Kapitel 27

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Den Rest des Unterrichtes sprachen Sophia und ich kein Wort mehr miteinander. Jeder hing seinen Gedanken nach und das war wohl auch besser so. Ich versuchte, mich zu sortieren. Es wollte mir nicht so richtig gelingen und ich atmete erleichtert aus, als die Klingel den Schulschluss ankündigte. Ich warf meine Sachen in die Tasche und machte mich auf den Weg zum Bus. Sophia hatte aufgeholt, sie war mir nachgelaufen. »Hey Lisa, warte mal«, rief sie zurückhaltend und ich verlangsamte meine Schritte und drehte mich um. »Viel Spaß mit Marie heute Abend.« Sie grinste mich verunsichert an und ich bedankte mich bei ihr. »Bis morgen dann.« Dann stieg ich ein und fuhr nach Hause. Ich musste bei Sophia aufpassen. Wenn sie herausfand, was zwischen Vanessa und mir war, würde es herauskommen. Und welche Folgen das hatte, daran wollte ich gar nicht denken. Ich lehnte meinen Kopf gegen die kühle Scheibe. Ich bekam leichte Kopfschmerzen, die ich gerade nicht gebrauchen konnte. Ich würde etwas schlafen, bevor ich heute Abend loszog.

Zu Hause aß ich eine Kleinigkeit und legte mich anschließend ins Bett. Ich stellte mir meinen Wecker auf 17:30 Uhr. Dann konnte ich noch in Ruhe duschen gehen und Abendbrot mit meinen Eltern essen. Mein Schlaf war unruhig und ich träumte wirres Zeug. Irgendetwas von einem Flugzeug unter Wasser. Aber der Pilot war kein Mensch, sondern ein Kugelfisch, der chinesisch gesprochen hatte. Jedenfalls hörte es sich so an. Als ich erwachte, musste ich ungläubig den Kopf darüber schütteln. Was produzierte das Gehirn da nur für Dinge? Ich blieb noch weitere zehn Minuten liegen, bevor ich aufstand. Mit einem Gähnen griff ich nach meinem iPhone und öffnete Vanessas Chat. Ich las ihre Nachricht von letzter Nacht erneut und klickte ihr Profilbild an, nur um es die ganze Zeit anzustarren. War das normal? Als ich es zur Seite legte, ging ich duschen. Ich schäumte mich ausgiebig ein und freute mich auf den Abend mit Marie. Endlich mal wieder etwas mit ihr quatschen und Cocktails schlürfen.

In der Küche erzählte ich meinen Eltern von meinen Plänen. »Soll ich dich fahren?«, fragte mein Papa mich und ich erwiderte: »Das wäre toll. Zurück komme ich aber zu Fuß, da musst du nicht noch einmal extra losfahren. So weit ist es ja auch nicht.« Kurze Zeit später starteten wir und pünktlich um 19 Uhr setzte er mich vor der Bar ab. »Viel Spaß euch, grüß Marie von mir«, rief er mir noch hastig nach, als ich die Tür des Autos etwas zu laut zuknallte. Ich musste nur zwei Minuten warten, dann kam meine Freundin auch schon um die Ecke. Schon von Weitem grinste sie mich an und zur Begrüßung umarmten wir uns. »Es ist so schön, dich zu sehen«, freute sie sich und auch ich freute mich. Wenn ich ehrlich war, hatte ich in den letzten Tagen nicht an sie gedacht, weil ich mit Vanessa und Sophia ziemlich ausgelastet war, aber merkte jetzt, dass ich sie doch ganz schön vermisst hatte.

»Liebe Grüße von Papa«, bestellte ich ihr und sie nickte grinsend. Wir betraten die Bar und suchten uns einen schönen Tisch aus. Nachdem wir uns gesetzt hatten, bestellten wir die erste Runde Cocktails. Für mich gab es einen mit Alkohol, für Marie einen ohne. Sie musste später noch fahren. Ich entschied mich für einen Pina Colada. Als der Kellner uns die Getränke brachte, forderte Marie mich auf: »Nun erzähl doch mal. Wie ist die neue Schule?« Ich überlegte. »Sie ist toll. Ich bin über den Wechsel ziemlich froh, nur leider ist es mit Sophia und mir momentan etwas schwierig.« Irritiert sah sie mich an. »Warum denn das?«, hakte sie schließlich nach und ich wusste nicht so recht, wie viel ich ihr erzählen sollte. Ich wollte nicht schon wieder über Sophias Gefühle sprechen. »Ich weiß auch nicht«, sagte ich nur. »Vielleicht tut es uns nicht so gut, wenn wir den ganzen Tag zusammen sind.« Sie gab sich mit der Antwort zufrieden. »Wie läuft es denn bei dir?« Sie erwiderte: »Ganz ok. Es sind ja zum Glück viele mitgekommen, aber die Lehrerinnen und Lehrer sind teilweise echt ätzend.« Ich musste grinsen und dachte daran, dass ich da wohl mehr Glück hatte.

Wir schnatterten eine ganze Weile und bestellten uns Tortilla Chips mit Mozzarella Sticks, die wir uns schmecken ließen. Es war ein entspannter Abend und ich musste kaum an Vanessa denken. Für eine Weile war sie mal nicht in meinem Kopf. Marie erzählte, dass sie in der Klasse jemanden kennengelernt hatte und sie bald das erste Date hätten. Ich freute mich für sie. Mit ihrem letzten Freund hatte sie unheimlich viel Pech gehabt. Er hatte sie betrogen. So ein Vollidiot. Wie konnte er ihr das nur antun? Doch schon bei dem Gedanken daran erkannte ich die Ironie meiner Gedanken. Taten wir nicht genau das Gleiche? Vanessa ging ihrem Mann auch fremd und ich tolerierte das, weil ich in sie verliebt war. Weil ich das lieber in Kauf nahm, als ohne sie zu sein. Was wir ihm damit antaten, schob ich immer wieder zur Seite. Auch wenn ich ihn nicht kannte, war es nicht fair. Aber die Entscheidung, es ihm zu sagen, lag nicht bei mir. Das musste sie machen.

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