Kapitel 23

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Ich fühlte mich plötzlich fürchterlich eingeengt. Es war, als fehlte mir die Luft zum Atmen. Als würde jemand sein ganzes Gewicht auf meinen Oberkörper verlagern und mich erdrücken. »Ist alles in Ordnung?«, fragte Sophia mich panisch und wir lösten uns aus der Umarmung. Ich winkte ab. Ich brauchte nur etwas frische Luft. Ich rannte zum Fenster und riss es auf. Kalter Wind peitschte mir in das Gesicht, aber ich sog die Luft gierig ein. Mein Körper war ganz schlapp und ich musste mich am Fensterrahmen abstützen, um nicht umzufallen. War es wirklich die richtige Entscheidung gewesen, mich mit ihr zu versöhnen? Gerade heute? Ja, ich war eigentlich unendlich froh, dass sie den ersten Schritt gemacht hatte. »Ist alles ein bisschen viel«, murmelte ich und sie stimmte mir leise zu. »Jaaaa. Ich weiß.«

Mein Herz hämmerte wild. Ich war so durcheinander. Der Tag hatte es echt in sich. Wie sollte das alles nur weitergehen? Ich musste abwarten, was die Zeit mit sich brachte, aber das war nicht einfach. Ganz und gar nicht. Nach einer Weile beruhigte sich mein Körper wieder etwas und ich setzte mich zurück zu Sophia. »Ich wünsche mir wirklich, dass wir das wieder hinbekommen«, brachte ich hervor und ich meinte es auch so. Nur wusste ich nicht, wie ich Vanessa und Sophia unter einen Hut bringen sollte. Ich konnte nicht mit Vanessa zusammen sein, ohne meine beste Freundin zu verlieren. Und außerdem wusste ich gar nicht, ob Vanessa das wollte. Nur, weil sie sich zu mir hingezogen fühlte, hieß das noch lange nichts. Aber ich konnte auch nicht mit Sophia befreundet sein und meine Lehrerin vergessen. Ich bekam diese Frau nicht aus meinem Kopf. Ganz egal, wie sie sich entscheiden würde.

Ich wusste, dass es nicht fair war von mir, Sophia diese große Sache mit dem Kuss zu verheimlichen. Aber was sollte ich tun? Ich konnte ihr davon nichts erzählen. So sehr es mir auch auf der Zunge brannte. Konnte ich sie jemals wieder normal behandeln? Ständig hatte ich im Hinterkopf, dass wir Gefühle für die gleiche Frau hatten. Würden wir untereinander still und heimlich einen Konkurrenzkampf führen? Das wollte ich nicht. Das war nicht ich. Ich wusste nicht, wie die Zukunft aussah und das machte mir Angst. »Lisa?«, fragte Sophia und sah mich eindringlich an. »Hm?«, fragte ich gedankenverloren und sie musterte mich. »Ich glaube, ich lass dich jetzt erst einmal alleine, wenn du soweit fit bist. Wir müssen das beide erst einmal sacken lassen, schätze ich.« Zustimmend nickte ich. »Ich bin froh, dass wir darüber sprechen konnten«, ergänzte sie und stand auf.

Mit noch immer wackeligen Beinen brachte ich sie zur Tür. Etwas unbeholfen umarmten wir uns und als die Tür ins Schloss fiel, atmete ich endlich wieder auf. Es war, als hätte man mir das schwere Gewicht wieder von meiner Brust genommen. Ich fühlte mich befreiter. Lebendiger. Für einen Moment blieb ich im Flur stehen, dann ging ich nach oben in mein Zimmer. Emma schlängelte sich um meine Beine und miaute mich an. »Ich glaube, ich sitze ganz schön in der Zwickmühle«, vertraute ich ihr an und sie blickte mich nur an und befeuchtete ihre Pfote, um sich hinter dem Ohr zu putzen. Was würde ich manchmal dafür geben, eine Katze sein zu dürfen. Katzen mussten sich mit diesen Problemen nicht auseinandersetzen. Deren einziges Problem war, dass das Futter leer war und sie mal zwei Stunden nichts zu essen bekamen. Als würden sie direkt verhungern.

Ich legte mich auf das Bett und Emma folgte mir. Sie stupste mit ihrem kleinen Näschen gegen meinen Arm und forderte mich damit auf, sie zu kraulen. Ich konnte ihr diese Aufforderung nicht abschlagen. Gedankenverloren kraulte ich sie und sie schnurrte zufrieden. In mir breitete sich eine innere Unruhe aus und damit war ich komplett überfordert. Ich kannte das nicht von mir. Es war die richtige Entscheidung gewesen, mich mit Sophia zu versöhnen, doch trotzdem fühlte es sich nicht zu einhundert Prozent so an. Ich hatte Angst, dass ich einen Fehler machte. Wir konnten nicht mehr so unbeschwert miteinander sprechen, jedenfalls nicht über Vanessa, und das setzte mir zu. Vor einigen Wochen noch war es das Thema bei uns gewesen, weil Sophia nur mich eingeweiht hatte. Aber wie sollte das werden? Würden wir trotzdem über sie sprechen? Das wäre doch ziemlich sicher unangenehm für beide Seiten. Argh.

Mitten ins Herz || txsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt