DREIZEHN

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WARNUNG: In dem Kapitel wird häusliche Gewalt angesprochen.
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Minuten vergingen in den ich laut in Emilías Armen schluchzte. Ramíro stand wie eine Statue im Zimmer und ich spürte seinen unbeholfenen Blick auf mir. Emilía streichelte sanft über meinen Rücken. Sie stelle keine Fragen, gab keine dummen Sprüche von sich oder laberte mich mit irgendwelchen "aufmunternden" Worten voll, wofür ich ihr unendlich dankbar war. Ich wollte diesen Abend am liebsten einfach nur vergessen.
Das Kissen neben mir bewegte sich und kurz darauf spürte ich eine dritte, große und warme Hand auf meinem Schulterblatt.
"Ámbar", Ramíro sprach ganz ruhig mit sanfter Stimme. "Ich weiß wir waren nie die engsten Freunde, aber wenn du darüber sprechen möchtest-du kannst uns vertrauen."
Vertrauen. Da war wieder dieses Wort. Wem konnte ich schon vertrauen, wenn ich noch nicht einmal mir selbst vertrauen konnte? Und dennoch kam ich immer wieder an den gleichen Punkt und legte mein Vertrauen in andere Hände, nur um zuzusehen, wie es kurz später wieder zerquetscht wurde. Dann hob ich es auf, versuchte es zu glätten und gab es wieder weg, damit es genauso weiter gehen konnte. Es hieß, dass man aus seinen Fehlern lernte und dennoch schien es, dass ich es nie tat. Im Gegenteil. Ich machte es sogar noch schlimmer. Ich hätte mich davor schützen können, hätte mich vor Simón fern halten sollen, denn es hatte mir nichts Gutes gebracht. Ich hatte ihm vertraut und er hat dieses Vertrauen gebrochen.
Ich merkte wie über mein Kopf ein geräuschloses Gespräch zwischen Emilía und Ramíro stattfand. Daraufhin räusperte sich Ramíro und stand auf. „Ich denke, ich lass euch besser mal allein und schau mal nach Samuel oder so..."
Bis auf ein weiteren lauten Schluchzer, reagierte ich nicht. Erst als er den Raum vollständig verlassen hatte, murmelte ich leise „Ich hasse ihn."
„Wen? Ramíro? Also ich kann ihn auch nicht immer leiden, er ist schon ziemlich nervig, aber ihn zu hassen wäre jetzt übertrieben."
„Nicht Ramíro.",schniefte ich, „Simón." Ein lautes Schluchzen folgte und die Tränen strömten wieder aus mir heraus. Ich konnte nichts dagegen machen.
Schließlich nahm mich Emilía bei den Schultern und schob mich sanft von ihr weg. Ich schniefte und wischte mir die Tränen weg. Emilía sah mich besorgt an. „Was ist los, Ámbar?" Mein Blick traf auf ihren und für einen Bruchteil der Sekunde hatte ich den Drang ihr alles zu erzählen. Und damit meinte ich alles. Aber dann war wieder dieses Dunkle in mir, dass mir leise zuflüsterte, dass ich ihr nicht vertrauen durfte, dass ich sie nicht rein lassen durfte. Ich dürfte ihr nicht die Macht geben, zu wissen wer ich war, denn erst dann war man verletzlich. Ich wurde schon genügend in meinem Leben verletzt.
„Ámbar. Bitte.", flüsterte sie, ein besorgter Blick lag in ihren braunen Augen. „Ich weiß wie es ist, seine Gefühle in sich reinzustopfen, weil man niemanden hat dem man vertraut, weil man zu Stolz ist sie zu zeigen. Glaub mir, ich versteh das besser als kein anderer dieser Welt. Doch ich habe auch gelernt, dass es besser ist darüber zu reden. Es ist schwer. Es ist so unglaublich schwer und die härtestes Herausforderung, die du wohl jemals in deinem Leben gestellt bekommst. Aber es hilft. Vor allem wenn man mit jemanden darüber spricht, der einem kaum kennt, der noch kein geprägtes Bild von einem hat."
Aber danach hätte sie ein geprägtes Bild von mir. Danach würde sie nur noch die Versagerin sehen, die ihr Leben nicht auf die Reihe bekam, die schwanger von einem One Nightstand wurde. Danach wäre es anders. Emilía würde sehen wie zerbrechlich ich war und würde mich nur noch mit samt Handschuhen anfassen.
„Ich habe ne Idee. Komm mit.", sagte sie plötzlich und nahm meine Hand. Dann zog sie mich vom Sofa und führte mich zur Tür. Ramíro blickte uns verwirrt hinterher. „Wohin geht ihr?"
„Nicht wichtig. Pass einfach auf Samuel auf. Könnte ein bisschen dauern, bis wir zurück sind.",entgegnete sie ohne ihn anzuschauen.
„Ok. Passt auf euch auf.", rief Ramíro uns sanft hinterher also wir aus der Tür verschwanden. Ich warf ein flüchtigen Blick zu ihm und ich verstand es sofort. Die einzige, die nichts verstand war Emilía. Sie bemerkte es noch nicht einmal.
***

Ich hatte absolut keinen Schimmer wo wir waren. Emilía hatte mich ins Auto gezerrt und war los gefahren, ohne zu sagen wohin wir fuhren und ich war zu erschöpft, um nachzufragen. Aber so wie ich Emilía einschätzte, hätte sie es mir eh nicht verraten.
Wir hielten vor einem Haus. Es war nur schwach beleuchtet von dem natürlichen Licht der Sterne, doch ich konnte erkennen, dass es in keinem guten Zustand stand war. Das Gebüsch vor dem Haus war mit Unkraut überwuchert, Scheiben waren eingeschlagen und im Dach fehlten Ziegel. Die Lücke war amateurhaft mit einer Plane abgedeckt worden.
Ich warf Emilía einen fragenden Seitenblick zu.
„Vertrau mir.", sagte sie nur und stieg aus. Ich sah Emilía zu, wie sie in Richtung der Tür lief. Sie drehte sich zu mir um und winkte mir auffordernd ihr zu folgen zu. Ich zögerte, ging ihr dann aber doch hinterher.
Emilía schloss die Tür auf. Wir traten in ein stockfinsteres Haus.
„Pass auf, vor dir steht eine Stange.". Panisch riss ich meine Augen auf und sprang hinter Emilía. Sie schien sich hier bestens auszukennen. Der sicherste Weg war wahrscheinlich hinter ihr zu laufen.
„Warte hier.", flüsterte sie mir zu und ging tiefer in den Raum rein, bis ich sie in der Dunkelheit nicht mehr erkennen konnte. Von draußen hörte ich einen Uhu schreien. Mir lief ein kalter Schauer den Rücken runter.

Can You Keep A Promise? #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt