Epilog

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anonym

Weihnachten 2000
Ein Mädchen setzt sich neben mich an die Theke. Sie trägt einen langen, schwarzen Mantel, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Trotzdem zittert sie, bestellt sich Tequila. "Bist du überhaupt schon achtzehn?", fragt der Barkeeper mit hochgezogener Augenbraue. Sie lacht verächtlich, schaut dem Mann tief in die Augen, soweit ich das erkennen kann. Völlig ergeben gibt er ihr das gewünschte Getränk. Verwirrt schau ich sie an, tippe ihr dann auf die Schulter. "Manipulation?", frage ich grinsend. Doch als ich ihr Gesicht sehe, erstarre ich ein wenig, lasse es mir aber nicht anmerken. Ihre Hautfarbe wirkt nicht mehr natürlich, so blass ist sie. Unter den Augen hat sie schwarze Ringe, ihr Auge selber ist rot und sie wirkt verweint. Ehrlich gesagt, wirkt sie wie eine Leiche und das macht mir Angst. "Fast", ihre Stimme ist nur ein Hauch aus Nichts, doch bereitet mir eine Gänsehaut. Aus irgendeinem Grund empfinde ich Ehrfurcht. "Sie sehen schrecklich aus", sage ich ganz ehrlich. Ihre Mundwinkel verziehen sich, doch ich weiß nicht, ob es ein positives oder ein negatives Zeichen ist. "Ich weiß", gibt sie dann von sich, doch ihre Stimme ist immer noch nicht präsent. Es wirkt, als würde ich mit einer Toten sprechen. "Möchten Sie reden? Manchmal hilft es, wildfremden Menschen alles anzuvertrauen", biete ich ihr an. Ich habe das Gefühl, dass dieses Mädchen, diese Frau, schon ewig nicht mehr geredet hat, schon lange leidet und etwas loswerden will. In ihren Augen kann ich kurz Schmerz erkennen, und Wut. Doch nur Millisekunden später wirkt sie wieder eiskalt. "Wenn Sie meinen", sie lächelt und mir wird warm. Sie sieht gut aus, wenn sie lächelt. Als sie ihre Kapuze abstreift, bleibt mein Herz kurz stehen. Denn dieses Mädchen ist perfekt. Ihre dunkelbraunen Haare fallen ihr glatt bis zur Taille, eine weiße Strähne zeichnet sich darin ab. Die Wangenknochen sind stark definiert und auch ihre Schlüsselbeine kommen zur Geltung. Ich denke, ich habe in meinem ganzen Leben nie so ein hübsches Mädchen gesehen. "Ich bin seit zwei Jahren ununterbrochen auf Reise, ich habe kein Zuhause mehr", ihre Stimme ist noch leiser als sonst, bricht fast ein wenig. Ich bin leise, höre ihr zu. "Am Anfang hatte ich noch ein Zuhause, ich bin mit meinem damaligen Freund in seine Heimat gegangen. Dort habe ich herausgefunden, dass er schon seit seiner Geburt einem Mädchen versprochen ist", sie lächelt, doch es ist eines dieser Lächeln, welches man aufsetzt, um nicht zu weinen. Und doch weiß ich, dass sie noch nicht fertig ist mit erzählen. Ihr Blick geht an mir vorbei, starrt in die unendliche Ferne: "Ich weiß nicht, ob meine Familie noch lebt; meine Schwester und mein Bruder. Eigentlich wollte ich sie immer beschützen, aber jetzt..." Sie bricht ab. Der Schmerz zeichnet sich deutlich in ihrem Gesicht. Es überrascht mich, dass ihr Schmerz auf mich übergreift, ich will diesem Mädchen helfen. Vorsichtig lege ich ihr meine Hand auf die Schultern. "Wie ist dein Name?", meine Stimme ist stark, denn ich versuche, ihr Stärke zu geben. Jetzt erst wendet sie ihre Aufmerksamkeit auf mich. Ihre Stimme ist dieses Mal stärker als zuvor und als sie ihren Namen nennt, muss ich lächeln. "Shadow."

wir sind nicht da || Harry Potter FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt