ACHTZEHN

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„Schau mal! Ich kann drei Marshmallows in mein Mund stecken!", verkündete Samuel stolz und demonstrierte es gleich. Begeistert zeigte er auf seine vollgestopften Backen und murmelte uns etwas unverständlich zu.
„Nicht schlecht", sagte Simón und nahm die Packung Marshmallows, „Ich kann aber vier Stück in mein Mund stecken." Herausfordernd sah er Samuel an. Mein Sohn ließ diese Herausforderung natürlich nicht einfach auf sich sitzen und griff ebenfalls in die Tüte. Mit Mühe drückte er sich zwei weitere Marshmallows in den Mund. Seine Augen wurden groß, vor Anstrengung die Masse im Mund zu behalten. Schließlich schaffte er es nicht länger und die Marshmallows purzelten aus seinem Mund. Auf den Restlichen kaute er gemütlich herum. Dann hob er eins der anderen hoch und hielt es zwischen seinen Fingern. Er schluckte und bewegte seine Hand näher an seinen Mund.

„Schatz, ist das besser nicht. Wirf es lieber ins Feuer." Unsicher betrachtete er das dreckige Marshmallow, tat dann aber was ich ihm gesagt hatte.
Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Es war schon kurz nach elf. Samuel sollte eigentlich schon längst schlafen.

„Ich glaube, es ist besser wenn wir jetzt gehen. Samuel muss ins Bett.", sagte ich schließlich und stand auf.
„Ich will nicht gehen!", empörte er sich augenblicklich und warf mir einen bösen Blick zu.
„Samuel, das steht gar nicht zur Diskussion."
Trotzig stampfte er mit dem Fuß auf und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Nein!"
„Samuel."
„NEIN!"
„Samuel, lass mich nicht laut werden. Du hast schon eine Woche Fernsehverbot. Willst du noch eine zweite haben?", fragte ich mit strenger Stimme.

Samuel öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Seine Arme ließ er fallen. Auf einmal spürte ich Simóns Hand auf meiner Schulter.

„Ihr könnt gerne noch etwas bleiben." Bevor ich antworten konnte, sprang Samuel an Simóns Arm und klammerte sich fest.
„Au ja!" Ich sah zwischen den beiden hin und her. Wirklich gefallen tat es mir nicht. Ich bekam noch immer dieses ungewohnte Gefühl in seiner Nähe. Aber dieser Tag war nicht über mich und Simón. Es ging um Simón und Samuel. Und wenn Samuel noch hierbleiben wollte und Simón es zuließ- das musste doch für was Gutes stehen, oder?

„Okay", meinte ich nur und setzte mich zurück auf die Couch. Kurz später setzte sich Simón auf die gegenüberliegende Couch, wo Samuel sich neben ihn ankuschelte.
„Darf ich noch ein Marshmallow haben?", fragte er.
„Natürlich!" Simón griff wieder nach der Packung und ein Stock mit zwei abstehenden Ästen. Er setzte auf jede Spitze ein Marshmallow drauf. Dann gab er den Stock Samuel, der ihn ins Feuer hielt.

„Schau mal", setzte Simón an und legte seine Hand über Samuels. „Wenn du es drehst, brennt es dir nicht so schnell an einer Seite an." Vorsichtig drehte er mit Samuel zusammen den Stock. Er ließ los und Samuels lächelte sanft. Die Szene ließ mein Herz schmelzen. Mein Körper füllte sich mit Wärme und ich fragte mich, warum es nicht immer so gewesen sein könnte.
Simón und Samuel machten dauernd Quatsch zusammen oder kämpften spielerisch mit einander und im nächsten Moment war Samuel an seine Seite gekuschelt. Er wusste gar nicht wie ähnlich er seinem Vater sah.

Noch nie hatte ich mich so sehr wie eine Familie gefühlt, wie in diesem Moment.
Schnell wischte ich mir eine Träne weg, bevor sie es bemerkten konnten. Der Wind zog auf und ich nahm mir eine Decke, die ich mir um die Schultern warf. Der Abend verlief noch eine Weile so. Wir erzählten Geschichten oder machten Witze. Samuel erfand die ausgefallensten Sachen. Doch auch irgendwann fielen ihm die Augen zu.

„Soll ich ihn reinbringen?", fragte Simón.
„Danke, das wäre sehr nett."
Simón nickte verständlich und hob Samuel vorsichtig hoch. Dann trug er ihn ins Wohnzimmer, wo ich schnell sie aus der Sicht verlor durch die Dunkelheit. Einen kurzen Moment später kam Simón zurück und verschloss leise die Terassentür.

Can You Keep A Promise? #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt