|6| Kapitel

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Der Griff der Waffe fühlte sich in Zacs Hand genau richtig an und die leichte, nach innen gebogene Klinge war so scharf, dass sie auch Panzer durchschneiden konnte.

Die beiden Chepesch waren eigentlich viel zu schade für einen Übungskampf, doch Kane wollte die Qualität seiner neuen Armschienen testen.
Sie bestanden aus tiresischen Stahl und sollten eben genau solche Hiebe, wie durch das Chepesch mühelos abblocken können.

"Ha, du schwitzst ja schon." Höhnte Kane und grinste Zac an, auf dessen freien Oberkörper sich bereits Schweißperlen gebildet hatten, als er erneut mit den Kurzschwertern einen Angriff startete, den Kane dank seiner neuen Abwehr Methoden blocken konnte.
"Von wegen. Das liegt lediglich am Wetter." Widersprach der junge Assassine und grinste seinem Freund zu.
"Wer's glaubt." Spottete der Schwarzhaarige erneut und Zac kniff die Augen zusammen.
"Langsam würde ich aufpassen, was du sagst, VanCanto."
Kanes Grinsen wurde breiter. "Sollte ich das, Ashford?"

Einen Moment fiel Zac aus der Rolle, als er Kane seinen Nachnamen sagen hörte.
Es machte ihm nichts aus, schließlich war er sein bester Freund, doch der Klang dieses Namens ... es fühlte sich seltsam an.
Trotzdem, ließ sich Zac nichts anmerken.

Stattdessen ließ er die Chepesch in den Händen kreisen und stürzte sich voller neuer Kraft auf Kane, bis dieser es doch tatsächlich schaffte ihm in einem hinterhältigen Manöver ein Bein zu stellen, sodass der Assassine auf den harten Boden des Hinterhofs der Residenz knallte.

Das Klappern, als seine Waffen auf die Pflastersteine fielen, hallte an den alten Mauern zurück und Zac verzog das Gesicht.

"Tolles neues Spielzeug, Kane. Wirklich." Grummelte er, während er sich von ihm hochhelfen ließ.
Kane lächelte zufrieden. "Sie haben mich schließlich auch ein Vermögen verkostet."
"Apropos Vermögen ..." Zacs Blick glitt zu der Sonnenuhr an der freien Wand. "... ich muss jetzt zum Marktplatz, die Prinzessin abfangen."
Kane zog die Augenbrauen hoch. "Warum?"
"Ich hab sie beobachtet. Sie geht meistens am frühen Nachmittag mit diesen zwei Pfeiffen von Leibgardisten auf den oberen Marktplatz. Ich werde sie am Stand für getrocknete Früchte treffen." Erklärte er.
Sein Freund rümpfte die Nase. "Ich bin mir sicher, manche würden das für aufmerksam und romantisch deinerseits halten, aber sie wahrscheinlich nicht mehr, wenn du ihren Bruder den Kronprinzen getötet hast. Das hast du nicht vergessen, oder?"
Zac warf ihm einen düsteren Blick zu. "Ich weiß."
"Vielleicht solltest du lieber ihn observieren, als seine Schwester."
"Kane, ich weiß, was ich tue. Über sie, komme ich in den Palast."
Sein Freund zuckte mit den Schultern. "Was auch immer."

Schritte waren aus den Hauptgebäude zu hören und die beiden Assassinen drehten sich um, als eine zierliche Gestalt auf sie zu kam.

Ihr kurzes, braunes Haar war feucht vom Waschen und sie trug eine lockerhängende, dunkelgrüne Tunika.
Ria Azmar.

Zacs Blick huschte zu Kane, der sich sofort aufrechter hinstellte, worauf er amüsiert lächelte.

"Jungs." Begrüßte Ria die beiden und verschränkte ihre Hände hinter den Rücken.

Ihre gerade Haltung und der entschlossene Blick zeigten ihre enorme Disziplin.
Diese war es auch, die Ria in Zacs Augen einfach nur unsympathisch machte und ihn dazubrachte, sie trotz ihres hübschen Gesichts einfach nicht anziehend zu finden.

Das, und ihr Vater. Und jetzt auch Kane.
Es gab eigentlich genug Gründe ...
Ria war einfach nichts für ihn.
Aber das galt nicht für Kane.

Zac sah kurz zu seinem Freund. "Ich packs dann mal." Er klopfte ihm auf die Schulter und nickte der jungen Frau im Vorbeigehen zu. "Ria." Dann durchquerte er die Residenz der Assassinen, ging in den Stall und ritt zügigst in die Stadt.

◀⚫▶

Zac erreichte Amerun wie geplant am frühen Nachmittag und schlenderte durch die Gassen zum oberen Marktplatz.

Während er sich von Schattenplatz zu Schattenplatz schlich, um sich vor der brennen Sonne zu schützten, dachte er über Kanes Worte nach.

Er wusste was er tat.

Auch wenn es ihn durchaus amüsierte, Zeit mit der Prinzessin zu verbringen, so war es eine noch größere Freude, den Betrag an Geld zu bekommen, nachdem Nathaniel Kathrator tot war.

Denn dieser Betrag reichte aus, um seine Schulden bei Tairen zu bezahlen. Als freier Assassine konnte er Aufträge nach Belieben annehmen oder ablehnen, oder wenn es ihm reichte, konnte er ganz einfach verschwinden und die Residenz hinter sich lassen.

"Zac?"

Er fuhr herum, etwas zu schnell, stellte er fest und trat einen Schritt zurück.

Helena Kathrator hatte sich ihr blondes Haar zu einem langen Zopf geflochten und sie trug ein schönes orangenes Kleid.
Ihre Augen strahlten ebenso erfreut, wie überrascht, bei seinem Anblick und Zac versuchte diesen Ausdruck zu kopieren.

"Helena. Wie schön Euch zu sehen." Flossen die Worte von seinen Lippen und er lächelte.
Die Prinzessin tat es ihm gleich. "Ebenfalls. Was tut Ihr hier?"
Zac deutete auf den Stand mit getrockneten Früchten. "Mangostreifen. Ich fürchte Ihr habt damit eine neue Leidenschaft in mir geweckt." Er sah zu ihr und sie erwiderte den Blick.

Er bemerkte, wie sie Luft holte, als wäre sie entschlossen etwas wichtiges zu fragen. Nach ihm zu fragen.

Um dies zu umgehen, erhob er zuerst das Wort. "Gehen wir ein Stück, Helena?"
Sie nickte und die beiden liefen nebeneinander in Richtung Hafen.

Als sie über die breite Treppe zur Promenade gingen, lächelte Helena leicht und Zac sah aus dem Augenwinkel zu ihr.

"Wisst Ihr, ich wollte Euch wiedersehen, Zac." Sagte sie ruhig und er blieb am Fuß der Treppe stehen.
"Mir geht es genau so." Er sah zu ihr und Helena schien auf einmal über glücklich.

Moment mal ... war sie ernsthaft ...? Oh, komm schon. Das eröffnete ja eine komplett neue Weite von Naivität ihrerseits.
Aber auch irgendwie süß.
Auf eine sehr verdrehte weise.

Doch für Zac machte das eigentlich keinen Unterschied.
Er hatte Kane ja bereits davon erzählt, dass in seiner Ansicht, Assassinen und Huren nicht viel unterscheidete.
Also konnte er das hier auch machen.

Zumindest war es das, was er sich selbst sagte.
Denn ein Teil von ihm, wollte es auch aus freien Stücken.

Zac sah zu Helena, die ihn immer noch fasziniert anblickte.

Er überlegte einen Moment, dann ergriff er ihre Hand, gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange, nahe ihrem Mund, und zog sie die letzten Stufe der Treppe hinunter.

"Komm mit, ich will dir was zeigen."







MURATIS |1| AssassinenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt