Kapitel 15

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Jimin konnte seine Augen an diesem morgen kaum richtig öffnen. Er hatte mit Yoongi eine sehr anstrengende Woche hinter sich und seit sechs Tagen endlich mal wieder zwei Tage frei.

Er bemühte sich aufzustehen, wollte die Morgenstunden genießen können. In der Küche angekommen machte er sich erstmal einen Kaffee und schaufelte sich zum Frühstück schnell etwas Reis und Kimchi in den Mund, obwohl er eigentlich keinen wirklichen Hunger verspürte.

Im Badezimmer duschte er kurz, putzte sich die Zähne und schmiss seine dreckigen Klamotten in die Waschmaschine. Er betrachtete sich im Spiegel, zum ersten Mal seit langem zufrieden ohne Make up im Gesicht.

Ohne fiel Federlesen machte er sich auf seiner Couch im Wohnzimmer breit und ließ den Fernsehr im Hintergrund laufen, während er einfach nur auf seinem Handy durch seine Social-Media-Seiten scrollte.

Es blieb nicht lange ruhig. Und Jimin hätte es ahnen können, dass irgendetwas im Anmarsch war.

Zuerst klingelte sein Handy.

Das Bild von Yoongi, dass er heimlich gemacht hatte, zeigte sich, zusammen mit dem Anrufsymbol. Verwirrt nahm er ab.

"Yoongi-hyung?", fragte er, Stimme etwas heiser.

Er hörte ein Schnaufen am anderen Ende, dann hörte er Yoongi's Stimme.

"Jimin! Du musst sofort zu der Adresse kommen, die ich dir gleich sende, okay? Es gab einen neuen Mord!"

Das Jimin das Herz in die Hose rutschte, wäre eine bodenlose Untertreibung gewesen. Stattdessen fühlte es sich an, als würde es einfach gänzlich stehen bleiben.
Er hatte sich nur einen einzigen Tag Ruhe gewünscht, nur Einen. Und nun war er dahin und dazu kam das kalte Gefühl zurück, dass er während dieser ganzen Zeit der Morde so intensiv gespürt hatte.

"Ich...ich komme sofort!", sagte er und wollte Yoongi schon nach Einzelheiten fragen, aber dieser hatte bereits aufgelegt, sobald er Jimin's Antwort gehört hatte.

Perplex starrte Jimin sein Handy einige Sekunden an, bevor es einen Benachrichtigungston von sich gab und eine Sms von Yoongi anzeigte.
Jimin las sich die Adresse durch.

Sein Herz blieb ein weiteres Mal stehen.

Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern zog er sich schnell an, nahm seine Schlüssel und rannte zur Bushaltestelle. Er schaffte es gerade noch, einen Bus zu besteigen, bevor dieser Richtung Innenstadt losfuhr.

Er fing an zu zittern, es wurde schlimmer, je näher er seinem Ziel kam und jede rote Ampel ließ ihn fast verzweifeln. Als er endlich die Haltestelle in der Nähe erreichte, stolperte er fast, so schnell stieg er aus und rannte dann sofort über die Kreuzung.

Das Areal war bereits mit rotem Absperrband umzäunt. Er zeigte schnell einem der Beamten seine Dienstmarke bevor er hindurchgehen durfte.
Fast sofort erkannte er Yoongi, der vor dem Laden stand und gerade in ein Funkgerät sprach.

Er rannte auf ihn zu und als Yoongi ihn sah, ließ Dieser das Funkgerät sinken und machte ebenfalls ein paar Schritte auf ihn zu.

Jimin spürte die Tränen kaum, die seine Sicht mehr und mehr verblendeten, je näher er kam.

Die Glastür, die in den Blumenladen führte, war zerbrochen und überall lagen Scherben. Ein dicker Kloß bildete sich in seinem Hals.

"Wo ist Taehyung?", rief Jimin verzweifelt, bemerkte dabei gar nicht, dass er Yoongi fast anschrie. Er wurde hysterisch.

Yoongi fasste nach seinen Schultern und Jimin konnte seinen Duft riechen. Fast wie von selbst beruhigte es ihn etwas.

"Dem Jungen geht es gut, Jiminie, okay? Er wurde mit einem Schock ins Krankenhaus gebracht, aber ansonsten ist alles gut. Beruhige dich."

Yoongi Stimme war sanft aber nachdrücklich und Jimin schaffte es, auch mit der gewonnenen Information, seinen klaren Verstand zumindest zum Teil wiederzuerlangen.

"Was ist mit Hyunjae? Die alte Frau, der dieser Laden gehört? Taehyungs Halmoni?", fragte er dann, schaute Yoongi bittend an, hoffte auf die erleichternde Antwort.

"..."

Yoongi antwortete nicht, kaute auf seiner Lippe, wich für einen Moment Jimins Blick aus.

"Was...Yoongi...was ist? Wieso... antwortest du nicht?", fragte er verwirrt.

Der Alpha sah ihn nun wieder an und Jimin wurde mit jeder weiteren Sekunde unsicherer. Panik kroch in ihm hoch.

"Jimin...es tut mir Leid, aber...sie wurde..."

Yoongi brauchte nicht weiter zu sprechen. Jimin hatte es verstanden. Die Tränen flossen sturzbachartig seine Wangen hinunter, sobald er begriff, was passiert war.

Sie hatten Taehyungs Großmutter ermordet.

Die liebenswürdige, zuvorkommende Hyunjae, die für jeden ein offenes Ohr gehabt hatte und Jimin so oft heißen Kakao gemacht hatte, wenn es ihm schlecht ging.

Hyunjae, die ihm Mut gemacht hatte, als er kurz davor war, damals seinen geliebten Job aufzugeben.

Hyunjae, die ihn immer so lieb angelächelt hatte...die für ihn da war, als seine eigene Familie es nicht wollte...

Jimin bemerkte, wie sich Arme um ihn schlossen. Er atmete Yoongi's Geruch ein, der dafür sorgte, dass er wieder ein wenig zu sich fand. Die Schluchzer, die seine Kehle verließen waren laut und er klang furchtbar, aber gerade interessierte ihn das wenig.

Er hörte, wie Yoongi ihm Dinge zuflüsterte, beruhigende Worte und mehr Streicheleinheiten. Er fuhr durch Jimins Haare und kraulte seinen Nacken, während die andere Hand ihn an seinen unteren Rücken an sich presste und leicht darüber fuhr.
Jimin fühlte sich sicher in seinen Armen, aber das schreckliche Gefühl in seiner Brust blieb.

"Es tut mir so leid, Jimin, so leid...", meinte Yoongi leise und ließ Jimin auch weiterhin nicht los, verstärkte nur seine Bemühungen, ihm Komfort zu geben.

Jimin versteckte sein Gesicht in Yoongi's Halsbeuge. Ihm tat es Leid, dass er ihn so vollheulte und mit seinen Tränen seine Uniform nass machte, aber er konnte ihn nicht loslassen. Er wollte für immer dort bleiben, in seinen Armen und nicht mehr über sein Leben und das seiner Freunde und Familie nachdenken und sich sorgen müssen.

"Ich bin hier, Jiminie...", flüsterte Yoongi erneut und Jimin glaubte ihm ohne zu zögern. Dennoch krallte er sich stärker mit den Händen in die Kleidung des Alphas. Er wollte sich verstecken.

Wie, als hätte Yoongi es gespürt oder seine Gedanken gelesen, zog er Jimin hinter eine Ecke und hielt ihn dann weiterhin fest.

"Danke...", flüsterte Jimin und schluckte seine Schluchzer nun hinunter. Wut steigte in ihm auf und plötzlich wollte er nur noch diesen Mördern die Kehlen durchschneiden. Er wollte, dass sie litten, wie alle gelitten haben.

Er wollte sie tot sehen.

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