22 - Schlaflose Nacht

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Bella

Sommerferien 1997
Immer wieder drehe ich mich im Bett hin und her. Es ist zum Verrücktwerden. Der Tag ist so wunderschön gewesen und ich habe mich zum ersten Mal so richtig frei gefühlt, ohne Regeln und ohne ständige Beobachtung. Ich kann nicht leugnen, dass es mir gefallen hat, ich wünschte ich könnte es. Ist es wirklich richtig, was wir machen? Doch, muss es sein, Schlammblütler widern mich an, sie haben kein Recht!

Als es immer später und später wird, gebe ich auf. Schlaflose Nächte kann ich nicht gebrauchen, schon gar nicht in einer Zeit, in der ich die Kraft mehr als nur brauche. Doch es bringt nichts, die Gedanken versuchen mich zu verschlingen und in eine Welt zu ziehen, die ich nicht mag. Ich nehme ein Leintuch mit nach draußen, setze mich auf einen Baumstamm am Ufer, das Wasser berührt immer wieder meine Füße. Heute Nacht ist das Meer ruhiger als zuvor, es schläft. Die Dunkelheit ist nicht so stark wie sonst, der Mond ist heute heller als sonst. Mein Atem beruhigt mich, leise fange ich an zu singen. Ich bin im Einklang mit der Natur und doch will ich mehr. Hat mein Vater mir wirklich eine Gehirnwäsche verpasst?

"Entschuldige, dass ich störe", ertönt eine leise, singende Stimme neben mir. Keylam. Ich lächle ihn an, ich bin ihm dankbar, denn er spielt dieses Spiel mit mir. "Du störst nicht", murmle ich. "Dich bewegt etwas, sprich es laut aus." Mein Blick huscht nervös auf den Boden. Kann ich Keylam wirklich vertrauen? Kann ich überhaupt irgendjemandem vertrauen? Aber ich will ja, dass er mir vertraut und Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit. Und deshalb beschließe ich, einmal zu reden, statt zu schweigen: "Ich weiß nicht mehr, was richtig oder falsch ist, Keylam. Ich bin mit dem aufgewachsen, mit drei habe ich schon dunkle Magie beherrscht. Aber seit wir unschuldige Menschen und Wesen umbringen müssen, fühlt es sich komisch an." Seine türkisen Augen durchbohren meine braunen Augen, die durch die Ungewissheit einen roten Schimmer haben. "Bella", flüstert er, "es gibt kein richtig oder falsch." "Ich will es meinem Vater Recht machen, meiner Mutter Recht machen, allen Recht machen, doch was, wenn ich die verletzen muss, die ich dadurch noch lieber habe?", frage ich mit Tränen in den Augen, als ich an Sev denke. Er wird ein Opfer des Krieges sein, das weiß ich. Schon alleine dadurch, dass er auf keiner Seite so wirklich steht. "Ich habe mich geopfert, dass niemand anderer das hier machen muss, Bella. Alle haben Angst vor dir, Angst um mich. Und ich habe Angst um sie. Ich schütze sie mit meinem Leben. Vielleicht solltest du dir klar werden, wer alles für dich tun würde", seine Stimme hat einen so unglaublich beruhigendem Ton, dass die Worte noch viel beruhigender wirken. Mein Blick gleitet auf das Meer hinauf. Ich weiß, auf wen ich aufpassen muss, für wen ich mein Leben lassen würde. Für so circa alle meiner Familie. Aber wer würde das für mich machen? Wahrscheinlich Elias, ohne nur zu zögern. Narcissa, aber nur, wenn Draco nicht auch in Gefahr ist. Sev wahrscheinlich auch. "Ich zeige dir was, Bella", Keylam lächelt mich an, zieht mich hoch. Meine Leinendecke lasse ich liegen. Ein paar Schritte ins Wasser und mein Nachthemd schmiegt sich an meinen Körper. Keylam schwimmt weit hinaus, ich folge ihm, auch wenn ich immer etwas Angst vor tiefem Wasser gehabt habe. Niemals habe ich diese Schwäche gezeigt, denn die Tochter des Dunklen Lords darf keine Schwäche haben. Wir sind so weit draußen, dass ich mir gut vorstellen kann, dass der Boden sogar bis zu vier Meter unter mir ist. "Wenn du mir vertraust, lass dich fallen."

Und ich falle, sinke wie ein Stein nach unten. Denn ich vertraue Keylam, vertraue darauf, dass er mich hier rausholen wird. Doch die Luft wird knapper und fast hätte ich Wasser verschluckt, doch dann spüre ich etwas großes, weiches Neben mir. Keylam, in seiner Hengstgestalt. Ich greife nach seiner Mähne und schwinge mich, so gut es unter Wasser eben geht, auf seinen Rücken. Nur wenig später kann ich Luft holen. "Wende einen Zauber an, kleine Hexe", lacht er, als er sieht, wie sehr ich nach Luft schnappe. Natürlich. Wie dumm muss ich denn bitte sein? Ein Wort gedacht, denn mein Zauberstab liegt noch bei meiner Leinendecke, dann ist eine Blase um meinen Kopf und ich kann klar atmen und sehen, selbst als wir tief unter Wasser sind. Ein Korallenriff erstreckt sich vor mir und Keylam wird wieder zum Mensch, schwimmt neben mir her. Er wirkt hier so frei und so glücklich. "Komm", er winkt mir zu und sofort schwimme ich zu ihm. Auch ich fühle mich so frei, alles hier unten ist so friedlich. Es ist eine komplett andere Welt. "Such dir einen aus", Keylam zeigt auf den Boden, der nur so glitzert und funkelt. Lächelnd tauche ich hinab, schaue mich um, bin überwältigt. Tausende Kristalle liegen frei am Boden, der Wert dieser kleinen Steinen ist wahrscheinlich unendlich hoch. Aber es wird eine Erinnerung für mich sein, dass es Frieden gibt, ein Ort, den Keylam Heimat nennt und mir zeigt, weil er mir vertraut. Ein dunkelblauer und doch durchsichtiger Stein sticht mir ins Auge, ich greife nach ihm. Er ist klein, doch wunderschön.

Zurück zu schwimmen kostet mich einige Kräfte, doch es ist gut, denn so verbessert sich meine Kondition. Am Ufer tauchen wir auf, Keylam verlangt den Stein. Im Mondlicht ist der Stein fast noch schöner, auch wenn er nicht einmal so groß wie mein kleiner Fingernagel ist. "Gib mir ein Haar von dir", anstandslos überreiche ich im ein Haar, auch wenn ich noch nicht so ganz verstehe, wofür. Er fängt an zu singen, manche Worte sind sogar nur gesagt, doch es ist wunderschön. Ich schließe meine Augen, genieße den Wortklang der Worte, die für mich in einer unverständlichen Sprache sind. Als ich die Augen wieder öffne, hält er in der Hand eine Kette, die nur so glänzt. Eine Schlange wickelt sich um ein Schwert, im Schwertgriff ist mein Stein eingearbeitet. Keylam überreicht sie mir: "Das Meer wird an deiner Seite kämpfen."

wir sind nicht da || Harry Potter FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt