Kapitel 19

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Nur mühselig konnte ich mich aufrichten. Mein ganzer Körper war kalt und ich hielt die Augen geschlossen. Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch plötzlich hörte ich ein Klopfen. Ich öffnete meine Augen und sah eine Gestalt vor der Tür stehen. Es war mein Papa. Zum Glück. Ich erhob mich vorsichtig. Alles drehte sich und ergab keinen Sinn. Ich wollte Sophia nicht verlieren. Sie war meine beste Freundin und ihre Reaktion brach mir das Herz. War es das wirklich wert gewesen? Diese eigentlich wunderbare Freundschaft auf das Spiel zu setzen für eine Frau, die unsere Gefühle nicht erwiderte? Aber irgendetwas war doch zwischen Frau Vogel und mir. Das konnte ich mir nicht einbilden. Oder etwa doch? Auf unsicheren Beinen ging ich zur Tür und öffnete sie.

»Was ist passiert?«, wollte er besorgt wissen, als wir Sekunden später im Auto saßen. Es war warm im Auto und ich lehnte mich im Sitz zurück und schloss für einen Moment die Augen. Ich schwieg. Was sollte ich ihm auch sagen? Als ich die Augen wieder öffnete, warf er mir einen Blick von der Seite zu und seufzte. »Ich kann verstehen, wenn du nicht mit mir reden möchtest. Aber wenn doch, dann höre ich dir immer zu. Das weißt du doch, oder?« Angestrengt nickte ich. Ich wusste, dass er immer für mich da war, aber über diese Sache konnte ich nicht mit ihm sprechen. »Ich weiß«, flüsterte ich also nur und er streichelte mir kurz über die Hand. Dann sah ich aus dem Fenster. Die Straßen flogen an uns vorbei, aber ich achtete nicht darauf. Ich war völlig in Gedanken versunken und konnte nur an das Gespräch gerade eben denken. Was würde sich nun alles verändern? Da war sie wieder: Veränderung. Etwas, mit dem ich nicht allzu gut umgehen konnte. Etwas, wovor ich auch Angst hatte. Ich wusste, sie gehörte zum Leben dazu, doch trotzdem fühlte ich mich einfach nur beschissen.

Mein Papa lenkte das Auto auf den Parkplatz und ich stieg aus. »Danke für das Fahren«, meinte ich, doch er winkte ab. »Ist doch selbstverständlich.« Als ich zurück in meinem Zimmer war, warf ich mich auf das Bett und fing hemmungslos zu weinen an. Meine Augen brannten und ich bekam Kopfschmerzen, aber das war mir total egal. Ich wollte doch nur, dass alles so war wie früher. Dass wir unsere Freundschaft nicht in Frage stellen mussten. Ich konnte verstehen, wenn Sophia Zeit brauchte. Aber würde es etwas ändern? Es traf sie sehr und auch für mich war das keine angenehme Situation. Wie sollte sie mir jemals wieder vertrauen? Wie konnte innerhalb von zwei Wochen alles so aus dem Ruder laufen? Wie war das möglich?

Irgendwann kamen keine Tränen mehr. Ich fühlte mich ausgebrannt und ausgelaugt. Mein gesamter Körper tat weh und ich fror. Selbst unter zwei Decken. Vor Erschöpfung schlief ich ein und erwachte erst wieder am Abend. Hoffnungsvoll schnappte ich mir mein iPhone, aber ich hatte keine Nachricht von Sophia. Was hatte ich auch erwartet? Ich ließ es auf die freie Bettseite fallen und schloss wieder die Augen. Ein stechender Schmerz hatte sich in meinem Kopf ausgebreitet und mein Mund war trocken. Ich griff nach einer Flasche Wasser, die neben dem Bett stand und trank einen Schluck. Das half. Als ich mich wieder zurückfallen ließ, klopfte es an der Tür. Ich wollte niemanden sehen, aber war zu schwach, um zu antworten. Deshalb betrat meine Mama das Zimmer. Ihr Gesichtsausdruck war besorgt und sie kam auf mich zu.

»Hey, ich wollte mal nach dir sehen und dich fragen, ob du irgendetwas brauchst? Hast du Hunger?« Ich schüttelte den Kopf und krächzte: »Nein, nur Ruhe.« Für einen Moment begutachtete sie mich mit einer unergründlichen Miene, dann wandte sie den Blick ab. An der Tür blieb sie noch einmal stehen und meinte: »Wenn du doch etwas brauchst, dann ruf mich bitte.« Dann war sie verschwunden und ich blieb wie ein Häufchen Elend zurück. Ich wusste, dass Sophia Zeit brauchte, doch trotzdem öffnete ich unseren Chat und schrieb: »Es tut mir so leid. Du fehlst mir.« Ich schickte die Nachricht ab und ärgerte mich darüber, dass ich sie nicht in Ruhe lassen konnte. Sie kam online und ich sah die blauen Häkchen. Meine beste Freundin las gerade meine Nachricht. Dann ging sie offline. Ohne Antwort. Ich war enttäuscht, aber irgendwie hatte ich auch damit gerechnet.

Mitten ins Herz || txsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt