Kapitel 37

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Wir telefonierten noch einen Moment, aber als wir auflegten, fühlte ich mich erschlagen. Abgekapselt von der Welt. Meine Gedanken rasten und in meinem Kopf arbeitete es. Es musste Eric gewesen sein. Eine andere logische Erklärung gab es für mich nicht, aber konnte ich die ganze Sache überhaupt neutral betrachten? Oder schob ich ihm einfach die Schuld in die Schuhe, obwohl er unschuldig war? Nein. Ich war mir sicher. Doch konnte ich diese Bedenken gegenüber Vanessa äußern? Plötzlich wurde ich wütend. Warum hatte sie nur so viel Pech? Ich wollte, dass sie glücklich war, aber stattdessen kamen immer wieder neue Probleme dazu. Ich hoffte, dass ihre Oma auch weiterhin stabil bleiben würde. Ich wusste, wie viel sie Vanessa bedeutete. Das durfte Eric, dieser abscheuliche Mensch, ihr nicht nehmen. Dafür würde ich höchstpersönlich sorgen.

In dieser Nacht fand ich nur schwer in den Schlaf. Ich war innerlich aufgebracht und immer wieder musste ich an Eric denken. Und an Vanessa. Sie war die Frau, die ich liebte. Mit der ich zum ersten Mal geschlafen hatte. Ein angenehmes Kribbeln mischte sich zu den negativen Gefühlen und das brachte mich nur noch mehr durcheinander. Alle 20-25 Minuten sah ich auf die Uhr, nickte immer wieder mal ein. Doch die Tiefschlafphase erreichte ich nicht, was man mir beim Aufstehen auch anmerkte. Ich fühlte mich schlecht und wenig erholt. Als hätte mich jemand angefahren und am Straßenrand liegen gelassen. Einfach nur platt. So startete der Tag doch gut. Nicht. Ich konnte mich nur schwer aufraffen. Meine Gliedmaßen schmerzten und meine Augen brannten höllisch.

Am Frühstückstisch blickten meine Eltern mich besorgt an. »Was ist los, Lisa?«, fragte meine Mama zaghaft und richtete ihre volle Aufmerksamkeit auf mich. Ich wollte sie nicht anlügen, deshalb entschied ich mich für die Wahrheit. »Vanessas Oma liegt im Krankenhaus.« Sie sog scharf die Luft ein und sah mich abwartend an. »Sie hatte einen Unfall. Sie wurde anscheinend geschubst. Vanessa meinte, sie sei stabil, aber ich mache mir trotzdem Sorgen.« Mitfühlend streichelte sie über meinen Handrücken. »Das verstehe ich. Aber wie meinst du das? Sie wurde geschubst?« Ich presste die Lippen aufeinander. Meine Vermutung behielt ich für mich. »Das sagt sie jedenfalls. Ich weiß auch nicht genau, was wirklich passiert ist. Vanessa ist auf einer Weiterbildung, aber kommt heute zurück. Danach bin ich schlauer.« Damit ließen wir das Thema ruhen, aber Nahrung konnte ich trotzdem nicht aufnehmen. Mein Magen rebellierte.

Als ich im Bus saß, hatte Vanessa mir geschrieben. »Guten Morgen, ich fahre jetzt los und werde in einigen Stunden wieder zu Hause sein. Ich fahre dann ins Krankenhaus. Wollen wir uns danach vielleicht sehen?« Mein Herz machte einen Aussetzer. Wir würden uns heute noch sehen? Ich wusste, dass es total unangebracht war, aber ich musste trotzdem kurz lächeln. »Ja, natürlich. Melde dich, wenn du soweit bist«, schrieb ich zurück und konnte es kaum erwarten, sie in die Arme zu schließen. Sie durchlebte gerade eine schwierige Phase und ich wollte für sie da sein. Und ich musste zugeben, dass ich ihr ganzes Gesicht mit meinen Küssen überdecken wollte. Ich konnte nicht leugnen, dass auch ein kleiner Funken Eigennutz dahintersteckte. Aber das rückte selbstverständlich in den Hintergrund. Das konnte ich hoffentlich noch für den Rest meines Lebens machen.

Sophia nahm mich in der Schule kurz zur Seite und sprach mich an. Sie wollte wissen, was los war, aber ich konnte es ihr nicht sagen. Wie auch? Wie sollte ich das, was Vanessa und ich taten, auch rechtfertigen vor ihr? Ich täuschte vor, starke Kopfschmerzen und schlecht geschlafen zu haben. Ich ging nicht davon aus, dass sie mir glaubte, aber das war mir in diesem Moment total egal, obwohl es eigentlich sogar stimmte. Ich hatte schlecht geschlafen und Kopfschmerzen hatte ich auch. Mir war bewusst, dass ich unsere Freundschaft total vernachlässigte und so ein Mensch wollte ich nie sein, aber es war aktuell alles so kompliziert und ich hoffte, dass bald alles wieder besser werden würde. Meine beste Freundin erzählte mir mit einem breiten Lächeln von Isabelle, nachdem sie nicht weiter nach meinem Befinden fragte. Sie würden sich heute wieder treffen und ich war insgeheim froh darüber. So würde sie weniger an Vanessa denken und vielleicht irgendwann akzeptieren können, dass wir ein Paar waren, wenn wir es öffentlich machten.

Mitten ins Herz || txsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt