raum rannte. Nach einem kurzen Flackern der Lampen, war plötzlich der Strom weg und es wurde düster. Ein tiefes Grollen mischte sich unter das ohrenbetäubende Heulen des Windes. Der Android reagierte sofort, als er sah, wie ein Laternenmast auf das Fenster über der Treppe zum Foyer zuflog. „Runter!", rief er, stieß Celeste nach vorne und warf sich schützend über sie, während sich der Mast nur einen halben Meter neben ihnen in den Boden bohrte. Zerbrochenes Glas, sowie Blätter, Schmutz und weiteres Regenwasser hagelte auf sie herunter. Eine Scherbe streifte dabei Alister's Gesicht und hinterließ einen blau blutenden Schnitt.

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