|23| Kapitel

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Grelles Morgenlicht bahnte sich seinen Weg zwischen den Vorhängen hindurch.
Kane blinzelte und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, dann drehte er den Kopf und blickte einen Moment verwirrt in das schlafende Gesicht von Ria Azmar.
Langsam kamen die Erinnerungen an die vergangenen Nacht zurück und Kane setzte sich vorsichtig auf, um Ria nicht aufzuwecken, die nun leise im Schlaf seufzte und sich in die Decke wickelte.
Der Assassine rollte sich aus dem Bett und stand noch immer etwas müde auf, wischte sich das dichte, schwarze Haare aus dem Gesicht und scherte sich nicht um seine Nacktheit, als er träge den Schrank nach einer Hose durchsuchte.
Kane schlüpfte in die erste, die ihm in die Hände fiel, dann drehte er sich um. Zu Ria, die sich auf einen Ellbogen gestützt hatte und ihn mit schief gelegten Kopf ansah.
"Also, es wird schwer am nächsten Morgen abzuhauen, wenn man in einem großen Haus lebt. Und sich nicht aus dem Weg gehen kann." Verkündete sie und hob eine Augenbraue.
Kane lächelte leicht. "Nein, ich habe nicht vor abzuhauen." Er ging zu ihr und küsste sie sanft, dann trat er zurück. "Ich seh nur kurz, ob Zac inzwischen da ist." Murmelte er und Ria seufzte. "Und schon muss ich dich wieder mit ihm teilen."
Kane lachte etwas und Ria ließ sich zurück ins Bett fallen. "Aber komm bald wieder, ich hab noch ein paar Ideen ..."
Der Assassine nickte schnell und huschte dann aus dem Zimmer.

Mit leichten Schritten durchquerte Kane den Flur zum Zimmer am Ende des Ganges. "Zac?" Er klopfte gegen die Tür und wartete einen Moment.
Keine Reaktion.
Er seufzte und trat genervt mit dem Fuß gegen die Tür, während er ein zweites mal klopfte. "Bist du wach?"
Als wieder keine Reaktion zu kommen schien, drückte Kane die Klinke herunter und betrat das leere Zimmer. Der schwarzhaarige Assassine runzelte die Stirn und schloss als erstes das noch offenstehende Fenster und rieb sich die Handflächen aneinander, da es ziemlich kalt in Zacs Zimmer geworden war.
Langsam vertieften sich Kanes Sorgenfalten und er räusperte sich unwohl. "Zac?" Fragte er in Richtung der Badezimmertür, doch erhielt keine Antwort.

Schnell drehte er sich nun um und kehrte in Rias Zimmer zurück.
Sie hatte sich in dem Haufen aus Decken eingewickelt und war eingeschlafen. Kane ging zu ihr rüber und strich ihr sanft über die Schulter. "Ria, ich bin noch kurz weg." Murmelte er und sie nickte nur, bevor sie sich umdrehte.
Kane musterte die Assassinin einen Augenblick lang, dann zog er sich an und eilte die Treppe hinunter.

Zunächst wusste Kane nicht, wo er anfangen sollte nach Zac zu suchen, doch machte sich dann auf den Weg nach Amerun zu einer Vertrauensperson der Assassinen: Mikalo, dem Schmied im Armenviertel.

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"Und du suchst ihn, weil?" Mikalo stützte sich am Tisch ab und sah Kane fragend an.
"Er schon längst wieder da sein sollte!" Erklärte der Assassine eilig und blickte den Schmied eindringlich an. "Hast du nun was von ihm gehört? War er im Viertel zum feiern?"
Der ältere Mann seufzte und ließ Kane für ihn eine Kiste voll unverarbeiteten Kupfer ins anliegende Zimmer tragen. "Da musst du die kleine Lia fragen."
Kane sah darüber hinweg, Mikalo darauf aufmerksam zu machen, dass die kleine Lia bereits 23 Jahre alt war.
"Jalia arbeitet."
"Der alte Mikalo war also nur deine zweite Wahl, was Junge?"
Kane hob protestierend die Hände. "Niemals. Aber ich hatte eben angenommen, dass Zac sich irgendwie vergnügen würde."
Mikalo lächelte. "Er ist der Anständige von euch beiden." Der Schmied räusperte sich. "Darum kann ich deine Sorge nachvollziehen." Er schaute Kane verständnisvoll an, worauf dieser rasch den Blick abwandte. "Zac war also zuletzt hier, um sich Ausrüstung für einen Auftrag zu holen?"
"Richtig."
Kane seufzte und sah sich ratlos um. "Wie finde ich heraus, ob er im Schloß ist, ohne dort einzusteigen, Mikalo?"
Der alte Schmied setzte sich auf einen Schemel. "Tut mir leid, mein Junge, da kann ich dir nicht helfen."
"Nicht schlimm." Der Assassine lächelte kurz und klopfte Mikalo auf die Schulter, bevor er zur Tür ging.
"Warte, Kane." Er hielt inne und drehte sich um. "Du wolltest doch, dass ich dir dieses Gerät mache?"
Der Schwarzhaarige erstarrte und schluckte. "Ja?" Fragte er vorsichtig nach.
"Ich weiß nicht, ob ich es fertigstellen kann. Ich brauche einen Medicus dafür." Erklärte er ruhig und sah den jungen Mann vor sich mit wachsamen, freundlichen braunen Augen an.
"Bis wann brauchst du es?"
Kane fuhr sich durchs Haar. "Oh. Es ist nicht für einen Auftrag. Es ... ist für mich."
"Oh." Mikalo runzelte die Stirn. "Ist alles in Ordnung?"
Der Assassine nickte. "Ich komme nochmal, wegen des Gerätes. Aber erstmal suche ich nach Zac."
"Natürlich. Mach's gut."
"Bis dann, Mikalo." Kane winkte und verließ die Werkstatt.

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Kane betrat den oberen Marktplatz von Amerun wenige Augenblicke später.
Er war auf der Suche nach Quellen.

Etwas, was er bereits früh gelernt hatte, war es, sich andere zu Nutze zu machen. Es gab eine Hirachie in der Unterwelt der Stadt und Assassinen standen an der obersten Nahrungskette.

Ein etwas weiter unten stehendes Element davon fand Kane in der berüchtigten Opiumhöhle der Hauptstadt: Adenike.
Ob es weise war, die Götter durch diesen Dreckfleck zu ehren, sei dahingestellt.

Als Kane die dunklen Stufen herabstieg und den roten Samdvorhang beiseite schlug, verzog er augenblicklich das Gesicht.
Vor dem Geruch und der Gestalt, die plötzlich auf sprang und mit einem entzückten Aufschrei auf ihn zurannte. "Kane!"
"Safuan."
Safuan riss die mit Kohlstift umrundeten Augen auf, dann schlang er die Arme um den Assassinen und seufzte. "Ist das schön, dass du mal vorbeischaust." Er küsste ihn auf beide Wangen und lächelte.
"Du bist nicht nüchtern." Stellte er schlicht fest und musterte den Dieb vor sich argwöhnisch.

Safuan war natürlich mehr als nur ein Dieb. Er war noch dazu ein Lauscher. Er bekam jedes Gerücht als erster mit und war tatsächlich ein begabter Spion, falls er nüchtern war.
Der junge Mann mit nach hinten geflochtenen Zöpfen, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und zupfte an den Fransen seines Rocks.
Denn dies war es, was er trug: Ein Rock. Und darüber einen bodenlangen Mantel, sonst nichts. Kane räusperte sich und brachte Distanz zwischen sich und den halbnackten Dieb.

"Safuan, ich bin hier um dich um etwas zu bitten." 
"Witzig! Ich auch. Ich wollte dich bitten deinen hübschen Hintern auf der Couch nieder zulassen," er gluckste, "und mit mir zu rauchen."
Kane atmetete tief durch.
"Safuan." zischte er ernst und der Dieb blinzelte.
"Ich suche Zac. Ich muss wissen wo er ist."
Er legte den Kopf schief. "Und du hast eine Vermutung?"
"Eine Befürchtung." Korrigierte Kane. "Das Schloss. Ich muss wissen, ob er geschnappt wurde."
Safuan verzog die Mundwinkel. "Autsch."
Kane starrte ihn abwartend an, also seufzte der junge Dieb und nickte. "Ich schlafe hin und wieder mit einem der Wachen. Ich schau was sich machen lässt."
Kane lächelte erleichtert. "Danke."
Safuan machte eine wegwerfende Handbewegung. "Natürlich. Ich will ja nicht von dir gefressen werden." Ein aufreizendes Grinsen. "Obwohl ...-"
"Safuan. Mach deine Arbeit."
"Klar! Klar ... setz dich als." Er schmunzelte und warf dem Assassinen einem Kuss zu, bevor er in einer Hintertür verschwand.

Kane blickte ihm nach, dann nahm er Platz.
Jetzt hieß es abwarten.
























MURATIS |1| AssassinenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt