Kapitel 20: Der schönste Ort von Florenz

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Ich fuhr mit dem goldenen Aufzug, an den ich mich immer noch nicht gewöhnt hatte, nach unten und stand dann etwas ratlos in der Eingangshalle. Alessandro war noch nicht da und ich war alleine mit den Porträts. Ich konnte italienisches Gerede und lautes Gelächter aus dem Essbereich hören. Irgendwie bedauerte ich es, dass ich es nicht verstand. Wenn es diesen Mafiakrieg nicht gegeben hätte, dann wäre Italienisch meine Muttersprache geworden. Eine seltsame Vorstellung.  Ich betrachtete die Porträts und verglich sie mit denen aus der Casa della Mea, mit meiner Familie. Ich stellte fest, dass man hier etwas stärker die Familienähnlichkeiten feststellen konnte,  die di Lauros hatten fast alle einen schönen Gesichtsschnitt, schwarze Haare und dunkelbraune Haare. Ich fand allerdings auch eine Frau, die blass war, hellblondes Haar hatte und dazu blaue Augen. Sie schien nicht ganz ins Bild zu passen, aber ich erkannte ihre Augen sofort, Alessandros Augen. "Das ist meine Großmutter", hörte ich Alessandro beiläufig sagen und ich drehte mich erschrocken um. Meine rechte Hand schnellte automatisch zu meiner rechten Seite, wo ich normalerweise immer meine Pistole hatte. "Ach du bist das!", keuchte ich dann und lächelte. Meine Reaktionen waren immer noch die einer Killerin, aber cih war nicht alleine. An der Art, wie Alessandro sich alle paar Minuten aufmerksam umsah, oder Daniel immer leicht angespannt dasaß, oder die Weise, auf die Riccardo Messer im allgemeinen hielt, bemerkte man, dass auch sich verteidigen konnten, wenn es nötig war. Die einzige, die vom kämpfen keinen blassen Schimmer zu haben schien, war Giulia. "Tschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken", grinste Alessandro. Ich nickte. "Das ist also deine Großmutter", meinte ich dann. Mir war meine etwas angespannte Reaktion unangenehm. "Ja, ich habe ihre Augen geerbt. Und sie war Linkshänderin, das habe ich auch von ihr, aber sie musste in der Schule auf rechts umlernen. Egal, gehen wir, die Porträts hängen hier noch lange, und ich kann mir gut vorstellen, dass du für eine Weile genug von Porträts hast." Ich zuckte die Achseln, ich hatte nichts gegen Porträts. Und ich hatte zu meiner eigenen Überraschung festgestellt, dass ich okay war. Es hatte sich zwar alles sehr überraschend geändert, aber es ging mir gut. Ich war nur erleichtert, dass ich aus der New Yorker Kriminellenszene losgekommen war. Das Leben, dass ch vor kurzer Zeit noch geführt hatte war es fast nicht wert "Leben" genannt zu werden, es hatte mich von innen ausgehöhlt, bis nur noch eine schlaffe, leere Hülle von mir übrig war. Alessandro nickte den Porträts noch einmal kurz zu und verließ dann die Eingangshalle nach draußen. Ich folgte ihm. Mir fiel auf, wie anders es sich fühlte, jetzt dieses Haus zu verlassen. Ich fühlte mich besser, ich wusste, wer ich war, und ich wusste, dass ich hierher gehörte. In dieses Land, in die Mafia, und zu diesen Menschen. Ich atmete tief ein und genoss, wie anders die Luft hier war als in New York, wärmer, weicher und sie duftete nach Salz, Pfirsichen, Kräutern und Heimat. "Warum lächelst du so?", fragte mich Alessandro und hielt mir die Tür zu einem schwarzen Porsche auf. "Weil wir ein Date haben, du Romantiker", antwortete ich und stellte fest, dass ich wirklich die ganze Zeit über gelächelt hatte. Es fühlte sich überhaupt nicht mehr fremd in meinen Mundwinkeln an. "Es ist erstaunlich, wie schnell man lächeln wieder lernen kann", murmelte ich. "Freut mich. Ich bin kein Spezialist auf diesem Gebiet, aber es freut mich wirklich, wenn du das findest" Alessandro drehte den Zündschlüssel und fuhr los. "Oh, ich hab eigentlich nur wieder laut gedacht. Warum fährt eigentlich die ganze Mafia immer mit diesen Dingern? Weil sie so unauffällig sind?" Er schüttelte den Kopf. "Weil das fahren damit am meisten Spaß macht." "Wie kann fahren denn Spaß machen? Man tritt doch nur aufs Gaspedal und dreht am Lenker" Er hob eine Augenbraue. "Bist du denn schon einmal gefahren?" Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich hatte irgendwie eher wenig Zeit dafür, weißt du?" "Du hast mein vollkommenes Verständnis. Ich kanns die mal zeigen, wenn du willst!" Ich warf ihm einen eher skeptischen Blick zu. "Weißt du, solange deine Schwester nicht fährt finde ich es hier auf dem Beifahrersitz ganz bequem. Wohin fahren wir eigentlich?" Alessandro fuhr sich durch die Haare, er machte das öfters, immer mit der linken Hand. "Ich habe leider keine Ahnung. Ich hatte eigentlich bis vor ein paar Sekunden vor, in ein Restaurant zu fahren, aber ich habe gerade festgestellt, das ich irgendwie keine Lust auf Menschen außer dir habe. Ist das in Ordnung für dich?" Ich nickte erleichtert, ich hatte auch kein großes Bedürfnis nach gestelzten Kellnern und mürrischen anderen Gästen. Ich spürte Alessandros Blicke und drehte mich zu ihm. Er betrachtete mich interessiert, als wolle er sich jedes winzige Detail meines Gesichts einprägen. Ich lächelte, biss mir dann aber auf die Zunge. Ich lächelte viel zu oft, wenn er dabei war. "Wohin möchtest du fahren?", fragte er dann. Er fragte es auf eine eigenartige Weise, so als würde er versuchen, die Antwort aus meinem Gesicht zu lesen. Es war seltsam, aber es war schön. Ich spürte, wie sehr er versuchte, meine Persönlichkeit zu ergründen. Ich war kein Mensch, der viel von sich freigab, beziehungsweise hatte das Leben mich dazu gemacht. Aber er schien trotzdem meinen Panzer geknackt zu haben, er hatte schon bei unserer ersten Begegnung Risse hineingebrochen. Vielleicht würde ich den Panzer bald vollkommen ablegen. "Hmm", antwortete ich. Ich habe ja schon deinen Lieblingsort auf eurem Grundstück entdeckt, jetzt will ich den deiner Ansicht nach schönsten Ort der Stadt sehen." Er grinste. "Das war gerade die beste Antwort, die ich mir hätte vorstellen können. Ich hol uns aber vorher noch etwas zu essen, ich habe langsam echt Hunger und dir geht es vermutlich ähnlich." "Ich habe in den letzten Stunden nicht gerade an essen gedacht, Mr. di Lauro. Es hat sich nämlich ganz leicht mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Aber das ist schon ok, ich mag es so." "Du magst das? Das überrascht mich jetzt. Wer mag es herauszufinden, dass die eigene Familie in die größte Verbrecherorganisation der Welt verstrickt ist?" "Eine Verbrecherin" "Ich finde immer noch nicht, dass du eine Verbrecherin bist." Ich drehte mich zu ihm. "Töten ist illegal, Alessandro. Ich war eine Killerin, vergiss das nicht!" "Ich finde trotzdem, du bist eine von den Guten. Was hälst du von Pizza?" "Was?" Er grinste."Guck nicht so verwirrt, zum essen. Ich dachte, wenn du neu hir in Italien bist, könnten wir etwas richtig klischeehaftes essen." Ich grinste jetzt auch, ich wusste nicht, wie lange es her war, dass ich das letzte Mal Pizza gegessen hatte. Alessando fuhr in den weniger luxuriösen Teil der Stadt und kaufte Essen in einem kleinen Takeaway. Der Laden sah ziemlich heruntergekommen aus, aber Alessandro meinte, dass es dort die beste Pizza in ganz Florenz gab und ich hatte lange genug in einem unprivilegierten Viertel von New York gelebt um zu wissen, dass es in heruntergekommenen Läden nicht zwangsläufig schlechtes Essen gab. Nachdem er mit einer Plastiktüte in der Hand den Takeaway wieder verlassen hatte, fuhren wir noch ein Stück weiter an den Rand, bis wir in eine Art Altstadt kamen. Dort hielt er am Straßenrand und führte mich zu einer alt aussehenden Kirche. Zu meiner großen Verwirrung gingen wir hinein. Wir konnten doch nicht mitten in einer alten Kirche essen? Aber Alessndro ging in eine Hinterkammer, wo er einige Worte auf Italienisch mit einem alten Mann wechselte und dann mit einem Schlüssel in der Hand zu mir zurück kam. Er schloss mit dem Schlüssel eine Tür auf, hinter der sich eine steile Wendeltreppe befand. Wir stiegen die Treppe, die ziemlich weit reichte, hoch und ich begriff, wohin wir gingen. "Gehen wir in den Kirchturm?", fragte ich neugierig, aber Alessandro lächelte nur geheimnisvoll. Gerade als meine Beine anfingen zu ermüden, hörten die Stufen auf, wir hatten den Fuß der Treppe erreicht. Vor uns war wieder eine Tür, ich wollte sie öffnen und weitergehen, aber Alessandro hielt mich zurück. "Warte", meinte er und ich blieb stehen. Er legte seine Hände über meine Augen. "Dann ist es eine Überraschung", flüsterte er mir ins Ohr und küsste mich kurz. Ich spürte, wie er mich vorsichtig durch die Tür und dann noch ein kleines Stück weiter schob. Ich hörte ein Knarzen. Wieder eine Tür? Ich hatte keine Ahnung, wohin wir jetzt gingen."Jetzt", flüsterte er mir dann ins Ohr und strich mir einige Haarsträhnen, die mir in die Stirn gefallen waren aus dem Gesicht. "Jetzt bist du am schönsten Ort von Florenz." Er nahm seine Hände von meinen Augen und ich erschrak zuerst ein bisschen. Wir standen außen am Turm am einer Art Balkon, nur eine dünne Ballustrade, der ich nicht ganz vertraute, war an der Kante des Balkons angebracht. Aber durch die Höhe hatte man einen Ausblick über die ganze Stadt, Häuser, Gärten, Kirchen und Parkplätze verschmolzen zu einem rot-schwarz-grünem Flickenteppich und der Wind blies mir ganz sanft, kaum merklich durch die Haare. "Und...gefällt es dir?", fragte Alessandro gespannt. Ich antwortete nicht, sondern küsste ihn stattdessen, aber das war sowieso eine bessere Antwort als Worte.

Hey ihr Lieben, ich weiß, das war nicht gerade lang und spannend, aber ich wollte Alessandro und Avery einfach mal Zeit alleine zu zweit verbringen lassen. Das Kapitel ist nicht so lang, aber ich wollte es trotzdem hochladen, weil ich morgen in den Urlaub fahre und keine Ahnung habe, ob ich da Internet habe, und ich dachte lieber das Kapitel so reinstellen, als euch noch eine Woche warten zu lassen. Ansonsten, Danke fürs lesen, voten, kommenieren und adden, das bedeutet mir echt wahnsinnig viel!!!

Alles Liebe und Genießt den Sommer,

eure Liz<3

Don't Mess With The MafiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt