FOOLISH

Kapitel 7

Das Jimin sich unwohl fühlte, war eine ungeheuerliche Untertreibung. Er hatte sich selten unwohler gefühlt und Yoongi's scharfe Blicke machten das alles nicht gerade einfacher. Überhaupt war der Alpha sowieso der Grund, weshalb er sich so schlecht fühlte.

Das Gebäude der Gerichtsmedizin war riesig und Jimin fühlte sich seltsam erdrückt, als er mit Yoongi die langen Gänge entlang ging. Der Ältere schien sich in diesem verwirrenden Labyrinth gut auszukennen, also folgte er ihm wie ein braver Hund, ohne einen Ton zu sagen.

Sie betraten schließlich einen Raum, der vollgepackt war mit metallenen Tischen und allen möglichen Utensilien, die aussahen, als wäre man in einem - zugegebenen sehr sauberen - Folterkeller.

Ein großer Mann stand an einem der Tische, gebeugt über einen offensichtlich toten, menschlichen Körper.

"Shin-ssi.", rief Yoongi und sofort drehte sich der Mann zu ihnen um. Er schien um die vierzig Jahre alt zu sein, trug einen Kittel und Handschuhe und als er Yoongi sah, lächelte er.

"Yoongi!", meinte er erfreut und zog sich schnell die Handschuhe aus, um seine Hand zu schütteln.

Jimin schien er gar nicht zu bemerken. Vielleicht war das auch besser so.

"Lass mich raten, natürlich hat Namjoon dich auf diesen Fall angesetzt, richtig?", fragte der Mann - Shin - und grinste.

"Du kennst ihn doch.", erwiderte Yoongi lächelnd und Jimin bekam fast einen Herzinfarkt. Es war das erste Mal, dass er ein richtiges Lächeln von ihm sah und es ließ sein Herz ein paar übermutige Sprünge machen.

"Und wer ist der junge Mann? Jimin, richtig? Namjoon sagte mir, du würdest auftauchen."

Jimin lächelte scheu und versuchte, seine Seitenblicke zu Yoongi zu vermeiden.

Shin lachte.

"Also, wir brauchen alles was du hast.", unterbrach Yoongi erneut ihre Begrüßung - genau wie bei Jackson - und verschränkte dann die Arme.

"Schon gut, nicht so schnell.", meinte Shin aber nur entspannt. "Lass mich die Leichen erstmal rausholen."

Er öffnete zwei der Lucken, die an der Wand angebracht waren und schob die Wagen heraus. Die Leichen waren in schwarze Säcke gelegt worden.

"Ich muss euch vorwarnen, dass sieht wirklich nicht appetitlich aus.", meinte Shin.

Jimin bereitete sich innerlich auf den Anblick vor. Obwohl das hier nicht sein erster Mordfall war, war das schlechte Gefühl in seinem Magen trotzdem da und verursachte eine leichte Übelkeit. Der Geruch im Raum machte das nicht besser.

Shin zog die zwei Reißverschlüsse der Säcke auf und offenbarte die Körper.

Jimin musste bei diesem Anblick ein Würgen krampfhaft vermeiden. Die Unterbäuche der zwei Menschen waren aufgeschlitzt und man hatte ihnen sämtliche Genitalien entfernt. Etwas derart abartiges hatte er noch nie gesehen. Yoongi, der neben ihm stand, schien auch nicht gerade angetan, er rümpfte die Nase und zog die Stirn angespannt in Falten.

"Das offensichtliche sieht man auf Anhieb, denke ich.", sagte Shin dann und hob die Schultern.

"Was habt ihr herausgefunden?", fragte Yoongi und sah nun Shin an.

"Nicht viel. Bis auf die offensichtlichen Wunden haben wir keine weiteren schwerwiegenden Verletzungen gefunden, lediglich Schürfwunden an Hand- und Fußgelenken, die lassen sich auf Fesseln zurückführen. Beide Körper sind etwas dehydriert, aber ansonsten war alles vollkommen in Ordnung."

Jimin war verwirrt. Das war kein normaler Mord gewesen, niemals. Dafür passte das alles viel zu wenig.

"Könnten das Ritualmorde gewesen sein?", fragte er also, mehr zu sich selbst.

Yoongi's Kopf schoss in seine Richtung.

"Was?", fragte er.

Jimin's Augen wurden groß. Er hatte das eigentlich nicht laut sagen wollen.

"Ich meinte...Ritualmorde?", wiederholte er kleinlaut.

Shin zog die Stirn in Falten und Yoongi tat es ihm gleich. Eine unangenehme Stille entstand und Jimin verfluchte sich dafür, es ausgesprochen zu haben.

"Was verleitet dich zu dieser Annahme?"

Yoongi erstach ihn förmlich mit seinem Blick.

"Das...ist doch eigentlich logisch. Ich meine, ihre Unterbäuche wurden aufgeschlitzt und Geschlechtsteile wurden entfernt. Sie sind Omegas. Männliche Omegas können schwanger werden. Es sieht fast so aus, als wäre das eine Art Warnung...", kurz verstummte er, legte sich die Worte zurecht. "Eine Warnung an Omegas, sich zu benehmen - was auch immer das heißen mag - ansonsten enden sie auch so. Ich denke den Mördern reichte es nicht nur, sie umzubringen, sie wollten bestimmt eine Art Zeichen setzen. Omegas tragen Kinder aus...es ist fast so, als wollten sie sie daran hindern, Kinder zu bekommen. Vielleicht...waren sie wegen irgend einer Sache wütend..."

Shin und Yoongi starrten ihn an und Jimin fühlte sich furchtbar unwohl.

"Du willst mir also sagen, dass wir hier  Serienmörder jagen? Die Omegas bestrafen wollen, indem sie ihnen die Fähigkeit Kinder zu bekommen nehmen und sie umbringen?", fragte Yoongi's  Stimme und Jimin bemerkte sofort, dass er von seiner Interpretation nichts hielt.

"Ja...?", antwortete er also unsicher.

Yoongi lachte höhnisch auf. "Guter Einfall, aber das klingt nach Bullshit."

Ein Stich durchfuhr Jimin's Herz, als er die herablassenden Worte vernahm. Er sah auf den Boden und biss sich auf die Lippe. Er bemerkte, das Shin ihn mitleidig ansah.

"Das hier sieht mehr nach einem Rachemord für mich aus.", meinte Yoongi, erklärte seine Theorie aber nicht und Jimin traute sich nicht, nachzufragen.

"Nun gut. Das Einzige, was ich euch noch sagen kann ist, dass ihre Identitäten feststehen. Das dürfte auch bereits in den Akten stehen.", sagte Shin dann, um die Situation aufzulockern.

"Gut. Wir besuchen die Familien der Opfer gleich heute noch. Wie lange brauchst du noch, bis die Leichen ins Krematorium gebracht werden?", fragte Yoongi.

"Einige kleine Tests stehen noch aus, aber ich denke nicht länger als drei oder vier Tage. Falls dabei noch irgendwas rauskommt vielleicht auch ein wenig länger.", antwortete Shin und zog die Reißverschlüsse wieder zu. "Ich melde mich sofort, wenn es etwas Neues gibt."

"Alles klar. Danke.", meinte Yoongi knapp angebunden und verschwand dann aus dem Raum. Jimin lächelte Shin noch einmal freundlich zu, ehe er ihm hinterhereilte.

Als sie wieder im Auto saßen, breitete sich erneut Stille aus und Jimin hoffte, dass es nicht für immer so bleiben würde. Vielleicht brauchte Yoongi noch etwas Zeit, um sich an ihn zu gewöhnen.

"Ich setze dich am Polizeiamt ab. Ich fahre allein zu den Familien für die Befragung. Erstatte du Namjoon Bericht und dann kannst du im Archiv nachschauen, ob ähnliche Fälle bekannt sind.", meinte Yoongi dann und sein Ton ließ keine Widerrede zu.

Jimin willigte ein.
Ihm blieb nichts anderes übrig.