SECHZEHN

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Wie paralysiert blieb ich stehen. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Mein Atem stockte, meine Zellen kamen zum Halt, alles in mir stoppte. Das Bild vor mir kam nicht in meinen Kopf rein.
Simón war hier. Mit Hut und Sonnenbrille, beschmutzt vom Sand am Rücken - ohne Zweifel war es Simón. Er stand hier und spielte mit Samuel. Es war keine Fantasie, kein geistiger Streich, den mir mein Gehirn spielte, und dennoch fühlte es sich so an, als wäre es nicht real.

„Mamá!", rief mich eine kleine Kinderstimme zurück. Ich keuchte, ließ endlich wieder Luft in meine Lungen und lief meinem Sohn entgegen. Samuel ließ die Schippe fallen und rannte auf mich zu. Erleichtert schloss ich meinen Sohn in die Arme und drückte ihn feste an mich. „Mach das nie wieder.", hauchte ich in sein Ohr, fuhr ihm mit meiner Hand durch seine Haare. „Ich habe mir so Sorgen gemacht." Ich platzierte einen sanften Kuss auf seinen Kopf. Samuel versuchte sich aus meinen Armen zu befreien, aber ich ließ es nicht zu. Ich wollte noch einen kurzen Moment länger ihn bei mir spüren, wollte sichergehen, dass er okay war und dass er nicht noch einmal weglief.
Ich lockerte die Umarmung und Samuel drückte sich weg. Schnell, bevor er wieder zurück zu seiner Sandburg rennen konnte, schnappte ich seine Hände.
„Nicht so schnell, junger Mann!", sagte ich ihm mahnendem Ton. „Wieso hast du mich nicht geweckt Samuel?"
Samuel blickte nach unten. Er wusste genau, dass was er getan hatte falsch war. Er hatte auch allen Grund sich Schuldig zu fühlen.

„Hab's versucht. Du hast so tief geschlafen."
„Samuel, dass heißt noch lange nicht, dass du einfach verschwinden kannst! Dir hatte weiß Gott was alles passieren können! Du hättest dich verlaufen können, du hättest verletzten können- du hättest tot sein können!" Samuel schob den Sand mit seinen Füßen vor sich hin. „Aber Simón war doch da! Ich-", nuschelte er kleinlaut, doch ihn ließ ihn erst gar nicht ausreden.
„Nein, ich bin noch nicht fertig mit dir! Es ist mir egal wer mit dir ist. Du sprichst nicht mit Fremden, du weißt nie, wer die sind und was sie von dir wollen und am Ende entführen sie dich noch. Nein, Nein. Samuel, das passiert nie wieder! Wenn wir zurückkommen, gibt es eine Woche Fernsehverbot!" Geschockt riss Samuel seine Augen auf. Ich ließ ein Laut von mir, der ihm deutlich machte, dass er kein Wiederwort erheben durfte. „Ein Wort und ich mach zwei Wochen draus!", mahnte ich ihn, was schnell seinen Mund zuklappen ließ. Samuel verzog wütend sein Gesicht, sah aber schnell ein, dass er keine Chance hatte. Mir war lieber, dass er wütend auf mich war, als dass er verschwunden war. Schließlich wischte ich den Sand von meinen Klamotten und stand auf. Simón stand keine zwei Meter von mi entfernt. Er wirkte wie ein zu groß geratenes Kind mit seinem schiefen Hut, den kurzen Bermudashorts und dem Eimer Sand in seiner Hand. Ich spürte, wie sein Blick über mich wanderte. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich noch immer in meinem Morgenmantel steckte, mit nicht viel darunter. Ich zog mein Mantel enger zusammen und kreuzte meine Arme vor der Brust.
„Hey", hauchte er. Sein Mund zog sich zu einem schiefen Lächeln. Ich wand mein Gesicht von ihm ab.
„Kann ich dir jetzt wenigstens meinen neuen Freund vorstellen?", meckerte Samuel, der noch immer seine Lippen zu einem Schmollmund gezogen hatte. Mein Schweigen schien ihm aber als Antwort auszureichen.
„Das ist Simón. Er baut Sandburgen." Mein Blick schweifte automatisch zu Simón und ich hob meine Augenbraue.

„Nur nebenberuflich.", fügte er hinzu und brachte ein angespanntes Lachen hervor.
Samuel kratzte sich am Hinterkopf, als würde er versuchen Simóns Worte nachvollziehen zu können.
„Simón", setzte er an, „das ist meine Mamá."
Simón kniete sich zu Samuel runter. „Ist es die, die heute so geschnarcht hat?" Samuel seufzte. Dann legte er eine Hand auf Simóns Schulter und schüttelte den Kopf. „Junge, du hast ja keine Ahnung."
„Ich kann euch hören.", schaltete ich mich in die Konversation. „Außerdem schnarche ich nicht."
Samuel legte sein Kopf schief und sah mich ungläubig an.

„Ich schnarche nicht!", rief ich empört. Simón lachte, weshalb er sich auch augenblicklich einen bösen Blick von mir einfing. Ich unterdrückte den Drang mit den Augen zu rollen. Simón hatte überhaupt gar kein Recht über mich zu Lachen. Mir war außerdem immer noch nicht klar, warum er hier war.
„Weißt, du ich glaub, deine Mutter schnarcht nur ganz leise, aber es kling für dich einfach lauter." Achso war das also! Jetzt mischte er sich auch noch als Streitschlichter ein. Ich könnte förmlich spüren wie es wieder anfing in mir zu brodeln. Meine Hand kniff fester in den Stoff ein.

Can You Keep A Promise? #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt