Kapitel 25: Poker

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"Eher realistisch oder idealistisch?", fragte Giulia und nahm einen Schluck Wein. Ich sah sie verwirrt an. Ich hatte gerade erzählt, dass ich ein Porträt von Amy in Auftrag geben wollte, auf diese Frage war ich allerdings nicht vorbereitet gewesen. Giulia seufzte. "Du bist wahnsinnig ungebildet. Ich erklärs dir, keine Sorge." "Ich glaube nicht, dass sie sich Sorgen gemacht hat", spottete Riccardo, aber seine Schwester beachtete ihn nicht. "Wein?", fragte Giulia und hielt mir die Flasche hin. Ich schüttelte den Kopf. "Also. Realistisch wäre ein Bild, dass deine Schwester genau so abbildet, wie sie auch ausgesehen hat. Mit allen Augenringen, schiefen Zähnen oder Narben oder was für Makel sie auch immer hatte. Idealistisch wäre, wenn der Künstler sie aufhübscht, längere Wimpern und größere Augen und so." "Das will ich nicht, glaube ich. Sie soll so aussehen,weie sie eben aussah." "Mhm. Hast du überhaupt eine Fotovorlage von ihr? Ich dachte, du hättest nichts mehr aus deinem früheren Leben?", fragte Riccardo, der offenbar keine Lust aus eine Diskussion über Kunststile hatte. "Annabella meinte, sie würde mir eines aus dem Server von Amys alter Schule besorgen. Hackt ihr euch auch einfach mal irgendwo ein?" "Wir können, bei den meisten Servern zumindest. Aber bei New Yorker High Schools hacken wir und für Gewöhnlich nicht ein. Da gibt es normalerweise keine Infos, die wir brauchen." Benedetta kam in den Raum und sah auf ihre Armbanduhr. "Weiß irgendwer vielleicht, wann Alessandro kommt?", fragte sie. Giulia zuckte die Schultern. "Er trifft sich heute mit diesem einen, der immer nicht aufhören kann zu reden, wie heißt der noch?" "Massimo", meinte Riccardo in seinem typischen gelangweilten Tonfall. "Das dauert immer, und außerdem wollte er noch ein bisschen Orgnisatorisches erledigen", fuhr Giulia fort. Benedetta seufzte. "Wie Emilio damals, er wird schon wie Emilio. Immer die Arbeit, der Clan, die Gefahr. Und die Falcones machen das Ganze nicht gerade einfacher!" "Irgendeiner muss es ja machen", sagte Giulia trocken. "Und er kann es sicher besser als ich." "Aber warum muss es denn ausgerechnet ein Neunzehnjähriger machen? Er ist doch nur ein Junge!" Sie sah nicht verzweifelt aus, aber müde. Es muss hart sein, wenn der eigene Sohn das Geschäft weiter führt, dass den Ehemann schon getötet hat.

"Alessandro kriegt das schon hin! Ich vertraue ihm!", meinte Roccardo plötzlich zur Allgemeinen Überraschung. Alle sahen ihn an, Riccardo, der doch normalerweise jeden Entschluss eines Bruders sofort anzweifelte. Er wandte den Blick ab und meinte dann. "Er weiß, was er tut. Das kann man von vielen anderen nicht behaupten. Und außerdem ist im Clan doch vieles besser geworden, seitdem er Anführer ist!" Benedetta lächelte ein bisschen, aber Giulias bekam einen bitteren Zug um den Mund. "Besser, besser lässt sich in viele Richtungen biegen. Klar, es ist gut, dass er die Projekte, die sagen wir mal etwas weniger menschenfreundlich waren, eingestellt hat. Aber jetzt halten ihn die anderen für schwach. Sie nennen ihn nur "den Jungen", wenn sie von ihm reden. Wir haben Anhänger verloren. Ich weiß nicht, ob ich will, dass die Falcones denken, sie hätten jetzt ihre große Chance." Riccardo schnaubte. "Seit wann kennst du dich denn mit irgendetwas außer Schuhen aus?" Giulia machte ein Geräusch wie eine Katze und sprang auf. Die beiden fingen an zu streiten, aber ich verstand nur Bruchstücke, weil sie sehr schnell ins Italienische verfielen. Auf einmal griff Benedetta nach meinem Handgelenk und zog mich in den Flur. Ich sah sie verwundert an. Sie strich sich sorgfältig eine Haarsträhne hinter die Ohren und sah mich dann eindringlich an. Sie war über einen Kopf leiner als ich, aber in diesem Moment wirkte sie mächtig und etwas bedrohlich. Zum ersten mal war deutlich sichtbar, dass diese Frau eine Mafiosa war.
"Avery." Ihre Stimme zitterte ein bisschen. "Bist du stark?" Das überraschte mich. Warum fragte sie mich das? Sie starrte mich nur weiter an, mir war klar, dass sie eine Antwort erwartete.
"Ich...Ich weiß es nicht?" Sie griff nach meinem Handgelenk.
"Avery, du musst! Du hast keine andere Wahl!" Ich bekam Angst. Wieso musste ich? Und was war los?
"Versprich es mir! Du musst ihm helfen! Er schafft das nicht alleine, niemand schafft das alleine. Mach nicht den selben Fehler wie ich!" Sie zitterte jetzt heftig und ihr standen Tränen in den Augen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. "Beruhigen sie sich. Es ist alles in Ordnung." "Nein! Du musst es verstehen!" "Dann erklären sie es mir", meinte ich mit möglichst sanfter Stimme. Sie nickte und ihre Züge wurden ruhiger. Die Eindringlichkeit und Verzweiflung verschwanden, bis nur noch eine Müdigkeit bleib. Ich kannte diese Müdigkeit zu gut, sie hatte nichts mit Schlafmangel zu tun.
Benedetta ging zur Treppe, die in den oberen Bereich des Hauses führte, setzte sich auf die Stfen und bedeutete mir, es ihr nachzutun. Sie holte Luft. "Es ist wegen Alessandro. Du bist stärker als ich, Avery, das hat mit deiner Vergangenheit zu tun." Ich hielt die Luft an, was wusste sie über meine Vergangenheit? "Ich weiß nicht, was für ein Leben du geführt hast, ich muss es auch gar nicht wissen, aber es hat dich stark gemacht. Du bist nicht wie ich damals war. Ich war aus Mafiakreisen, reich, jung und hübsch, aber ich ahbe nie gelernt, zu kämpfen oder anzuführen. Es war mir immer klar, dass ich mal einen reichen Mafioso heiraten würde, ich hatte Leibwächter, ich musste mich nicht selbst verteidigen. Aber trotzdem habe ich mich bis ich Emilio kennen gelernt habe niemals hilflos gefühlt.  
Die ersten Monate nach unserer Hochzeit waren wie ein Traum. Wir waren jung, wir waren verliebt und so reich, dass uns ganz Italien offenstand, wenn nicht sogar die Welt. Aber dann fielen mir kleine Dinge auf. Zusammenzucken, Augenringe, Narben, die an die Gefahren erinnerten. Mir wurde klar, dass mein ganzes Glück, mein Haus, mein Geld meine Liebe alles nur eine Illusion der Sicherheit war, dass der Mann, den ich liebte jeden sterben könnte, und was bliebe mir dann?
Ich habe natürlich versucht mit ihm zu reden, aber er wollte mich nicht belasten, außerdem verstand ich alles leider auch nicht. Ich war so behütet aufgewachsen, dass ich keine Ahnung hatte von welchen Waffen, Kampfzügen oder Verbrechen sie redeten. Und ich wusste, wenn einer sich entschließen würde, auf ihn zu schießen, könnte ich ihn weder beschützen noch ihn rächen. Ich war machtlos." Ihre Erzählung hatte mir Gänsehaut auf die Arme getrieben. Mir wurde wieder einmal schmerzlich bewusst, dass Alessandro und ich niemals in Sicherheit miteinander leben könnten.
Benedetta legte mir ihre Hand auf den Arm. "Das ist alles lang, lang her. Und wir hatten auch so viel Glück miteinander, und ich wünsche Alessandro und dir dasselbe Glück. Aber du, Avery bist ganz anders als ich. Du kannst es nachvollziehen, was ihm passiert, du kannst mit ihm darüber reden, du kannst mit ihm kämpfen. Du wirst nie, nie so hilflos sein wie ich. Du kannst in seinem Team spielen." "Spielen?", fragte ich, und  war etwas erstaunt über diesen Wortwahl. "Oh ja. Ich habe früher immer gesagt, die Mafiosi spielen ein Pokerspiel mit dem Tod. Lass Alessandro nicht verlieren!" Wie ironisch, dass ich früher gerne mit Butch Poker gespielt hatte.
Ich schwieg kurz, dann sagte ich fest: "Das verspreche ich!" "Gut. Oh und hör mal!" Die Geräusche eines sich nähernden Autos wurden lauter. Ich sprang auf. "Endlich!" Das Auto wurde leise und man hörte, wie jemand die Autotüren öffnete. Riccardo und Giulia, die inzwischen aufgeört hatten sich zu streiten, kamen ebenfalls auf den Flur. Als ich die Tür öffnete hatte mich ein seltsames Gefühl beschlichen, aber als ich den Anblick vor der Tür sah, zuckte ich trotzdem erschrocken zusammen.

David stand da, mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck und stützte Alessandro, der völlig blutüberströmt war. Ich stand da wie eine Salzsäule und starrte ihn einfach nur an. Giulia war die erste, die reagierte. "David! Was ist passiert?" "Angriff auf halber Strecke, wir waren hoffnungslos unterlegen. Konnten sie nicht ganz erkennen, aber es waren zu viele. Antonio und Giorgio sind tot. Sie haben Alessandro in den Arm geschossen, ist aber glaube ich nur eine Fleischwunde" Alessandro stöhnte auf, was mich aus meiner Starre riss. Ich stürzte nach vorne und stützte seine andere Seite. Er lächelte schwach.
"Riccardo", meinte er dann mit einer entsetzlich schwachen Stimme. "Riccardo, Phase Sieben!" Dann sackte sein Kopf zur Seite und er bewegte sich nicht mehr.

Also, ihr lieben, das war wieder einmal ein Kapitel:) Danke fürs Lesen, Voten und Kommentieren<3<3<3 Diese Geschichte hat jetzt ja schon fünfundzwanzig Kapitel, wir sind also schon recht weit gekommen. Es werden sich noch mindestens fünf weitere kommen, aber ich habe trotzdem schon überlegt, in welche Richtung ich nach Don't Mess With The Mafia gehen soll. Ich schwanke da ein bisschen. Soll ich irgendwas dystopisches in Richtung von Panem, Cassia&Ky oder Divergent ausprobieren? Oder eine Geschichte die in der Vergangenheit spielt, sowas interessiert mich irgendwie auch total. Ich könnte auch ganz Realistisch werden, ich bin mir echt noch nicht sicher. Eure Meinung würde mich echt interessieren!
Ansonsten schöne (bald) Weihnachtszeit<3 Lasst es euch gut gehen,

Liz

Don't Mess With The MafiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt