20 - Keylam

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Bella

Ende Schuljahr 1997
"Tochter", bittet er mich zu sich, obwohl die eigentliche Todessersitzung zu Ende ist. Oft kommt dies nicht vor, nur, wenn er eine wirklich streng geheime Mission für mich hat, die er niemandem anvertrauen will - niemandem außer mir. Schon immer hat er mir am allermeisten vertraut. Vielleicht liegt es daran, dass ich immer das mache, was er von mir verlangt, weil ich nicht einmal weiß, was ich selber will, weil ich nicht weiß, was richtig ist. "Der Krieg steht bevor", er lächelt, während er das sagt, wobei es mich eher schaudert. Natürlich, ich bin Brutalitäten gewohnt, aber ein Krieg ist eine ganz andere Liga. Und doch will ich unbedingt, dass wir gewinnen. Ich nicke: "Ich weiß Vater. Wie werden wir weiter vorgehen?" "Severus ist jetzt Schulleiter, er wird die Türen für uns offenhalten. Ihr werdet normal ins Schuljahr starten, damit niemand Verdacht schöpft. Im Sommer über, meine Liebe, werdet ihr vier abgelegen Urlaub machen, in dem du sie unterrichtest." Wie ein Roboter nicke ich. Mit einem kurzen Nicken verabschieden wir uns, draußen warten Keir, Draco und Elias schon auf mich. "Wir fahren diesen Sommer weg", lächle ich.

Letzter Schultag 1997
"Bella, hier liegt noch dein Buch!", ruft Lou mir zu, doch sie wirkt immer noch ziemlich unsicher. Gestern habe ich sie wieder ziemlich stark abgewiesen, ich will nicht, dass es im Krieg für sie schwerer wird. Ich hätte sie niemals an mich heranlassen sollen, doch der Wunsch nach einem etwas normaleren Leben hat mich dies tun lassen. Ziemlich verloren und alleine steige ich aus der Kutsche aus und steige in den Zug. Elias ist mit seinen Freunden unterwegs und in der Schule dürfen wir immer noch nicht zu vertraut wirken. Ich weiß, dass er es Louis gesagt hat, wer sein Vater ist. Aber ich weiß auch, dass er mich rausgehalten hat. Draco verbringt seine Zeit viel lieber mit Meli, Cassy, Patt und Luna als mit mir und Keir, keine Ahnung wo der ist. Wahrscheinlich hängt der gerade mit Blaise ab, die beiden sind gute Freunde geworden, dieses Jahr.

Im Zug mache ich das, was ich immer mache. Lesen. Meine Nase in Bücher stecken und so der zurzeit ätzenden Realität zu entkommen. Der Krieg fängt langsam an, immer mehr Familien werden ermordet oder in den Wahnsinn getrieben. Einmal bin ich dabei gewesen und seitdem weiß ich nicht mehr, was richtig oder falsch ist. Ich hoffe, wir kommen bald in London an.

Sommerferien 1997
"Hier sollen wir wohnen?!", fragt Keir entgeistert und ich lache, während ich die Türe öffne. Die verfallene, alte Holzhütte verwandelt sich in ein kleines ansehnliches Schloss. "Schon besser", grinst er mich an, doch ich verdrehe nur die Augen. "Wir treffen uns in einer halben Stunde draußen", befehle ich, begebe mich in mein Zimmer, um meine Klamotten zu wechseln. Meine Schuluniform wird in ein luftiges, schwarzes Kleid umgetauscht.

Wie verabredet treffen wir uns pünktlich draußen. Ich unterrichte ihnen alles, was mir für einen Kampf wichtig erscheint. Als ich in die langen Gesichtern von Elias und Draco blicke, weiß ich, dass es auch eine Abwechslung braucht, weshalb Keir nur eine halbe Sekunde später in einem langen roten Kleid dasteht. Während er panisch schreiend umher rennt, gackern meine beiden Brüdern umso lauter los. Keir hetzt mir einen Zauber auf, doch der Gegenzauber ist viel schneller, weshalb es ihn von den Beinen haut.

Nachts, als alle schlafen, schleiche ich mich nach draußen. Ich weiß, warum Vater uns in eine verlassene Bucht nach Schottland geschickt hat, er hat eine geheime Mission für mich. Mit einem Tarnzauber mache ich für die Welt unsichtbar und knie mich hinter die Holzstämme und warte. Warte, bis sie kommen. Die Kelpies. Im Wasser Geschöpfe aus Algen, am Land elegante Pferde oder sogar Menschen. Ich weiß, dass sie sich hier aufhalten, jede Nacht bei Nebel. Als das Wasser anfangt, stärker zu wellen, halte ich für einen kurzen Moment die Luft an. Eine ganze Herde wunderschöner Pferde trabt ans Land. Die Jüngeren machen freudige Galoppsprünge, die älteren wälzen sich wohltuend im nassen Sand. Langsam stehe ich auf und lasse meinen Tarnzauber fallen. Innerhalb Millisekunden haben sich fast alle in Menschen verwandelt, sie spüren natürlich meine magische Aura, die sich wie ein Schal um mich legt. "Tochter des Bösen, was ist Ihr Anliegen?", ein älter aussehender Mann tritt nach vorne. "Der Krieg wird kommen", trage ich mit fester Stimme vor, "wählt euere Seite!" Stille tritt ein, nur das Rauschen des Meeres ist noch zu hören. "Warum sollen wir auf Ihre Seite kommen?", fragt ein junges Mädchen. "Wir werden die alte Ordnung wieder herstellen und kein Zauberer wird je über eure Verstecke Bescheid wissen. Ich biete ein Leben in Freiheit", fast rufe ich die Worte, die mein Vater mir in den Kopf gebrannt hat. Doch etwas weiß ich, auch wenn es das erste Mal wäre, bei dem ich mich widersetzen würde. Ich bringe keinen Kelpie um. Keinen einzigen. Bei den Menschen finde ich immer einen Grund, warum sie schuldig sind, um mir einzureden, dass es schon passt. Doch hierbei, hierbei gibt es keinen Grund. "Ich werde euch nichts tun", murmle ich deshalb leise. Der Älteste wendet sich an die anderen: "Es ist jedem selbst überlassen!" "Bitte", flüstere ich. Mein Vater wird niemals erfahren, dass ich um etwas gebeten habe und es mir nicht einfach, wie er es für selbstverständlich hält, zu nehmen. Ein junger Mann tritt nach vorne und sagt laut: "Ich werde mit Ihnen kommen" und schickt die anderen weg. Ein Mädchen fängt an zu schreien, doch sie wird von einer Frau weggezerrt. "Ich heiße Keylam", lächelt er mich an.

Die Jungs staunen nicht schlecht, als sie am nächsten Morgen einen weiteren Jungen am Tisch entdecken, der nur Fisch und etwas Weizen zu sich nimmt. Doch da sie komische Sachen gewohnt sind, sagen sie nichts. Ich trage ihnen auf, sich im duellieren zu üben, dann verlasse ich mit Keylam den Tisch und wir gehen nach draußen. "Wie bist du stärker?", frage ich ihn. Er legt den Kopf schief und nur wenig später steht ein prachtvoller Hengst vor mir, mit denselben grünen Augen. "Komm", flüstere ich und gehe zur Bank. Er folgt mir anstandslos. Als ich das Halfter heraushole, sehe ich, wie er nervös wird, doch er bleibt stehen. Ich stehe vor mir, mein Herz rast wahnsinnig schnell. Das Flackern in seinen Augen beunruhigt mich zudem, weshalb ich das Halfter wegwerfe. "Das darf niemand erfahren", flüstere ich ihm zu und er legt beruhigt den Kopf auf meine Schulter. Ich bin zwar schon oft geritten, vor allem auf den weißen Hengsten von Lucius, doch es ist etwas komplett anderes, auf den Rücken von Keylam zu steigen. Denn er ist nicht gezähmt, er hat das hier noch nie gemacht. Ich rede ihm gut zu, während ich ihm viele Dinge erkläre. Mein Vater würde das hier nicht gut finden, er will, dass alle immer nach seinem Willen tanzen, ohne eine eigene Meinung. Doch ich finde, dass Vertrauen eine starke Basis ist. Wenn Keylam mir anstandslos vertraut, wird er mit mir alles machen, ohne zu zögern.

wir sind nicht da || Harry Potter FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt