Im Mittelpunkt

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Point of View Prudence


Eigentlich sollte ich glücklich sein. Holly hatte eine super Party organisiert. Woher sie das Geld hatte, wollte ich aber ehrlich gesagt, gar nicht wissen. Unsere Familie war nicht arm, sie war eher normal oder mittelständisch, je nachdem wie man es betrachtete. Da war nichts mit großem Geld. Zumindest bei dem Teil der ehrlicher Arbeit nachging.

Doch eigentlich war es mir egal, wie Holly an Geld kam. Holly war noch nie hochanständig gewesen, sie trickste gerne. Früher fanden Valour und ich dass nicht schlimm. Die kleinen Jugendsünden, und der Genuss seine Fähigkeit auch mal in aller Öffenlichkeit zu verwenden ohne entdeckt zu werden, irgendwie hatte die ganze Sache einen Reiz.

Und Holly konnte mit ihren Fähigkeiten schon immer alles erreichen, was sie wollte. Also sollte ich einfach genießen, was war schon dabei.
Niemand erwischte Holly je. Niemand. Jemals.

Außerdem hatte ich mir insgeheim vorgenommen mich zu besaufen, sowas tat ich normalerweise nie. Aber ein bisschen lockerer zu werden, das konnte doch nicht schaden, oder?

Als ich am frühen Abend das Appartement mit Holly betrat war ich schon etwas erschüttert. Ich dachte es würde eine kleine Party werden. Doch stattdessen trudelten nach und nach immer mehr Menschen ein, die ich nicht kannte. Ich war beinahe erleichtert als Steve auftauchte. Er war der einzige auf der Party den ich wirklich kannte. Alle anderen waren grobe Bekannte oder völlig Fremde.

Es war deprimierend, ich hatte niemanden in Denver, den ich auf die Feier hätte einladen können. Ob Holly wollte dass mir das vor Augen geführt wurde? Doch Zeit um viel zu überlegen hatte ich nicht. Holly hatte den Abend gut geplant. Sie ließ mich nicht aus dem Auge und schleppte mich, mehr oder weniger, hinter sich her.

Holly hatte definitiv ihren Spaß, und irgendwie war es ansteckend ihr Lachen. Ich merkte dass ich lockerer wurde. Als Holly merkte dass ich Steve beobachtete, der etwas verloren an der Bar stand, zog sie mich sogleich zu ihm.

>>Es gibt Typen die sehen weitaus schlechter aus, und ich seh dass du ihn magst. Außerdem wer spart sich heutzutage noch für seinen Seelenspiegel auf, ich will sehen dass du heute Spaß hast. Damit ich später guten Gewissens selber Spaß haben kann.<<

Ich schauderte kurz, weil mein Seelenspiegel im Moment vermutlich nur wenige Kilometer entfernt war. Holly durfte diese klitzekleine Kleinigkeit nicht mitbekommen.

Als wir bei Steve ankamen lächelte Holly, ihr Lächeln dass Männer schwach werden ließ. Verdammt wusste sie was sie da tat? Ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Steve schaute aus irgendeinem Grund nun sehr eingeschüchtert. "Hallo. Steve, oder?" Steve nickte stumm.

Noch während ich perplex starrte, hatte sie drei Drinks vor sich auf dem Tresen stehen.
Bald wurde klar, Holly wollte mich gerade wirklich abfüllen, und Steve gleich mit.Es dauerte nicht lange da, war mein guter Vorsatz mir richtig die Kante zu geben verflogen. Ich wollte bei einiger Maßen klaren Sinnen sein, warum konnte ich nicht erklären.

Ich gab dem Barkeeper in einem unbeobachteten Moment zu verstehen dass ich nur noch Cola, und kein Alkohol mehr wollte. Währenddessen war Steve nach gut 2 Stunden mit mir und Holly an der Bar nicht mehr zu retten. Der Arme Kerl war sowas von voll.

>>Ich frag mich ja ehrlich ob dass so noch was wird. Du bist verdammt nochmal geizig mit Reizen, und den richtigen Signalen. Aber du bist verdammt prüde. Ich dachte, ich könnte dich wenigstens knutschend sehen.<<

Holly grinste mich frech an, und verzog unauffällig das Gesicht als sie Steve in sein Glas starren sah.

>>Okay, wir haben ihn total abgefüllt!<<

Als ich sie angrinste und meinen Schluck Cola leerte, klingelte das Handy von Steve. Er brauchte mehrere Anläufe bis er es aus seiner Jackentasche hatte.
Der Reißverschluss war dabei das Hindernis. Etwas zu angestrengt für meinen Geschmack versuchte er auf dem Display den Anrufer zu erkennen, -Victor- zeigte das Handy an.

Bevor Steve abnehmen konnte, erklärte ich Holly resigniert. "Arbeitskollege." Sie nickte und genau in dem Moment in dem Steve abnahm hatte Holly schon Kund gegeben. "Ich will deine Kollegen kennen lernen. Außerdem hab ich Steve vorher schon gesagt er soll noch Leute einladen."

Ich zuckte mit den Schultern es war mir egal, oder sollte es wohl besser. Diese Party war zwar für mich, aber sie stand trotzdem unter Holly's Herrschaft. Und den kurzen Wortfetzen zu urteilen ließ Victor nur durchblicken dass er kam. Ohne ein Wort stand ich auf. Holly schaute mich wütend an. "Bleib doch hier." Ich ignorierte sie.

Ich wollte nicht mehr hören, ich wollte 10 Minuten für mich, und lief kurzerhand Richtung Balkon. Doch auf halbem Weg hatte mich Holly schon eingeholt. Sie griff mich grob am Arm und drehte mich somit. Ich schaute direkt in ihre wütenden Augen.

>>Hör auf so eine Spielverderberin zu sein. Die ganze Sache passt dir nicht das merk ich. Aber reiß dich mal zusammen. Und vor allem hör auf vor mir wegzurennen. Und red mal richtig mit mir. Ich will wissen mit was für Leuten du deinen Alltag verbringst, der es offenbar wert ist dich von der Familie fernzuhalten. Ist es der Job? Dein Umfeld? Was kann ich dir nicht bieten? Was können wir dir nicht bieten, was du hier hast? Du bist so naiv. Du bist ein Savant. Kein frommes Schoßhündchen für die Polizei.<<

Das Klirren in meinem Kopf wurde unerträglich, weil die Telepathie die Holly anwandt von Wut durchtränkt war. Eine Träne ran aus meinem Augenwinkel, den es fing an.

Kleine Stich von der Stelle aus, an der sie meine Haut berührten. Tausende kleine Stich die eigentlich keine waren ranken sich meinen Arm nach oben. Ich wusste nur ich konnte sie fühlen. Meine Nervenenden schmerzten. Und die Intensität nahm nicht ab. Es breitete sich sogar über meinem ganzen Körper aus. Und ich konnte das leise Wimmern nicht länger unterdrücken. Mit diesem Geräusch lies Holly wie elektrisiert meinen Arm los. Sie stand nun 20cm von mir entfern, ihre Arme schlaff an ihrem Körper herabhängend. Sie senkte traurig den Blick.

>>Entschuldigung das wollte ich nicht. Ich bin wohl etwas zu impulsiv.<<

>>Schon gut, wir sind was wir sind. Ich hab es verstanden.<<
Sie betrachtete mich reumütig.

>>Ich denke die Szene passt nicht so gut in den Abend.<<
Mir war klar was sie tun würde bevor ich Protest einlegen konnte.
Einen kurzen Moment wurde mir schwindlig, aber Holly hatte mich schon fest im Arm.
Ich kniff die Augen zusammen. Als ich sie aufschlug schaute ich in das strahlende Gesicht meiner Cousine. Etwas benommen blinzelte ich. Doch sie grinste nur.

"Der Alkohol wirkt wohl. Lass uns besser jetzt tanzen, bevor dir noch schlecht wird oder du nicht mehr Tanzen kannst." Ich schaute sie verwirrt an. Was war passiert? Sie lächelte und ich lächelte nun zurück. Es war ein so ehrliches Lächeln.

Ergeben trottete ich auf die Tanzfläche, mit dem Gefühl das mir etwas entgangen war. Doch die Musik lenkte mich ab, und ich hörte auf über dieses wage Gefühl nachzudenken. Es kam eine fröhliche Melodie, die mich in bessere Laune versetzte. Mitte zwischen den andereren Tanzenden blieb Holly stehen.

Ausgelassen fing sie an sich zu bewegen und steckte mich mit ihrer Laune an. Sie grinste mich an, und machte einige sehr schöne Tanzbewegungen. Der fröhliche Rhythmus nahm mich gefangen und ich fing ebenfalls an meine Füße langsam zu bewegen.

Holly war eins dieser Mädchen, das auf jeder Tanzfläche auffiel. Sie konnte sich immer schon gut in Szene setzen. Ihr Lächeln wenn sie einige spaßiger Bewegungen machte, steckte an. Ich fühlte mich abermals an die Discoabende mit Vale und ihr zurück versetzt. Ließ mich mitziehen von der Musik und ihr. Es hatte etwas seltsames als ich nach einigen weiteren Songs, die Augen schloss und mein Körper wie von selbst, der Musik folgt. Ich fühlte mich losgelöst und frei. Es war ein gutes Gefühl.

Es war verrückt, ich fühlte mich wie als ich 21 war. Zu dritt von einer Party auf die nächste, eine zeitlang jedes Wochenende. Betrunken, glücklich und Ohren die von der Musik schmerzten oder nachdröhnten. Und auch jetzt dröhnten meine Ohren und meine Beine waren erschöpft, aber ich war dennoch zu aufgedreht, um zur Ruhe zu finden. Es war ein Moment in dem ich gedankenverloren an gute alte Zeiten dachte. An Valour und an mich. Ich holte einmal tief Luft. Wir waren nun sicher eine Stunde nur am Tanzen. "Ich brauch ne kurze Pause, Holly." Sie nickte, aber tanzte weiter.

>>Du weißt dass ich immer auf dich aufpassen werde, und dir niemals etwas böses wollen würde.<< Teilte mir meine Cousine mit. Ich ließ es unkommentiert und warte ob sie noch etwas zu sagen hatte. Ich wusste dass sie mich wie eine Schwester liebte.

Doch plötzlich fing eine Melodie an die mich in einen Abgrund stürzte. Holly schien ebenfalls in ihrer Bewegung zu erstarren. Die fröhliche Melodie ließ mich frösteln und ich schloss die Augen um die aufkommenden Tränen zurückzuhalten.

Valour's Lieblingssong. Daylight.

Ich holte tief Luft und ließ die ersten Zeilen wirken. Wieso kam dieser verdammte Song jetzt, wo ich eine einigermaßen gute Stimmung gehabt hatte?

>>Warum will mir nicht richtig der Zusammenhang kommen?<< Fragte mich Holly stumm nach einer Weile.

>>Daylight. Du weißt schon, Valour stand auf den Song. Sie hat mit Markus zum ersten Mal zu diesem Lied getanzt. An dem Abend als sie sich kennenlernten.<<

Ich konnte Holly nicht anschauen, nicht jetzt. All der Schmerz den ich mühsam vergraben hatte kam wieder. Ich mochte den Song früher auch, bevor Vale ihn mit Markus fest assoziert hatte. Jetzt stand er für mich mehr für den Verlust.

Etwas perplex blieb ich noch stehen. Lauschte den schönen Strophen.

>>Meine Füße tun weh, lass uns eine Pause machen.<< Meine Laune war etwas gedrückt. Holly nahm meine Hand und zog mich zu einer Sitzecke.

Um etwas Abtand zu gewinnen, setzte ich mich erschöpft auf eine Sitzecke etwas abseits. "Ich brauch einen Moment, kannst du nach Steve sehen oder nach sonst wem?" Eine Augenbraue von Holly hob sich kritisch. Aber sie drückte mir einen Kuss auf die Wange und ging.

>>Es braucht Zeit.<< Erklang in meinem Kopf.

Als Holly gegangen war konnte ich nicht länger sitzen bleiben. Das Sitzen tat nicht gut.
Unschlüssig lehnte ich mich an eine Wand. Nach einigen Minuten des Grübelns, lenkte mich etwas ab. Mein Blick flog wie von selbst zu Victor. Er war gekommen. Das hatte noch gefehlt. Aber er sah gut aus. Sehr hübsch in seinem Anzug.

Ich musterte ihn von oben bis unten. Er bemerkte meinen Blick und lächelte mich erstaunlich freundlich an. Ich lächelte wie von selbst zurück. Aber nur für den Bruchteil einiger Sekunden. Nein das sollte ich nicht tun, ich flirtete doch nicht etwa? Um klar zu werden schüttelte ich mich, während in meinen Ohren noch die Melodie von Daylight nachhallte.

Ich bemerkte Holly, die vor mich getreten war, erst als sie einen Arm um meine Taille legte. >>Bist du erstarrt? Oder was gaffst du an?<<

Ihr Blick folgte meinem und ich merkte dass ich einen Fehler begangen hatte. Schnell schaute ich weg. Doch es war zu spät. Sie musterte Ihn schon. Etwas Freches trat in ihre Augen. Das hatte nichts gutes zu bedeuten.

>>Dein FBI-Kollege nehm ich an? Wirklich ein hübscher Kerl. Für einen Menschen durchaus passabel.<<
Ich schaute etwas perplex. Beinahe unverschämt musterte sie meinen Kollegen.

>>Er ist hoffentlich nicht vergeben.<<
Wie von selbst schüttelte ich den Kopf. Ob auf ihre Frage, oder aus Widerwillen und Unglauben zu dem was folgen würde, war mir nicht ganz klar. Aber Holly interpretierte, es auf seinen Beziehungsstatus.

>>Naja scheint als könnte ich heute Nacht doch noch ein bisschen mehr Spaß haben.<<

Meine Miene entglitt mir. Mir war klar was sie vorhatte. Aber es so zu hören.

>>Für ein bisschen Spaß wird der sicher zu haben sein. So wie der aussieht.<< Doch bevor Holly meiner Miene etwas ablesen konnte schaute ich starr nach vorne. Ich wollte Victor nicht. Sollte Holly ihn doch haben. Spätestens morgen hätte sich alles eh wieder erledigt.

>>Sicher doch.<< Meinte ich resigniert.

>>Gut dann stell mich mal offiziell vor Cousinchen.<<

Wie in Schockstarre stellte ich die beiden also einander vor. Was passierte spielte sich wie in einem Film ab. Nett lächeln, keine Miene verziehen. Alles passierte wie automatisch. Erst als ich mich mit der Ausrede mir etwas zu trinken zu holen verabschiedete, wurde mir klar was ich getan hatte.

Persuading PrudenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt