Kapitel 42

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Als ich ihre Stimme hörte, entspannten sich meine Hände wieder. Ich wollte mich nicht auf sein Niveau begeben und war froh, dass Vanessa in diesem Moment um die Ecke kam. Eric zischte mir schnell zu: »Wenn du ihr etwas davon sagst, werde ich ihr wehtun.« Sie kam eilig auf uns zu und sah uns abwechselnd an. »Was ist hier los?« Ich war so wütend. Das konnte sich niemand vorstellen. Er wollte ihr etwas tun? »Ich möchte nicht, dass du mit ihm mitgehst«, sagte ich ernst. Sie riss die Augen vor Schreck auf und er guckte leicht belustigt. »Was sagst du da?« Ihr war diese Unterhaltung nicht geheuer, aber ich konnte sie nicht gehen lassen. »Du? Ich wusste nicht, dass man seine Lehrerin duzen darf«, mischte sich Eric gespielt überrascht ein und allein dafür hatte er einen Tritt in die Eier verdient. Ich warf ihm einen zornigen Blick zu und wusste nicht, wie ich aus dieser Situation herauskommen sollte. Was sollte ich ihr sagen? Ich schätzte ihn so ein, dass er seine Drohung wahr werden ließ. Ihr Blick ruhte auf mir, dann sagte sie: »Eric, wir sollten gehen. Was ist nur los mit dir, Lisa?« Dabei schüttelte sie den Kopf. Ich wusste, dass sie mich, oder sogar uns, nur schützen wollte und deshalb so reagierte. Doch trotzdem brach mir das Herz schon wieder. Es war alles so falsch.

Die beiden gingen davon und Eric drehte sich noch einmal um. Sein Grinsen drückte pure Belustigung aus und ich zeigte ihm beide Mittelfinger. Das Lachen würde ihm schon noch vergehen. Dafür würde ich sorgen. Ich lief zum Kunstraum, der bereits abgeschlossen war. Doch Sophia wartete mit meinem Rucksack vor der Tür und sah mich erschrocken an. »Das Gespräch mit Frau Nibilus lief wohl nicht so gut?« Ich winkte ab. »Alles gut.« Wir gingen zusammen zum Bus und sie blieb, bis er kam. Ich drückte sie und fuhr dann nach Hause. Ich bekam diese Wut in mir nicht gebändigt. Es war mir zu viel. Ich wusste nun mit Gewissheit, dass er für Irmgards Tod verantwortlich war. Mir wurde übel und ich stieg eine Station früher aus. Ich brauchte frische Luft. Aufgebracht lief ich den Rest des Weges nach Hause. Meine Eltern waren noch unterwegs, sodass ich das Haus für mich hatte. Ich warf mich auf das Bett. Ich wusste, dass Vanessa gerade genug Probleme hatte, aber trotzdem schrieb ich ihr eine Nachricht: »Mir geht es gerade überhaupt nicht gut. Ich würde dich gern sehen.«

Wahrscheinlich würde keine Antwort kommen, weil sie mit Eric unterwegs war. Was sollte ich nur machen? Ich musste ihr die Wahrheit sagen, aber würde sie mir glauben? Oder mich wieder von sich wegstoßen und mir vorwerfen, dass Eric unschuldig war? Ich hatte keine Beweise. Sein Wort stand gegen mein Wort, doch wem schenkte sie mehr Glauben? Ich hatte Angst vor der Antwort. Ich brauchte Ablenkung. Normalerweise ging ich nie joggen und schon gar nicht bei diesem Wetter, doch genau das brauchte ich gerade. Ich musste die Wut in Energie umwandeln. Also zog ich mich um und lief los. Der kalte Wind peitschte in mein Gesicht und ich rutschte einige Male fast aus, aber ich merkte, wie gut mir das Laufen tat. Ich legte einen Sprint hin, dann joggte ich gemütlich, dann folgte wieder ein Sprint. Völlig ausgepowert kam ich zu Hause an und stellte mich unter die Dusche. Wie nur war sie verstorben? Es konnte kein natürlicher Tod gewesen sein, wenn Eric daran beteiligt war. Wie also hatte er es angestellt? Hatte er ihr etwas gespritzt? Hatte er sie vergiftet? Konnte man so etwas nicht nachweisen? Ich kannte mich überhaupt nicht damit aus.

Mein iPhone vibrierte. Vanessa hatte sich gemeldet. »Ich hatte einen großen Streit mit Eric und halte es hier zu Hause nicht aus. Kann ich bei dir übernachten? Vorausgesetzt für deine Eltern ist es in Ordnung.« Sie wollte bei mir übernachten? Mein Herz hüpfte vor Freude auf und ab, auch wenn es eigentlich keinen Grund zur Freude gab. Sie hatten sich gestritten? Worüber? Mittlerweile waren meine Eltern wieder zu Hause und ich ging nach unten, um sie zu fragen. »Hey ihr beiden, wäre es ok für euch, wenn Vanessa heute hier übernachtet?« Verblüfft sahen sie mich an. Sie fragten nicht nach dem Grund, sie stimmten einfach zu. »Danke«, flüsterte ich und umarmte sie fest. Meine Mama konnte sich sicherlich schon denken, dass ich mit Vanessa gesprochen hatte und soweit alles wieder in Ordnung war. Die Arme. Sie musste sich die ganze Zeit meine Probleme anhören. Ich gab Vanessa Bescheid und sie antwortete, dass sie aufbrechen würde, sobald Finn schlief. Ich konnte es kaum erwarten. Eine ganze Nacht in ihren Armen liegen. Sonst träumte ich immer nur davon, doch jetzt wurde es Realität. Was sagte sie Eric? Er würde es sicherlich nicht gut finden, wenn sie einfach nicht nach Hause kam. Sie würde es mir später schon erzählen.

Mitten ins Herz || txsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt