Sonnenuntergang

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Sonnenuntergang

Ich stand auf dem Balkon, hatte meine Hände auf dem Geländer abgestützt und schaute über die Dächer von Köln. Der Himmer war in ein sanftes rot getaucht, die Sonne ging langsam unter. Doch von der Atmosphäre merkte ich praktisch nichts. Ich versuchte nur, mich selbst zu beruhigen. 'Tief durchatmen.', diktierte ich mir selbst immer wieder. Ich hatte eine grosse Angst vor Andre's Reaktion. Wird er mich jetzt noch mehr ignorieren? Mich lächerlich machen? Wird er es den anderen erzählen, ihnen klar machen, dass ich ein emotionales Wrack war? Wird er überhaupt reagieren?

Gestresst fuhr ich mir mit den Händen übers Gesicht, bevor sie wieder den Weg zum Geländer fanden.

In diesem Moment hörte ich schwere Schritte auf dem Holz, und Sekunden später spürte ich einen Körper hinter mir, der mich sanft umarmte. Seine Arme schlangen sich um meinen Bauch, sein Kopf stützte sich auf meinem ab.

"Es tut mir leid.", Andre dachte kurz nach, bevor er weitersprach, "Ich wusste nicht, dass es.. sowas war." Erneut machte er eine Pause, bevor er mit gesenkter Stimme fortfuhr. "Ich dachte, dass ihr euch gestritten habt, und du dann abgehauen wärst. Ich wäre nie darauf gekommen, dass es sowas war. Ich.. Es tut mir unendlich leid, Val."

Nach diesem letzten Satz wurde er still.

Dann begann ich, mit monotoner Stimme zu erzählen.

"Anfangs war alles gut. Er war total lieb, hat auf mich geachtet und so. Ich dachte, dass das Zusammenziehen das Beste war, was mir passieren konnte." Ich unterbrach mich kurz, worauf Andre begann, mit einer Hand sanft meinen Arm auf und ab zu fahren. Es beruhigte ungemein.

"Doch nach zwei Monaten schlug die Stimmung um. Ich sollte kochen, bügeln, waschen.. Was eine Frau in seinen Augen halt so tun musste. Natürlich dachte ich mir nichts dabei, machte, was er verlangte. Doch als ich eines Abends sagte, dass ich keinen Bock hatte, begann er mich zu schlagen."

Erneut hielt ich kurz inne. Ich erinnerte mich daran, wie geschockt ich in diesem Moment war. Dort hätte ich mich noch retten können.

Ich begann leicht zu zittern, was der Mensch hinter mir sofort bemerkte. "Shht. Ich bin da." Seine Hand fuhr den Arm hinunter, stoppte kurz beim Handgelenk, bevor er meine Hand mit seiner bedeckte. Sanft streichelte er sie, zeigte mir so, dass er mir zuhörte.

"Dann musste ich immer mehr tun. Bis er mich schliesslich zuhause festgehalten hat. Damit ich immer da war, wenn er seine Gelüste stillen wollte.

Ständig hat er mich kontrolliert. Meine Post hatte er an sich gerissen und erst gecheckt, ob es wirklich alles nur Rechnungen waren oder es noch andere Dinge hatte. Auch das Handy hat er immer durchforscht, nachgesehen, ob ich ihn betrüge.. Dabei hat er mich betrogen. Mehrmals." Ich atmete tief ein. "Deshalb hatte ich ja auch niemandem, zu dem ich gehen konnte. Ich habe keine Freunde ausser euch..", gab ich zu, und Andre drückte meine Hand. Ich blieb ruhig und betrachtete den Himmel. Ich hatte nicht vor, noch was zu erzählen, eher hatte ich das Gefühl, das er schon zuviel wusste. "Hast du viel geweint?", fragte er plötzlich, und ich schüttelte den Kopf. "Ich hatte kurz nachdem er mich das erste Mal geschlagen hatte geheult. Danach nie wieder." Sanft strich er mir ein paar Haarsträhnen aus de Gesicht. "Wieso nicht?" "Weil niemand da war, der mich tröstete." Stille folgte, es wirkte, als ob Anderson nachdachte.

Ich spürte, wie er sich von mir löste und sofort fühlte ich den kalten Wind am Rücken. In der kurzen Zeit hatte ich mich schon an seine Wärme gewöhnt, weshalb ich jetzt kalt hatte. Grossartig. "Komm her..", nuschelte Andre, der auf einmal vor mir stand. Er nahm mich in seine starken Arme und tröstete mich. Wie sehr ich das vermisst hatte. Seine Hand nahm meinen Hinterkopf und drückte mein Gesicht in sein T-Shirt. Erneut landete sein Kinn auf meinen Haaren, und während die eine Handfläche noch immer meinen Kopf hielt, schlang sich die andere um meine Taille. Ich legte die Arme um seinen Bauch und kuschelte mich an ihn. Genoss seine Wärme. "Ich werde dich trösten.", murmelte er, versprach mir damit, dass er immer für mich da war. "Willst du noch ein wenig erzählen?" Er wollte mich zum weinen bringen, da war ich mir sicher. Er wollte, dass ich die ganzen aufgestauten Gefühle der letzten Jahren rauslassen konnte. Und um ehrlich zu sein fand ich die Idee gar nicht so schlecht.

Hold me. (Apecrime | Ponk FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt