Kapitel 20

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Liams P.O.V.

Gabby…

„Kann ich… kann ich zu ihr?“, fragte ich unsicher, doch Niall nickte zu meinem Glück und ging vor.

Ich folgte ihm in den ebenfalls komplett weiß gestrichenen Raum und schloss die Türe leise hinter mir, bevor ich zu dem Bett lief, an dem Niall und irgendeine Frau stand, die etwa in Gabby’s Alter war. Das war dann wohl Chloe.

Als ich bei den beiden ankam, blickte ich auf die Person auf dem Krankenbett. Da lag sie, mit einem gebrochenen Arm, Schürfwunden im Gesicht und einem Verband um den Kopf. Auch Atemschläuche zierten ihr entstelltes und dennoch wunderschönes Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen und bis auf das Piepsen des Apparats, an dem sie angeschlossen war, war lediglich das Schluchzen ihrer besten Freunde zu hören.

Sie wirkte noch zerbrechlicher, als sie es sowieso schon tat. Die Tatsache, dass ich sie nun sah, wie sie mit körperlichen und seelischen Schmerzen vor mir lag und sich keinen Zentimeter regte, weckte Gefühle in mir, die ich noch niemals zuvor verspürt hatte.

Niall hatte sich zu Chloe gesellt und einen Arm um sie gelegt. Mein Blick verweilte für kurze Zeit bei den beiden, bevor ich wieder zu Gabby sah und den Kloß in meinem Hals herunterschluckte, um zu sprechen.

„W-Was ist eigentlich passiert?“, fragte ich nach einer kurzen Zeit, in der keiner von uns ein Wort gesagt hatte.

Mein Kopf begann zu schmerzen, als mich Gewissensbisse plagten und nicht mehr aufhören wollten. „Sie-Sie hat mir geschrieben d-dass sie zu mir kommen wollte“, begann Chloe. „Als sie allerdings nach zwei Stunden noch nicht da war und… und auch nicht an ihr Handy gegangen ist, wollte ich mich auf den Weg zu ihr machen“, fuhr sie fort, während ihr unaufhaltbar Tränen über die Wangen kullerten. „Und dann lag sie da… und… niemand hat etwas unternommen und…“ Weiter konnte sie nicht reden, da sie nun endgültig in Tränen ausbrach und ihr Gesicht in Niall’s Shirt vergrub, welcher seine Arme um sie legte und eindeutig gegen seine eigenen Tränen ankämpfte.

Langsam lief ich am Bett entlang und strich dabei mit meinen Fingerspitzen über den Stoff der Bettdecke, bevor meine Finger über ihre Hand streiften. Ein leichtes Kribbeln fuhr durch meinen Körper, während ich ihre Hand mit meiner umschloss und ihr Gesicht ansah.

Es war mehr als schrecklich, sie so zu sehen. Ich hoffte wirklich, dass sie schnell gesund werden würde. „Für was sind die ganzen Schläuche?“, fragte ich, um die wieder eingetretene Stille zu unterbrechen und blickte kurz zu Niall.

„Für die Beatmung.“ Ich war verwirrt und das zeigte ich auch mit meinem Blick. „Liam, sie liegt im Koma. Die Ärzte können nicht sagen, wann sie aufwachen wird geschweige denn, ob sie überhaupt wieder aufwachen wird“, erklärte mir der Blondschopf mit einer besorgten Miene, während er sich mit einer Hand die Tränen von den Wangen wischte.

Ich schluckte schwer, als seine Worte mir zeigten, wie ernst diese ganze Situation war. Und dazu kam die Einsicht, dass sie nur meinetwegen abgehauen war. Nur meinetwegen wurde sie verletzt, es war alles meine Schuld.

Ein stechender Schmerz breitete sich in meiner Brust aus, als ich wieder in ihr verletztes Gesicht sah und ihre Hand vorsichtig drückte.

Wie konnte ich nur so rücksichtslos sein? Schon immer war mir bewusst gewesen, was für ein schlechter Mensch ich war, doch nun hatte ich die Spitze des Eisbergs erreicht. Nun war ich so weit gekommen, dass ich mich vielleicht sogar für den Tod eines mir sehr wichtigen Menschen verantworten musste.

Nein, so darf ich nicht denken, dachte ich mir und schloss die Augen, während ich mich neben ihrem Bett auf die Knie sinken ließ. Sie wird nicht sterben, sie wird wieder aufwachen. Sie wird kämpfen, das weiß ich einfach, redete ich mir immer und immer wieder ein. Doch ich wusste nicht, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass meine Hoffnungen wahr werden würden.

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