26 - Glücksgefühle

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Elias

Anfang Schuljahr, Oktober 1997
Die Tage sind toll, doch die Nächte bringen mich um. Die Tage kann ich alles verdrängen, doch in den Nächten träume ich von dem Krieg, der kommen wird. Ich weiß nicht, wie Bella das so leicht wegstecken kann. Heute treffe ich mich nach der Schule wieder mit Louis am See, ich freue mich schon. Doch vor heute Mittag habe ich Angst. Ich habe beschlossen, jetzt endlich allen zu sagen, wie ich fühle. Der Welt verkünden, dass ich schwul bin und es mir egal ist. Ich weiß nicht, ob diese Nachricht bei meinem Vater ankommt, doch es kümmert mich nicht. Dann soll er mich eben töten.

Am Mittagstisch sitze ich ziemlich nervös zwischen Louis, Eli und Kyle. Unsere Clique hält nach all den Jahren immer noch fest zusammen, auch wenn wir manchmal ein paar wenige Streitigkeiten gehabt haben. Einmal wäre ich fast ausgetickt, weil Kyle mir erzählt hat, dass er auf Bella steht. Richtig ausgetickt bin ich aber, als Eli darüber gelacht hat, wie "geil" Bella doch in diesem Kleid aussehe. Sie wiederum sind einmal ausgetickt, weil ich so oft weg bin. Inzwischen habe ich gelernt, ein schlafendes ich in meinem Bett zu lassen, wenn ich verschwinde. Es ist riskant, doch es funktioniert. Sie wissen, dass ich schwul bin und sie haben kein Problem damit. Ich lasse meinen Blick gleiten, er bleibt an Bella hängen. Sie lächelt in ihr Essen, seit ein paar Tagen wirkt sie glücklicher als zuvor. Fast, als wäre sie dauerhaft auf Drogen. Und dann stehe ich auf, mein Herz klopft wie verrückt. Auf dem Tisch hat man die perfekte Übersicht über den ganzen Saal. Alle starren mich an. Der Schulleiter hebt eine Augenbraue, sagt aber nichts. Bei jedem anderen Schüler hätte er schon längst unendlich viele Punkte Abzug gegeben, doch nicht bei mir. Er kennt mich zwar nicht, er mag mich wahrscheinlich auch gar nicht, aber er liebt Bella abgöttisch und deswegen lässt er mich auch in Ruhe. "Ich muss euch was mitteilen", rufe ich und bemerke, wie jetzt auch die letzten den Blick heben. Auch Belle schaut mich erst jetzt an und sie wirkt beinahe etwas ängstlich. Sollte ich es vielleicht doch lieber lassen? Ich meine, Bella hat nie vor etwas Angst. "Ich bin schwul!", die Worte sind ziemlich schnell draußen. Stille legt sich und im nächsten Moment klatschen ein paar, ein paar Jauchzen. Eigentlich ziemlich positive Rückmeldungen. Klar, ein paar beschimpfen mich, doch der Großteil lächelt. Weiter hinten steht ein Mädchen auf, ich weiß, dass es eine Freundin von Draco ist, doch ich weiß ihren Namen nicht mehr. Irgendwas mit L auf jeden Fall. "Ich bin lesbisch!", lächelt sie und setzt sich wieder hin. Auch ich setze mich jetzt. Unter dem Tisch greife ich nach Louis Hand der sie kurz aufmunternd drückt. Ich wage einen kurzen Blick zu Bella, die etwas erleichtert ausschaut. Hat sie etwa gedacht, dass ich uns verrate?

Am Nachmittag treffen Louis und ich uns endlich am See. Er lächelt mich an und küsst mich kurz auf den Mund: "Das hast du gut gemacht!" Ich lehne mich an seinen Bauch, wir sitzen in der Wiese am See. Ich genieße den Moment so gut ich kann, doch ich muss ständig an Bella denken. In letzter Zeit ist so anders, komplett abwesend, einmal ist sie gut drauf und wann anders keift sie jeden an. "Ist das nicht Bella?", fragt Louis mich, deutet auf eine Person am anderen Ende des Sees. Ich nicke. Louis denkt, dass sie meine Cousine ist. Ich wünschte, ich könnte ihm sagen, wer sie wirklich ist. Stumm betrachten wir beide Bella. "Sie wirkt irgendwie traurig", meint Louis. Und auf einmal macht es Klick in mir. Bella ist anders, weil sie auf einmal Gefühle zeigt und verletzlich wirkt. Es lässt sie authentisch wirken, aber ungewohnt für alle, die sie zuvor gekannt haben. Ich weiß nicht, wer dafür verantwortlich ist, doch ich liebe die Person. Seit ich denken kann ist sie mehr ein Roboter als Mensch. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich es gewesen bin, doch es stimmt nicht. "Elias Tonks, ich bitte ein Gespräch mit dir zu führen", Snapes Stimme lässt mich hochschrecken und ich folge ihm etwas ahnend in sein Büro, wo ich erst einmal gewesen bin.

Seit damals ist sein Büro irgendwie gemütlicher geworden. Er deutet mir, mich auf den Hocker zu setzen, er selbst setzt sich in den Lesesessel. "Dein Outing heute", fängt er an. Sofort presse ich die Lippen aufeinander und schaue zu Boden. Er wird es Vater verraten, natürlich. Ich bin so dumm gewesen. "Elias, schau mich an." Ich denke, so etwas weiches in seiner Stimme zu hören, doch ich tue es wieder ab. Snape kann keine Gefühle zeigen, dass weiß jeder. Außer bei Bella. Aber warum sollte er mit mir so sprechen wie mit Bella? Etwas ängstlich hebe ich meinen Blick. "Du trägst ohnehin zu viel. Ich werde es deinem Vater nicht sagen. Allerdings kann ich nicht dafür garantieren, dass es auf nicht anderen Wegen zu ihm gelangen wird. Du hast das Glück, hier unter dem Namen Elias Tonks bekannt zu sein." Entgeistert und völlig ungläubig starre ich den Lehrer vor mir an. Wer ist er und was hat er mit dem alten, verschobenen Snape gemacht? "Gibt es noch etwas, Elias?" "Ja. Bella, sie ist so anders in letzter Zeit. Sie zeigt Gefühle!", sprudelt es regelrecht aus mir heraus. Sein Blick wird bei dem Wort Bella extrem weich, was mich nicht überrascht, auch wenn mir unklar ist, wie es dazu kommt, dass der Mann sich genau durch Bella so erweichen lässt. "Wissen Sie, wer das mit ihr macht?", frage ich hoffnungsvoll. Doch Snape schüttelt nur den Kopf: "Und wenn ich es wüsste, ich würde es dir nicht sagen. Das muss sie dir sagen." Er schickt mich mit diesen Worten nach draußen. Ich gehe hoch zum Astronomieturm, um wieder einmal durchzuatmen. Ich liebe den Ausblick von oben. Gerade, als ich oben ankomme, sehe ich, wie Bella sich, mit einem Lächeln auf den Lippen, auflöst.

wir sind nicht da || Harry Potter FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt