25 - Alltag

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Bella

Anfang 6. Schuljahr 1997
Die Schule bezieht von allen die Kraft, doch nicht von mir. Ohne jetzt eingebildet zu klingen, aber ich kann schon alles, was wir lernen. Meine Noten sind besser als die von allen anderen und ich wette, sogar gegen Hermione würde ich in jedem Quiz gewinnen. Somit ist der Alltag ziemlich trist, jeden Tag etwas zu hören, was man bereits weiß. Jeden Tag dieselbe Wege zu gehen, Frühstücken, Mittagessen, Abendessen, wieder ins Bett gehen. Quidditch habe ich nie angefangen zu spielen, obwohl ich überzeugt bin, dass ich besser als so manche Spieler wäre. Doch das will ich Draco lassen, ich will, dass er in etwas besser ist als ich. Louis und Elias sieht man immer öfters zusammen, doch ihre Liebe verstecken sie immer noch. Louis weiß nichts von mir und ich bin froh darüber. Auch wenn Elias ihm vertraut, ich tue es nicht. Keylam ist der einzige, der mein volles Vertrauen hat. Er ist es auch, der mir Antrieb gibt. Das einzig Gute an jedem Tag ist, dass ich Abends bei ihm sein kann, außer es ist ein Todessertreffen.

Die Schule wird jetzt von Sev geleitet, was sie etwas dunkler gemacht hat. Eigentlich sollte ich mich wohler fühlen, doch richtig wohl fühle ich mich nur noch neben Sev persönlich oder bei Keylam. Ich habe das Gefühl, nie ich zu sein, außer ich bin bei denen zwei. Sev merkt, dass etwas mit mir anders ist, deshalb will er heute Abend mit mir reden. Ich habe ein wenig Angst davor.

Ich klopfe an seine Bürotür, die zeitgleich aufschwingt. "Isa, komm rein", er lächelt mich an und ich nehme auf dem weichen Lesesessel Platz. "Isa, was ist los?" Ich kann ihn nur anschauen, ich weiß nicht, was ich genau sagen will oder wie ich es ausdrücken soll. "Alle haben so hohe Ansprüche an mich. Ich weiß nicht, ob ich allen gerecht werden kann", flüstere ich. "Isa, niemand kann allen Ansprüchen gerecht werden. Und nur wenige Menschen können überhaupt so vielen gerecht werden wie du. Was bedrückt dich sonst?" Ich schaue aus dem Kerkerfenster, direkt in den See. Der See erinnert mich immer daran, dass Keylam gerade kein Wasser in der Nähe hat und sich eingesperrt fühlt. Und dann platzt es aus mir heraus: "Keylam ist nicht gezähmt." Es ist still, Sev sagt gar nichts. Nur wenig später kommt ein Geräusch von ihm, das ich noch nie in meinem ganzen Leben von Sev gehört habe. Er KICHERT. Severus Snape kichert. Ungläubig schaue ich ihn an. Er steht an seinem Schreibtisch gelehnt und kichert so hysterisch, als wäre er ein Teenie-Girl, dessen Schwarm sie gerade geküsst hat. "Was?", frage ich etwas pampig nach, weil ich mir keinen Grund erklären kann, dass er jetzt so reagiert. Doch das bringt ihn nur dazu, noch hysterischer zu kichern. Inzwischen kriegt er keine Luft mehr, denn sein Gesicht wird ein wenig rot. Sev schließt die Augen, atmet tief ein und aus. Als er die Augen wieder öffnet und mich anschaut, fängt er wieder an, lauthals loszulachen. "Was ist so lustig?", frage ich inzwischen etwas amüsiert, denn diesen Moment möchte ich unbedingt festhalten. Mit einer Kamera, die ich per Acciozauber hergeholt habe, schieße ich ungeniert Fotos von dem sich nicht mehr einkriegenden Professor. Dieses Foto wird einen besonderen Platz in meinem Snape-Fotoalbum bekommen. Erst nach einer Viertelstunde (!) hat er sich beruhigt und schaut mich nur noch belustigt an: "Für so ein schlaues und ausgebildetes Mädchen bist du ziemlich dumm." Als ich eine Augenbraue hochziehe, kichert er wieder, doch er kann es kontrollieren: "Du hast ihn nicht gezähmt, weil du ihn magst. Er ist nicht abgehauen, weil er dich mag. Und du kapierst es nicht einmal", jetzt lacht er wieder und wirkt dabei so glücklich wie lange nicht. "SEV!", kreische ich ein wenig unnatürlich hoch. Wieso sollte es stimmen? "Isa. Denk einmal nach. Er mag dich wohl sehr, wenn er - Was ist das für eine Kette?!", er deutet auf die Kette, die ich um den Hals trage, die mit dem Meeresstein. "Wir waren schwimmen und er hat mir die Steine gezeigt und mir die Kette gemacht", ich lächle und erinnere mich an diesen Tag zurück, der mich so unendlich frei fühlen lassen hat. Sev schüttelt den Kopf, auf seinen Lippen liegt ein seliges Lächeln. "Schon alleine, dass du so einen Stein hast..", er bricht ab, wirft die Hände in die Höhe und rennt in seine Bibliothek. Etwas ratlos sitze ich da und warte, bis er zurückkommt. In seiner Hand hält er ein dünnes, in Algen gewickeltes Buch. Er blättert hastig durch die Seiten, bis er die wohl richtige gefunden hat. Er überfliegt sie und schaut mich dann mit einem Blick an, in dem so etwas wie Stolz liegt: "Schau dir seinen Stein an. Wenn er ähnlich wie deiner ist", er endet den Satz nicht, sondern schaut in den See hinaus. "Sev, was?", frage ich, meine Stimme ist ein wenig wacklig. "Dann", seine Augen suchen meine, "seid ihr füreinander bestimmt."

Den Nachmittagsunterricht kann ich nicht mehr ruhig sitzen, ständig muss ich an die Steine denken. Hat er etwa einen ähnlichen Stein wie ich? Und wenn wir wirklich für einander bestimmt sein sollten, was wäre dann? Die Lehrer schauen mich komisch an, es sind die ersten Stunden, in denen sie mich abwesend erleben. Draco geht genervt von mir weg, sucht wieder Cassy und ihre Freunde, mit denen er in letzter Zeit jede Sekunde verbringt. Sogar Keir lässt heute von mir ab, ansonsten kriege ich ihn nie abgeschüttelt.

Am Abend stehe ich nervös auf dem Astronomieturm, schaue über die ganze Landschaft. Dann appariere ich, direkt in den Stall. Keylam hat eine normale Box und im Heustadel auch ein Bett, egal wie er sich gerade wohler fühlt. Wir begrüßen uns mit einer komischen Halbumarmung, wie immer. Sobald ich auf seinem Pferderücken sitze, entspanne ich mich wieder und komme herunter. An einem See bleiben wir stehen. Hier sind wir noch nie gewesen und ich kann sehen, wie Keylam aufleuchtet, als er das Wasser erblickt. Im gestreckten Galopp rennt er hinein und ich schließe meine Augen. Dieses Gefühl habe ich so vermisst. Doch es ist nicht dasselbe wie in Schottland. Wenig später sitzen wir in Decken, die ich hergezaubert habe, gewickelt da und schauen still auf das Wasser. "Wie ist die Schule?", er durchbricht die Stille und der singende Klang seiner Stimme beruhigt mich jedes Mal aufs Neue. Lächelnd schaue ich den Wellen zu, wie sie brechen: "Einfach. Ich habe diese Sachen schon Ewigkeiten zuvor gelernt", dann hebe ich den Blick und schaue direkt in seine türkisen Augen. Sie halten das Meer gefangen und den Nachthimmel bei Vollmond. Es gibt keine schöneren Augen. "Dein Tag?", frage ich, merke, wie meine Stimme etwas rauer und kratziger als sonst ist. Doch es ist kein schlechtes Gefühl. Er grinst: "Wie alle Tage zuvor auch. Langweilig. Bis du kommst." Mein Lächeln ist so echt wie schon lange nicht mehr. Unbewusst greife ich nach seiner Hand. "Ich wünschte, ich könnte dir wieder ein Teil deines Lebens zurückgeben", mein Blick gleitet nach unten. Mit der Hand, die nicht in meiner verschränkt ist, hebt er mein Kind und zwingt mich, ihn anzuschauen: "Bella, das tust du bereits." Sein Blick gleitet auf mein Hals, dann auf meine Kette. Sein Lächeln wirkt auf einmal viel strahlender als zuvor: "Du trägst sie." Ich greife nach ihr und murmle: "Immer. Sie erinnert mich an eine wunderschöne Zeit, die wohl schönste meines Lebens." Er grinst mich an. "Hast du auch so eine Kette?", frage ich nun, er nickt. Keylam nimmt die Kette von seinem Hals und gibt sie mir. Die Kette hat die Form einer Wolke, der Stein ist dunkelblau. Zögernd nehme ich meine Kette ab, halte sie neben seine. Die Steine sind genau dieselben. Sev hat Recht gehabt. Als ich sie näher zusammenhalte, fangen sie an zu leuchten. Mit dem Heben meines Blickes, merke ich, wie Keylam mich hypnotisiert anschaut, jede Bewegung analysiert. Mein Herz fängt an, unendlich schnell zu rasen und meine Atmung wird schwerer. Die Hand, die vorher noch an meine Kinn gelegen hat, fährt jetzt meine Wange entlang, streicht meine Haare aus dem Gesicht, die inzwischen wieder blond sind. "Du weißt gar nicht, wie schön du bist", flüstert er und ich kann hören, dass auch er außer Atem ist. Meine Hände beginnen zu zittern, doch trotzdem halte ich seine eine Hand fest in meiner. Wir nähern uns und es wird unerträglich für mich. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, bis sich unsere Lippen endlich treffen. Meinen ersten Kuss werde ich nie vergessen, auch nicht das Gefühl, das ich dabei habe.

wir sind nicht da || Harry Potter FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt