Point of View Prudence
An diesem Morgen betrat ich das Büro wiedermal später. Victor war nicht da. Er hatte ein Gespräch mit dem Boss, wie ich von Steve erfahren hatte. Steve dagegen brauchte nicht im Büro anzutanzen und schien darüber auch ziemlich glücklich. Kaum hatte ich das Büro wieder betreten nachdem ich kurz zur Toilette gegangen war, grinste Steve mich breit an.
Er war ein Morgenmensch hatte eigentlich jeden Morgen eine außerordentlich gute Stimmung, der er beim arbeiten förmlich versprühte. Doch jetzt war irgendetwas anders, irgendwas hatte sich verändert als ich das Büro kurz verlassen hatte. Seine Grinsen war zu breit. „Willkommen zurück Pru." „Hmm Steve." Sagte ich absichtlich nicht sonderlich interessiert. Sein Grinsen war mir beinahe unheimlich und ich war mir nicht sicher ob ich wirklich in seiner guten Laune bestätigen sollte. Doch kaum war ich über die Türschwelle, räusperte er sich leicht. Okay nun war ich neugierig. „Hab ich irgendwas verpasst Steve? Ist heute irgendwas besonderes was ansteht, dass du so grinst?" Fragte ich leicht hin und lächelte leicht, während ich die Tür hinter mir zuzog. Immerhin gab es schlimmeres als einen gut gelaunten Kollegen.
Doch meine gute Laune sollte mir schnell vergehen. Noch lächelte ich zufrieden. Er saß an seinem Schreibtisch und schaute mich vielsagend an. Beinahe so, als wolle er mich fragen, ob ich das nicht selber wisse. Fragend zog ich meine Augenbrauen nach oben. „Steve?" Fragte ich nun fordernder. Ohne weitere Worte griff Steve in eine seiner Schubladen und zog einen rosa Briefumschlag hervor. Ich zog meine Augenbraue etwas weiter hoch. Was war das? Doch nicht etwa eine Art Liebesbrief. Oh mein Gott. Der Tag würde schrecklich werden. Steve war zwar nett...aber...nein. Ich und er. Nein. Steve winkte mich mit dem Brief zu sich. „Für dich." Leicht widerwillig und verwirrt nahm ich ihn Steve ab und setzte mich an meinen Schreibtisch. Eine böse Vorahnung durchflutete mich als ich das zartrosa Papier in den Händen hielt. Leicht zitternd öffnete ich den Umschlag und zog den Brief heraus. Langsam fing ich an zu lesen und mit jeder weiteren Zeile überkam mich eine Welle der Unbehaglichkeit.
Liebe Prudence,
Leider hast du dich ja lange nicht mehr sehen lassen. Es hat eine ganze Weile gebraucht dich zu finden, doch es wird die Mühe wert gewesen sein. Wir haben dich vermisst. Ich habe dich vermisst. Ich bedauere die Vorfälle die dich von uns weggetrieben haben. Doch ich denke die Zeit zum Verarbeiten der Ereignisse ist um, und du musst wieder neu anfangen. Es gibt einige wichtige Dinge wegen denen ich, oder besser wir, deine Hilfe brauchen, außerdem hast du dich die letzten Jahre von uns abgeschirmt. Zum Anlass deines 27. Geburtstags, werde ich dich Freitagabends alleine bei dir zu Hause abholen und wir werden in deinen Geburtstag hineinfeiern. Keine Sorgen, von den anderen ist niemand bei mir. Sie wissen noch nicht dass ich dich aufgespürt habe. Denn wie sollte man dich schon finden? Cachée. Doch das ist jetzt erst einmal egal. Wir werden über alles reden und deinen Geburtstag feiern. Mach dich schick. Ich habe mich um alles Andere gekümmert. Sei um halb acht fertig gerichtet, dann werde ich dich abholen.
Liebe Grüße H.T. 7
Postskriptum: Die anderen sollen doch noch eine Weile nicht wissen dass ich dich gefunden hab, oder?
Zuerst war ich nur schockiert von dem, was ich da vor mir hatte. H.T.7. Was wollte sie hier? Es war nicht so dass ich mich nicht freute von ihr zu hören. Doch wo sie auftauchte gab es meistens Ärger. Sie war manipulativ und unberechenbar. Außerdem hatte sie mich mehr oder weniger überrumpelt. Ich versuchte den Brief schnell zu verstecken, bevor Steve oder gar Victor ihn in die Hände bekommen konnte. Doch kaum hatte ich ihn in meine Tasche gesteckt, öffnete sich die Tür.
Als ich wieder aufrecht saß, sah mich Steve breit grinsend an. „Deine Cousine ist echt hübsch." Mir musste die Kinnlade heruntergeklappt sein, denn ich hörte mich erschrocken ausatmen. „Was?" Fragte ich beinahe reflexartig. „Sie hat den Brief persönlich gebracht." Sie war hier? Natürlich war sie hier, das passte zu ihr. Und wie wäre Steve sonst an den Brief gekommen. Doch bevor ich Steve das Wichtiges über Holly fragen konnte, kam eine weitere unerwünschte Frage von Victor der gerade erst ins Büro eingetreten war. „Was für ein Brief?" Fragte Victor der nun gerade erst durch die Tür gekommen war. Doch beinahe gleichzeitig beschoss auch ich Steve mit einigen eher unwichtigeren Fragen.
„Wie lang ist das her? Was hat sie noch gesagt?" „Nun, es muss etwa eine halbe Stunde her sein. Sie war wirklich nett. Sie meinte sie hätte eine Party für dich organisiert und der Brief sei eine Einladung. Als ich ihr anbieten wollte auf dich zu warten und einen Kaffee zu trinken meinte sie, sie habe noch etwas zu tun und wolle sich die Überraschung für die Party aufheben. Sie hat dabei so unglaublich süß gelächelt. Ist deine Cousine Single?" Steve lächelte als er das Letzte fragte und ich war erstaunt wie er danach schnell nach Luft schnappte. Ich kicherte ungewollt, aufgrund seiner süßen, eigentlich naiven, Frage, obwohl mir alles andere als zum Lachen zumute war. Wenn er doch nur wüsste.
Mit Holly war nicht zu spaßen. „Was für eine Party?" Fragte Victor genau das Falsche und sofort war meine Stimmung vollends verflogen. Er würde gleich von meinem Geburtstag erfahren. Und da Seelenspiegel oft am gleichen Tag geboren wurden, würde er merken dass mein Geburtstag, gleichzeitig seiner war. „Die Geburtstagsfeier für Prudence." Sagte Steve bevor ich eingreifen konnte. Hoffentlich wusste Steve nicht das Datum. Doch ich ahnte dass er aufgrund von aufrichtigem Interesse bei ihr nachgefragt hatte.
„Ok." Zu meiner Überraschung war Victor nicht an genauerem interessiert. Denn er setzte sich einfach an seinen Schreibtisch und griff zum Telefonhörer. „Sie hat gemeint ich kann später mitkommen." Erklärte Steve in einem leisen Tonfall, der mich irgendwie an einen kleinen Jungen erinnerte der um Erlaubnis fragte. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. „Das würde mich freuen." Log ich und setzte ein sanftes Lächeln auf. Kurze Zeit später verschwand ich nochmals kurz auf die Toilette, die glücklicherweise leer war. Meine Hände krampften sich um das Waschbecken während mein Blick hilfesuchend zu meinem Spiegelbild blickte. Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, entschloss ich mich dazu etwas zu tun dass ich seit 6 Jahren nicht mehr richtig getan hatte und zu dem jeder Savant in der Lage war.
>>Holly. Egal in welcher Ecke von Denver du gerade sitzen magst. Ich will dass du weißt dass du mich gerade ganz schön in Schwierigkeiten gebracht hast.<<
Versuchte ich sie telepathisch zu erreichen und merkte wie sehr mich das anstrengte. Es dauerte eine Weile bis ich etwas zurück bekam.
>>Also bitte Pru. Ich würde dich doch nie in Schwierigkeiten bringen.<<
Mein Griff um das Waschbecken wurde fester als ihre Stimme nach einer kurzen Pause erneut kräftig in meinem Kopf erklang.
>>Übrigens bilde ich mir das gerade nur ein oder ist deine Telepathie gerade echt erbärmlich im Vergleich zu dem was sie mal war?<<
Ich knirschte leicht mit den Zähnen. Sie hatte einen meiner wunden Punkte erwischt.
>>Vale wäre enttäuscht, wenn sie wüsste wie sehr du nachgelassen hast. Die Telepathiefertigkeit von Zwillingen ist etwas herausragendes, selbst in unserer Welt. Telepathie war doch immer euer Spezialgebiet. Wie kannst du das einfach so wegwerfen?<<
Meine Hände umklammerte das Waschbecken fester und die Knöchel wurden sichtbar.>>Lass Vale aus der Sache raus.<<
Schickte ich ihr wütend, doch ich spürte dass ich die Wirkung verfehlte. Meine Fähigkeiten waren wirklich nicht mehr was sie einmal waren. Ein schallendes Lachen von Holly hallte in meinem Kopf.
>>Du musst sie wirklich unheimlich geliebt haben. Deshalb hast du ihr Grab auch so oft besucht, nicht wahr?<<
Eine Welle des Bedauern überkam mich bei diesem Gedanken, doch ich wollte das nicht auf mir sitzen lassen. Wut ballte sich in meinem Magen zusammen.
>>Halt die Klappe Holly. Du redest von Dingen von denen du keine Ahnung hast. Valour hätte gewollt dass ich lebe wie ich es für richtig halte.<<
Ein weiteres zufriedenes Lachen von Holly ertönte in meinem Kopf. Ihre folgenden Worten hallten selbstsicher und beschwichtigend in meinem Kopf.
>>Ich wusste dass in dir noch die Alte steckt. Die Message kam gerade sehr deutlich an, du kannst es doch noch. Ich wollte dich ja nur ein bisschen reizen, um zu schauen wozu du noch in der Lage bist.<<
Verdammt, sie hatte mich nur aus der Reserve locken wollen und ich war voll darauf eingestiegen. Ihr war klar gewesen das Valour ein Thema war dass mich dazu verleitete meinen sonst so kühlen Kopf zu verlieren.
>>Holly du bist ein verdammtes Biest, das direkt aus der Hölle kommt um Seelen zu quälen<<.
Ein letztes Lachen erklang und das Gespräch war nun offenkundig für uns beide beendet.
Sie war eine sieben. Sie war gefährlich. Sie war hier, und neben Valour die einzig weitere Person in meinem Leben die mir wirklich etwas bedeutete.
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Persuading Prudence
FanfictionVictor ist ein Savant, der vergeblich versucht seinen Seelenspiegel zu finden. Die Tatsache dass er dabei auf voller Linie zu versagen scheint, macht ihm schwer zu schaffen. Er wird immer rauer und abweisender. Prudence will ihren Seelenspiegel nich...