Seelenspiegel

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Point of View Prudence 


Normale Menschen merkten die Telepathie-Anwendung von Savants nicht. Zumindest nicht bewusst. Sie wussten, und taten aber meist unterbewusst, was ein Savant ihnen mitteilte. Meist soll heißen, wenn es ihnen nicht zu stark zuwider war. Ich selber hatte es noch nicht oft gewagt.

Es war mir nie wirklich nötig erschienen. Außerdem hatte ich es nicht wirklich nötig Menschen unterbewusst Tatsachen zu vermitteln, zumal es mit Worten so viel einfacher war. Dazu kam noch dass ich meine Gabe nicht wirklich schätzte. Ich war davon überzeugt dass es falsch war sich durch seine Savantgabe Vorteile zu verschaffen.

Umso mehr schockte mich was Victor in diesem Moment in dem netten Dinner tat.
Ruckartig hatte er sich zu mir umgedreht. Hatte mich mit seinem Blick fixiert. 

„Verschwinde verdammt nochmal. Das hier geht dich nichts an. Du gehst jetzt nach Hause oder ins Büro oder wohin der Teufel will und wirst dich nie mehr in meine private Angelegenheiten einmischen."  Ertönte Victors Stimme in meinem Kopf. Wider seinen Worten erfüllte mich Zufriedenheiten. Zu Beginn begriff ich nicht was gerade geschah. Ich war verwirrt und wollte ihm bissig mit Worten antworten, als ich seine Wort erfasste. Doch es gelang mir nicht. Es sollte eine Weile dauern bis mein Gehirn registrierte was mein Körper sofort verstand.

Vor meinem geistigen Auge blitzten weiße Lichter auf, die direkt durch mich hindurch schossen und mich erschauern ließen. Victors Stimme, sie war ihn meinem Kopf. Er hatte Telepathie angewandt, um mich zum gehen zu bewegen. Doch das war es nicht das meinen Bauch zu flattern brachte.

Ich hatte so lange keine Telepathie mehr angewandt, und wurde so lange schon nicht mehr telepathisch erreicht. Es war ein seltsames Gefühl, und ich spürte dass ich diese Art der Kommunikation insgeheim vermisst hatte. Doch es war nicht diese Tatsache, die mich so durcheinander brachte. Victors Stimme in meinem Kopf brachte eine ungute Gewissheit mit sich. Eine Gewissheit die sich erschreckend gut anfühlte, und mich gleichzeitig zu tiefst traurig stimmte.

Jeder Savant war in der Lage Telepathie anzuwenden. Doch Victor war nicht irgendein Savant. Er war der eine, wie mir jede Zelle meines Körpers mitteilte. Savant wussten immer intuitiv, ab dem ersten telepathischen Kontakt mit ihrem Seelenspiegel, dass sie ihren Seelenspiegel vor sich hatten. Ich hatte nie verstanden wie so etwas funktionieren sollte, bis ich es nun am eigenen Leib fühlte. Man sagte es wäre ein unbeschreiblich freudiges Erlebnis. Doch im Moment fühlte es sich nicht so an. Den seine Worte waren keine sanften gewesen. Er hasste mich. Dennoch. Ich kämpfte mit dem Drang ihm telepathisch ein „Gefunden" zu schicken. Wir würden Witze darüber reißen was für ein Zufall es doch war, der uns zusammen gebracht hatte. Über die Tatsache, dass wir uns nicht einmal richtig mochten, mit einem Schmunzeln hinwegsehen.  

Doch mich Victor zu erkennen geben, konnte ich nicht. Es würde alles zerstören. Ich wollte keinen Seelenspiegel. Ich wollte Victor nicht. Außerdem wollte Victor mich auch nicht, zumindest nicht so, wie er dachte, dass ich sei. Als normaler Mensch war ich für ihn uninteressant. Nicht mal meinen Charakter schien er zu mögen. 

Sag ihm, dass du sein Seelenspiegel bist, und er wird dich lieben. Säuselte eine meine innere Stimme. Energisch wandte ich mich von Victor ab. Ich wollte das nicht. Meine angekratzte weibliche Seite meldete sich nun auch, nach seinen Worten hatte er es nicht verdient von seinem Seelenspiegel zu erfahren. Später vielleicht. Oder auch nie.

Sobald er netter zu mir ist, sag ich es ihm vielleicht. Wenn er jemals netter wird. Also doch eher nie.

Wieder hallten seine Worte in meinem Kopf nach. Ein Teil in mir war darauf erpicht, seinen Worten Folge zu leisten. Es war zutiefst verstörend. Ich musste mich nun nur ganz einfach davon machen. Ich versuchte angestrengt mich wie ein Mensch zu verhalten an dem ein Savant Telepathie angewandt hatte. Nicht wie ein Savant der gerade von seinem Seelenspiegel erfahren hatte, und sich heimlich davon stehlen wollte. Ich schüttelte mich kurz. 

Ich sah vermutlich zu getroffen aus und wirkte nicht als hätte ich seine Worte nur im Unterbewusstsein wahrgenommen. Er schaute schon skeptisch und leicht verdattert. Reiß dich zusammen Pru, ermahnte ich mich. Doch erst Steves Worte katapultierten mich wieder in die Realität „Pru du siehst leicht blass aus." Ich musste hier raus. Vielleicht sollte ich auch Denver hinter mir lassen. Es war eine Katastrophe, dieser erste Arbeitstag.

„Ich werde jetzt besser gehen." Brachte ich geistesabwesend zustande. Ich durfte nun nicht auffallen. Krampfhaft versuchte ich mich zusammen zu reißen, während seine Stimme in meinem Kopf nachhalte.

Jeder Zelle meines Körpers widerstrebte es nun einfach abzuhauen. In meinem Kopf hallte es weiter. Seine Stimme macht mich beinahe berauscht. Als ich die Tür des Dinners aufgezogen hatte, strömte mir frische Luft entgegen. Das half mir wieder einigermaßen klare Gedanken zu fassen. Kaum war ich auf der Straße merkte ich wie ich leicht anfing zu zittern. Mein Körper war angespannt. Mit jeder Faser wachsam. War das gerade wirklich passiert?

„Fuck." Fluchte ich leise. Dann fing ich an zu laufen. Weg von diesem Dinner. Wieder wurde mir die Bedeutung des gerade erlebten ins Bewusstsein gerufen. „Fuck." Schimpfte ich nun etwas lauter, mittlerweile hatte ich ein gutes Stück Strecke zurück gelegt. Dieser Kerl sollte mein perfektes Gegenstück sein? Der Eine mit dem ich für immer glücklich sein konnte? Die ganze Sache musste wohl ein schlechter Witz sein.

Ich beschleunigte meinen Schritt um möglichst viel Abstand zwischen mich und Victor zu bringen. Ein schlechter Scherz. Das ganze konnte doch nicht wahr sein. „Fuck. Fuck. Fuck." Brüllte ich nun meine Frustration heraus, und ließ mich nicht von dem Paar abschrecken, dass mich schockiert musterte. Ich wollte nur noch nach Hause.

Mit etwas mehr Vorsicht, tat ich nun bewusst was ich seit Jahren vermutlich eher unterbewusst getan hatte. Im Moment wollte ich meine Ruhe. Niemand würde mich für die nächsten Stunden finden.

Persuading PrudenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt