»Willst du noch etwas trinken?«, fragte Sophia mich und ihre Augen glitzerten. Eigentlich hatte ich genug getrunken. Abwartend sah sie mich an, aber ich bekam keinen Ton heraus. Würde ich jetzt noch mehr trinken, konnte ich für nichts mehr garantieren. Plötzlich lief meine beste Freundin einfach los und steuerte den Tresen an. Hatte ich ihr geantwortet? Nein, oder? Ich wusste es nicht. Sie redete mit dem Barkeeper und ich blieb wie angewurzelt stehen. Alles drehte sich. Die frische Luft hatte mir gerade endgültig den Rest gegeben, aber als Sophia mit zwei Cocktails auf mich zukam, wollte ich keine Spielverderberin sein, denn immerhin hatte sie diese bezahlt und Cocktails waren nicht gerade günstig. »Hier, auf unsere tolle Freundschaft«, rief sie und stieß ihr Glas gegen mein Glas, sodass es laut schepperte. Mir wurde noch flauer im Magen. Ich fühlte mich wie eine verdammte Verräterin, doch zwang mich zu einem Lächeln.
Vorsichtig zog ich einmal am Strohhalm und ich hatte das Gefühl, dass der fruchtige Cocktail etwas säuerlich schmeckte. Meine Geschmacksnerven spielten mir anscheinend einen Streich. Sophia griff nach meiner Hand und wir schlängelten uns durch die Menschen, bis wir unseren Tisch erreichten. Leon sah auf und seine Augen funkelten, als sich unsere Blicke trafen. Ich seufzte innerlich. Bitte verliebe dich nicht in mich. Ich bin nicht gut für dich. Ich kann deine Gefühle nicht erwidern, weil ich nur meine Lehrerin im Kopf habe und anscheinend ganz schön verkorkst bin. Ich schickte ihm stumm diese Worte und er runzelte die Stirn. Schnell setzte ich mich weit von ihm entfernt hin und zog erneut an meinem Strohhalm. Er wandte den Blick wieder ab. Ich betrachtete ihn von der Seite, aber schüttelte dann den Kopf und konzentrierte mich auf Sophia, die sich gerade mit Caro unterhielt. Ich nahm den Inhalt des Gesagten nicht wahr, sondern sah nur, wie sich ihre Lippen bewegten. Ich fühlte mich, als wäre ich in einer Blase gefangen. Ich nippte einfach weiter an meinem Cocktail, doch einen Rest ließ ich im Glas. Wenn ich noch einen einzigen Schluck trank, musste ich mich übergeben.
»Willst du den austrinken?« Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, das von der Musik lautstark übertönt wurde und ich hatte niemanden direkt angesprochen. Es kam mir einfach über die Lippen. Mir fehlte die Kraft und ich konnte nicht lauter sprechen. Es wurde mir wieder alles zu viel und ich wollte nur weg. Raus aus dieser Bar. Weg von diesen Menschen, obwohl sie mir nichts getan hatten. Ich stellte das fast leere Glas ab, stand auf und ging mit meiner Jacke in Richtung Ausgang. Die Musik dröhnte in meinen Ohren. Mein Mund war völlig trocken und ich ärgerte mich, dass ich mir kein Wasser für zwischendurch bestellt hatte. Aber nun war es zu spät. Plötzlich hielt mich jemand am Arm zurück. »Wo willst du hin?«, schrie Sophia mir zu und schwankte leicht. Ich konnte sie nur anstarren und deshalb schob sie mich nach draußen. Als die Tür zufiel, spürte ich den Bass der Musik noch immer überall am Körper. »Was ist los?« Ihre Stimme drang nur schwach zu mir durch. »Ich... Ich will einfach nur nach Hause«, presste ich hervor und schluckte den Kloß im Hals hinunter, der sich soeben gebildet hatte. »Soll ich dich begleiten?« Ich schüttelte schnell den Kopf, was absolut keine gute Idee war. Mir wurde ganz schwindelig.
»Nein, ich schaffe das alleine. Brauche nur etwas frische Luft. Alles in Ordnung.« Ich merkte alleine, wie sehr ich lallte und die Worte nicht mehr richtig aneinanderreihen konnte. Aber ich wusste auch, dass Sophia davon sowieso nichts mehr mitbekam, denn sie war ebenfalls betrunken. Sie umarmte mich fest und flüsterte: »Ok, dann komm gut zu Hause an.« Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange und mich plagte mein schlechtes Gewissen. Als ich mich umdrehte und durch die Straßen irrte, liefen heiße Tränen über das Gesicht. Was war ich nur für eine schlechte Freundin? Wie konnte ich sie so belügen? Irgendwann konnten meine Beine mich nicht mehr tragen. Ich spürte Selbsthass in mir aufsteigen und brach mitten auf dem Weg zusammen. Meine Knie schlugen hart auf, aber das spürte ich nicht. Erst morgen würde ich sicherlich die Konsequenzen sehen und tragen müssen. Ich wollte diese Freundschaft auf keinen Fall auf das Spiel setzen, nur weil ich einer unerreichbaren Schwärmerei nachhing, bei der ich mir gar nicht sicher war, ob es überhaupt eine Schwärmerei war.
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Mitten ins Herz || txs
RomanceAls Lisas Schule schließt, muss sie auf die Schule ihrer besten Freundin Sophia wechseln, um dort ihr Abitur zu machen. Diese erzählt seit Wochen nur noch von ihrer Mathe- und Physiklehrerin Frau Vogel, in die sie sich anscheinend mächtig verknallt...