Ich fehlte ihr auch? Mein Herz machte einen Sprung. Ich musste mich wirklich etwas entspannen und nicht direkt den Teufel an die Wand malen. Ich kam mir plötzlich so kindisch vor. Ich musste auf Vanessa Rücksicht nehmen. Auf ihre Situation. Auch wenn es nicht leicht war für mich. Ich las die Nachricht immer wieder. »Du mir auch.« Ich schaltete das Licht ein. Dann fiel mein Blick auf meine Bio-Unterlagen, die ich achtlos auf den Boden geworfen hatte. Scheiße, ich hatte kaum etwas gelernt. Ich stand so schnell auf, dass ich fast stürzte, weil meine Decke noch an meinem Bein hing, aber ich konnte mich im letzten Moment noch halten. Wow, das brauchte kein Mensch am frühen Morgen. Ich musste mir den Stoff noch schnell einprägen, denn ich wollte mir dafür keine schlechte Note einfangen. Beflügelt von ihren Worten ging es jedoch relativ schnell. Musste sie mir jetzt jedes Mal schreiben, damit ich motiviert beim Lernen war?
Würde ich sie heute sehen? Wir hatten keinen Unterricht bei ihr, aber auch das konnte mir nicht die Laune verderben. Fröhlich pfeifend ging ich in das Bad. Normalerweise verabscheute ich Menschen, die pfiffen. Das nervte mich immer total, aber ich konnte nicht anders. Als ich zum Frühstück in die Küche ging, war nur meine Mama da, die sich gerade eine Tasse aus dem Schrank angelte. »Guten Morgen, gut geschlafen?«, fragte sie und bedachte mich mit einem »Ich-weiß-alles« Blick. »Ja, ging so.« Sie betrachtete mich forschend, aber mit einem Lächeln auf den Lippen, und meinte dann: »Dafür hast du aber ziemlich gute Laune.« Ich zuckte mit den Schultern, dann fiel mir etwas ein. »Mama?« Fragend blickte sie mich an. »Wir hatten doch darüber gesprochen, dass es vielleicht besser wäre, wenn sie über Sophias Gefühle Bescheid weiß. Ich habe es ihr gesagt«, gab ich zu und sie riss erstaunt die Augen auf. »Und? Wie fühlst du dich damit?« Ja, wie fühlte ich mich damit?
»Keine Ahnung. Auf der einen Seite war es richtig, meinte Vane... Ähm, Frau Vogel. Aber auf der anderen Seite bin ich Sophia damit in den Rücken gefallen. Sie darf das nicht erfahren.« Meine Mama machte einen Schritt auf mich zu und schloss mich dann in ihre Arme. »Ich hoffe, es geht am Ende alles gut aus für dich.« Ich musste schlucken. Das hoffte ich auch. Ich konnte kein gebrochenes Herz oder eine kaputte Freundschaft gebrauchen. Gerade als wir uns setzten, kam auch mein Papa in die Küche und wir frühstückten gemeinsam. Nach dem Frühstück ging ich zurück in mein Zimmer und sah, dass Sophia mir ein Bild geschickt hatte. Als ich die Datei anklickte, wusste ich zuerst nicht, was es sein sollte. Dann erkannte ich einen Ausschnitt unseres Vertretungsplanes. Bio fiel aus, Herr Schweizer war nicht da. Dafür hatten wir Vertretung. Mir fiel fast das iPhone aus der Hand, als ich ihren Namen las. V. Vogel!
Ich würde sie also heute doch sehen. Aber fiel der Test denn jetzt automatisch auch aus? Ich machte mich fertig und lief dann zum Bus. Der Regen hatte aufgehört, aber der kalte Wind schnitt mir ins Gesicht. Im Bus war es heute Morgen sehr voll und ich ergatterte keinen Sitzplatz mehr. Genervt blieb ich also stehen und war froh, als der Bus vor der Schule hielt. Als ich ausstieg, wartete Sophia auf mich. »Guten Morgen«, begrüßte sie mich und wir umarmten uns. Ich fühlte mich wie eine Verräterin. Wie eine schlechte Freundin, aber genau das war ich doch auch, oder? »Morgen«, entgegnete ich und wir gingen zum Eingang der Schule. Unterwegs trafen wir noch auf Leon. Er fragte: »Habt ihr gesehen, Bio fällt heute aus? Wir haben Vertretung mit Frau Vogel.« Er sagte es ganz neutral, ohne Anspielungen, doch trotzdem beschleunigte sich mein Puls. »Ja, habe ich gesehen«, murmelte ich und als wir den Schulflur betraten, kam Vanessa von vorn.
Für einen Moment sah sie uns fassungslos an, doch dann riss sie sich wieder zusammen. »Morgen«, meinte sie munter und ergänzte: »Bio fällt für euch aus, wir haben Vertretung. Vielleicht könnt ihr der Klasse sagen, dass die Kontrolle trotzdem geschrieben wird.« Mein Hals war zugeschnürt, ich konnte nichts antworten. Dabei waren wir uns so nah, wenn wir alleine waren. Ich konnte über alles mit ihr sprechen, aber gerade wollten die Worte nicht über meine Lippen kommen. Leon stöhnte. »Ich dachte, mir bleibt das heute erspart.« Auch Sophia war still geworden. Vanessa lachte auf. »Leider nicht. Anweisung von Herrn Schweizer. Da kann ich auch nichts machen. Bis später dann.« Sie warf mir einen flüchtigen Blick zu und lief weiter. Ein Schauer lief mir über den Rücken.
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Mitten ins Herz || txs
RomanceAls Lisas Schule schließt, muss sie auf die Schule ihrer besten Freundin Sophia wechseln, um dort ihr Abitur zu machen. Diese erzählt seit Wochen nur noch von ihrer Mathe- und Physiklehrerin Frau Vogel, in die sie sich anscheinend mächtig verknallt...