Das Ende ist erst der Anfang

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Das Ende ist erst der Anfang

Schicksal. Es wird jedem einzelnen von uns in die Wiege gelegt. Und doch ist es verformbar. Veränderbar durch die Begegnungen, die wir machen, veränderbar durch tägliche kleine Wunder, die man nur wahrnehmen muss. Doch immer wieder gibt es Erfahrungen, die alles überschatten, Dinge, die uns glauben lassen, dass es kein Ausweg mehr gäbe. Sie lassen unsere Umgebung dunkel und matt erscheinen, obwohl sie sonst in allen Farben leuchtet. Es gibt Momente im Leben, die uns innehalten lassen, Momente, die uns zum Lachen bringen; doch es gibt auch Zeiten, in denen einem alles grau vorkommt, Zeiten, in denen man sich nichts sehnlicher wünscht, als dass es vorbei sei. Und in solchen Zeiten braucht man Punkte, an denen man festhalten kann, man braucht Personen, denen man vertrauen kann, Leute, die dir Halt geben, Sicherheit. Und es benötigt nur einen Menschen, um alles wieder in den schönsten Farben leuchten zu lassen. Es braucht nur jemanden, nur diese eine Person, die uns alles besser erscheinen lässt. Eine Person, bei welcher man Geborgenheit findet, eine Person, die dir wieder beibringen kann, zu lachen, jemanden, der dir die Freude am Leben zurückbringen kann. Es gibt nicht viele davon. Aber ich hatte Glück.

Wie gut ich mich noch daran erinnern kann. Daran, wie ich in einem Loch versunken bin nach dieser schicksalshaften Krankenhausnacht. Wie ich mich verkrochen habe in meinem Zimmer. Wie ich meine Umgebung nicht mehr wahrgenommen hatte,

wie ich in Selbstmitleid versunken war. Ich fühlte mich wertlos, nicht beachtenswert, und erst gar nicht liebenswert. Niemanden liess ich an mich heran, weder Andre, noch Oguz, weder meinen Vater noch meine Mutter. Sie alle hatten an Bedeutung verloren gegenüber dem kleinem Mensch, welcher nicht leben durfte, weil es so für ihn vorbestummen war. Andre lebte einen ganz eigenen Rhytmus; Morgens früh aufstehen, ab zu Mediakraft, abends heimkommen, um gleich wieder abzuhauen. Es hatte mich fertig gemacht und mich nur noch gestärkt in meiner Ansicht. Und dann kam der kleine Dreh, der mein Leben wieder bunt hat erscheinen lassen.

Heute sitze ich in unserem Apartement in Köln, ganz in der Nähe von dem der Jungs. Andre ist bei mir, Tag und Nacht sowie auch jetzt.

"Wir sehen uns später, Kleine." Ja, der Spitzname hat sich bewährt über all die Jahre hinweg.

Sanft küsste er meine Wange, bevor er sich tieferen Regionen zu wendete; meinem Bauch, in welchem unser gemeinsames Kind heranwuchs. Und dieses Mal war es kein Unfall.

"Und dich seh ich auch bald, Buddy." Es jagte mir ein Lächeln aufs Gesicht. Trotz dem fehlenden Wissen, ob es ein Junge oder ein Mädchen sein wird, hat das Ungeborene bereits seinen ganz eigenen Namen. Ich wollte mir die Misere gar nicht vorstellen. Wenn es ein Mädchen wird, wird wahrscheinlich seine ganze Welt zusammenbrechen und dann darf ich einen geknickten Andre trösten. Obwohl, eigentlich war es ja doch ganz süss.

Mein Affe - obwohl ApeCrime schon lange nicht mehr aktiv ist auf YouTube, wird er dies immer bleiben - fuhr mit seiner Hand noch kurz über meine, und erinnerte mich so an den schönsten Moment, den wir gemeinsam erleben durften, ein Moment, der mich aus meinem Loch geholt hatte. Er warf mir noch einen verliebten Blick zu, bevor er sich schlussendlich auf zu seinem Arbeitsplatz machte; es war ein Unternehmen, dass sich Jan, Cengiz und er selbst aufgebaut hatten und nur eines zum Ziel hatte: Junge YouTuber zu unterstützen und Träume zu verwirklichen. So wie es einst Mediakraft mit ihnen gemacht hatte. Und so wie er es mit mir gemacht hatte.

Es war ein kalter Novembertag. Ein Tag wie immer. Andre war nicht da, ich alleine in der Wohnung und somit auch mit meinem Selbstmitleid. Alleine mit diesem Zimmer am Ende des Ganges, hinter dessen Tür sich ein vollständig eingerichtetes Kinderzimmer lag. Ich hatte es seit dem Tod unseres Kindes nie mehr betreten, im Gegensatz zu Andre, der sich teilweise darin verkrochen hatte. Er weinte oft, während sich für mich einfach alles taub anfühlte. Alles was ich tat erlebte ich durch einen Schleier, der mir die Sicht schummrig machte. Nicht dass dies schlecht wäre. Denn ich wollte nicht weinen. Weinen ist ein Zeichen der Schwäche, und ich bin nicht schwach. Zumindest red ich mir das ein.

Hold me. (Apecrime | Ponk FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt