Kapitel 12
Modenschau
Detroit, Michigan
24. Dezember 2037
17:38 Uhr
„Alister?"
Der Android staubte gerade die Bücherregale im Wohnzimmer der Familie ab, als Celeste plötzlich einige Schritte entfernt neben ihm stand und etwas hinter ihrem Rücken verbarg. Er nahm den Staubwedel herunter und wandte sich ihr zu. „Celeste, was kann ich für dich tun?"
„Ähm, wegen heute Abend...", begann sie und tat verlegen zwei Schritte auf ihn zu. Wie mit ihrer Freundin vereinbart, würden sie beide in ungefähr einer Stunde bei Amy und ihrer Mutter sein, um mit ihnen Weihnachten zu feiern. Allerdings hatte Celeste den Androiden noch nicht darüber eingeweiht, dass er ihnen Gesellschaft leisten wird.
Ausdruckslos schaute er sie an und wartete auf seine Anweisungen. Zögerlich holte die junge Frau ein flaches Päckchen, verpackt in tannengrünem Papier, mit einer roten Schleife umwickelt hervor und hielt es ihm entgegen. „Es ist zwar eigentlich noch nicht Zeit für Geschenke, aber ich würde dir deins gerne jetzt schon geben." Es folgte ein verwirrter Blick ihres Gegenübers, bevor dieser die Schachtel nahm und etwas unbeholfen darauf hinabsah, was dafür sorgte, dass in Celeste's Kopf eine Hitzewelle aufstieg, während ihre Hände kalt und schwitzig waren.
„Es... Es sind ein paar Kleidungsstücke.", brachte sie mit zitternder Stimme hervor, in dem Moment, als Alister behutsam am Schleifenband zog, um die Box zu öffnen, bevor sie anschließend weiter stotterte: „Sie... Sie sind für... heute Abend. Ich habe Amy bereits danach gefragt, ob es in Ordnung wäre, wenn ich noch jemanden mitnehme und... Ich... Naja, ich hätte dich gerne heute Abend dabei, weißt du und da dachte ich mir, dass ich dir als Überraschung ein paar schöne, neue Klamotten kaufe. Ich... Ich hoffe sie gefallen dir." Endlich war es raus. Verdammt, was ist nur los mit mir? Warum bin ich denn so aufgeregt?, fragte sich Celeste.
„Danke.", sagte die sanfte, kristallklare Stimme des Androiden und riss sie damit aus ihren Gedanken. „Ich werde mich dann demnächst umziehen, damit wir rechtzeitig loskönnen."
Indem er noch immer eine gleichgültige Miene aufsetzte, verunsicherte er die junge Frau vor ihm etwas. Die Lippen zu einem dünnen Lächeln zusammengepresst, nickte sie und verschwand dann in ihr Zimmer. Als sie sich Gedanken darüber machte, ob Alister sich nun freute oder nicht, kam ihr die Vermutung, dass sein Programm einfach nicht mehr als ein schlichtes Danke zuließ. Somit konnte sie für sich ausschließen, das falsche Geschenk besorgt zu haben und musste nicht enttäuscht darüber sein. Warum sollten sich Androiden auch über Geschenke freuen, wenn ihre vorbestimmte Funktion es ausschloss, je welche zu erhalten.
Eine andere Sache, die Celeste verunsicherte war, was sie selbst für das Abendessen bei ihrer Freundin anziehen sollte. Nach drei erfolglosen Kombinationen mit einem kurzen, karierten Winterrock wählte sie ein figurbetonendes dunkelrotes Kleid, dessen lange Ärmel aus Spitze waren und in die Mitte ihres Dekolletees verliefen. Als sie sich im Spiegel betrachtete, kam sie sich darin allerdings irgendwie zu aufreizend vor. Außerdem hatte sie Angst, dass sich nach dem Essen ihr Bauch unter dem glatten Stoff abzeichnen könnte. Also suchte sie sich ein anderes Kleid und probierte es an. Es war champagnerfarben, um den Kragen herum mit Perlen in verschiedenen Größen verziert und hatte einen leicht ausladenden Tüllrock, welcher ihr bis zu den Waden reichte. Mist, ich glaube ich habe keine farblich dazu passenden Schuhe, bemerkte sie, als sie den Stoff etwas zurecht zupfte. Der darauffolgende Blick in den breiten Spiegel des Schiebeschranks reichte, um ihr das Kleidungsstück endgültig zu vermiesen. Die Farbe ließ sie blasser erscheinen, als sie ohnehin schon war und ihre freien Oberarme kamen ihr auch zu dick vor. Warum habe ich das überhaupt im Schrank? Celeste konnte es kaum schnell genug wieder ausziehen. Dabei kämpfte sie mit dem dicken Tüll, als sie sich das Kleid von unten nach oben überstülpte. Plötzlich hatte sie Probleme das Taillenstück über ihren Oberkörper zu ziehen, weshalb sie sich verärgert schüttelte, den Kopf dabei unter einem Haufen hellen Tüll und vor sich hin fluchte: „Ich hab' das Drecksding doch eben auch anbekommen! Wie kann ich denn jetzt plötzlich zu fett dafür sein!?" Verzweifelt windete und rappelte sie sich, um sich endlich von dem lästigen Stück Stoff zu befreien. Ihr wurde unangenehm warm, als sie nach einer weiteren Minute feststellen musste, dass sich das Kleid kaum ein paar Zentimeter bewegt hatte. Ein aufgebrachtes Stöhnen drang aus ihrer Kehle und die junge Frau zerrte ein weiters Mal unvorsichtig an dem engen Stoff. „Gleich nehme ich die Schere! Das Ding ist sowieso hässlich!", knurrte sie unter dem faltigen Tüll. Im gleichen Moment rutschte das Kleid über ihre Oberweite und sie konnte endlich wieder frische Luft schnappen. Genervt warf sie es zu Boden. Bevor die Erleichterung eintreten konnte, entfuhr Celeste ein Schrei, als sie bemerkte, dass sie nicht mehr alleine in ihrem Zimmer war. „Alister!", rief sie und schnappte sich panisch wieder das champagnerfarbene Kleid, um sich damit so gut es ging zu bedecken. In ihren Wangen kribbelte es vor Scham und sie konnte sehen, wie sie sich röteten, ohne dabei in den Spiegel schauen zu müssen.
„Bist du fertig?", fragte der Android, bereits in dem Outfit, welches Celeste für ihn ausgewählt hatte.
„Sehe ich etwa so aus? Nein! Ich brauche noch 5 Minuten mindestens.", keifte sie und wartete darauf, dass er endlich wieder die Zimmertür hinter sich schloss. Stattdessen rührte er sich nicht von der Stelle und sein sanfter, unbekümmerter Blick ruhte auf dem Körper der jungen Frau. „Du kannst unten warten.", sagte Celeste in einem bestimmenden Ton und Alister verstand letztendlich, dass dies für ihn das Stichwort war, zu gehen. Die junge Frau seufzte schwer und kramte entnervt weiter in ihrem Kleiderschrank. Ihr Herzschlag entwickelte sich allmählich von dem eines Hamsters wieder zu dem eines Menschen. Nachdem sie eine schwarze Hose und eine halbärmelige, weiße Bluse angezogen hatte, überprüfte sie ihr Outfit im Spiegel und war überzeugt, nun endlich das Richtige gefunden zu haben. Mit der Hose wirkte sie nicht overdressed, die Bluse war nicht eng, sondern luftig um den Bauch, sodass sie sich wohl fühlte und mit der schwarzen, locker herabhängenden Satin-Schleife vorne am Kragen war sie trotzdem noch schick genug. Eigentlich wollte Celeste ihre schulterlangen Haare mit einer Klammer hinten hochstecken, entschied sich aber im letzten Moment dafür, sie offen zu tragen und bürstete sie noch ein letztes Mal durch.Mit gepackter Tasche schritt sie danach hinunter ins Foyer, wo Alister bereits geduldig wartete. Unten angekommen konnte sie ihn erstmals richtig in seiner neuen Kleidung bewundern.
Der bordeauxrote Pullover, aus dessen V-Ausschnitt der Kragen eines weißen Hemds ragte, und die dunklen Jeans machten machten ihn zu einem ganz anderen Mann. Stolz strich sie ihm über die Schulter. „Die Sachen stehen dir gut." Ihr Grinsen war dabei so breit und ansteckend, dass Alister es erwiderte.
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Binary
FanfictionAls Celeste Chandler 10 Jahre alt ist, erhält ihr Vater, ein renommierter Architekt aus Miami, von einem angesehenen Cyberlife-Mitarbeiter ein einzigartiges Androiden Modell als Geschenk für seine herausragende Arbeit. Der Butler-Android mit dem Nam...