Als Sophia später wieder nach Hause ging, fragte ich mich, ob ich überhaupt dazu in der Lage war, um Ratschläge zu erteilen. Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann konnte ich die ganze Sache nicht objektiv betrachten. Ich dachte an mich. Und an meine Situation. Obwohl es nicht nur um mich ging. Da hing so viel mehr dran. Seufzend erhob ich mich und lief durch das Zimmer. Auf und ab. Ich fand keine Ruhe. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich meine beste Freundin anlog, obwohl das eigentlich gar nicht der Fall war. Ich verschwieg ihr eher etwas, denn ich wusste ganz genau, wie sie reagieren würde, wenn sie von meinen Gedanken und Gefühlen in Bezug auf Frau Vogel erfuhr. Dieses Risiko konnte ich nicht eingehen.
Emma saß auf dem Boden und verfolgte meine Bewegungen mit wachsamen Augen. »Was soll ich denn nur machen?« Sie legte den Kopf schief und zwinkerte mich an. »Das ist nicht sehr hilfreich«, meckerte ich mit ihr und musste trotz allem grinsen. Ich setzte mich zurück auf das Bett, klopfte einmal kurz auf die Decke und sofort sprang Emma zu mir nach oben und ließ sich kraulen. Sie streckte sich genüsslich und ich gab ihr einen sanften Kuss auf den Kopf. An diesem Abend ging ich früh schlafen. Ich hatte genug von diesem Tag und meine Gefühle waren einfach zu gemischt. Ich wusste nicht, ob es mir gut oder schlecht ging. Ich wusste nur, dass ich kurz vor dem Einschlafen an Frau Vogels Augen denken musste und ein Lächeln über meine Lippen huschte.
Am frühen Morgen wurde ich wach. Ich starrte noch eine Weile an die Decke, bis mein Wecker letztendlich klingelte. Ich setzte mich auf und war ziemlich gut gelaunt. Die Aussicht, heute wieder mit Frau Vogel Unterricht zu haben, beflügelte mich regelrecht. Ich konnte es kaum erwarten, doch trotzdem hatte ich irgendwie Respekt davor. Wer wusste, was heute aus meinem Mund kam. Ich musste echt aufpassen, was ich sagte. Diese ständigen Gefühlsschwankungen machten mich fertig. Ich ging heiß duschen und stand dann vor dem Kleiderschrank, weil ich mal wieder nicht wusste, was ich tragen sollte, obwohl ich so viele Sachen hatte, dass der Schrank eigentlich fast platzen musste. Vor einigen Wochen war mir dort sogar schon ein Boden durchgebrochen, weil die Klamotten zu schwer waren. Daraufhin hatte ich etwas aussortiert, aber ich konnte mich nicht gut von Dingen trennen und stopfte im Endeffekt fast alles wieder hinein.
Beim Frühstück sprach ich nicht allzu viel, ich hing meinen Gedanken nach, doch dann sprach mich mein Papa an. »Willst du eigentlich mal etwas über die Schule erzählen? Bisher warst du ja sehr wortkarg«, sagte er und ich musste an das Gespräch mit meiner Mama zurückdenken, was wir vor Kurzem geführt hatten. Sie wusste, dass ich Frauen mochte, aber seitdem hatten wir kein Wort mehr darüber verloren. Nur mein Papa wusste es noch nicht. Ich wusste, dass ich es ihm irgendwann sagen musste. Das fand ich nur fair. »Die Schule gefällt mir gut. Es sind alle super lieb zu mir und im Unterricht komme ich auch gut mit«, erklärte ich und bemerkte von der Seite, wie meine Mama mich ansah. Ich blickte in ihre Richtung und wusste sofort, dass sie ebenfalls an unser Gespräch denken musste. »Das ist toll«, freute er sich und biss von seinem Brötchen ab.
Als ich einige Zeit später mit dem Bus an der Schule ankam, erwartete Sophia mich bereits. Freudestrahlend kam sie auf mich zugelaufen und umarmte mich. »Du scheinst ja ziemlich gute Laune zu haben«, bemerkte ich und mir wurde ganz unwohl dabei, weil ich ahnen konnte, dass es etwas mit Frau Vogel zu tun hatte. Schnell nickte sie. »Ich stand hier gerade und habe auf dich gewartet, da kommt Frau Vogel vorbei und bleibt stehen, um sich mit mir zu unterhalten. Und sie hat mich so schön angelächelt, hach.« Sie geriet ins Schwärmen und nun konnte ich ihre »Eifersucht« noch besser verstehen. »Und worüber habt ihr gesprochen?«, wollte ich wissen und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Ich erinnerte mich noch an die letzten Wochen, als ich Frau Vogel noch gar nicht kannte. Da hatte es mich nie gestört, wenn Sophia über sie sprach. Doch jetzt versetzte es mir einen Stich mitten ins Herz.
»Sie hat mich gefragt, wie es mir geht. Und ob ich auf jemanden warte. Ich habe ihr dann erzählt, dass ich auf dich warte. Aber weißt du, was total komisch ist?« Ich horchte auf. »Sie kam heute aus der anderen Richtung. Sonst parkt sie doch immer auf dem Parkplatz dort hinten«, erklärte sie und zeigte mit dem Finger in die Richtung. »Entweder hat sie woanders geparkt, sie kam mit dem Bus oder jemand hat sie mitgenommen.« Das war interessant. Doch ich ließ mir nicht anmerken, dass es mich tatsächlich beschäftigte, deshalb murmelte ich nur: »Wer weiß.« Sie seufzte. »Ich könnte ewig mit ihr sprechen.« Ich nickte nur, aber das fiel ihr gar nicht auf, denn sie war mit ihren Gedanken schon wieder abwesend und schwebte auf Wolke 7. Wir setzten uns in Bewegung und gingen auf das Schulgebäude zu. Dort trafen wir auf Leon und Caro. Wir umarmten uns und liefen gemeinsam zum Klassenraum.
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Mitten ins Herz || txs
RomanceAls Lisas Schule schließt, muss sie auf die Schule ihrer besten Freundin Sophia wechseln, um dort ihr Abitur zu machen. Diese erzählt seit Wochen nur noch von ihrer Mathe- und Physiklehrerin Frau Vogel, in die sie sich anscheinend mächtig verknallt...