eighteen

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Nach einer Viertelstunde kam Tyler mit meinem schwarzen Koffer aus der Wohnung. Er musste diesen wohl von meinem Schrank gezogen haben. Ich war ewig nicht verreist.

Ich hatte die gesamte Zeit, die ich auf ihn gewartet habe, geweint.

Tyler hievte den Koffer in den Kofferraum und setzte sich dann auf den Fahrersitz.

Fast schon schüchtern musterte er mich.

Ich fühlte mich nur noch leer und wollte hier weg.

Ich presste meine Fingernägel in meinen Oberschenkel und meine Brust verengte sich.

Tyler startete den Motor und wir fuhren zurück zu seiner Wohnung. Dort angekommen stellte Tyler meinen Koffer in sein Schlafzimmer.

"Soll ich uns etwas zu essen kochen?", fragte er mich, doch ich schüttelte den Kopf. Ich hatte keinen Appetit und wusste nicht einmal mehr, wie lange es bereits her war, dass ich etwas gegessen hatte.

"Du solltest aber etwas-"

"Ich will nichts!", unterbrach ich ihn harsch. "Tut mir Leid", entschuldigte ich mich sofort danach. "Ich würde mich gerne ausruhen"

Tyler nickte stumm und ich ging in sein Schlafzimmer und legte mich dort in das weiche Bett.

Die nächsten zwei Tage lag ich nur in seinem Bett. Er schlief dagegen wohl auf dem Sofa, zumindest ließ er mich die meiste Zeit allein. Ich sollte ein schlechtes Gewissen haben und mich für mein unhöfliches Verhalten entschuldigen. Doch ich tat es nicht. Ich konnte nicht.

Ich aß nichts. Tyler sah öfter nach mir und stellte mir etwas zu Essen auf den Nachttisch, doch ich rührte es niemals an. Von dem Geruch von Essen wurde mir schlecht. Einzig den Tee, den er mir kochte, trank ich, um etwas Flüssigkeit zu bekommen.

Vermutlich sah ich furchtbar aus. Ich hatte seit zwei Tagen nicht geduscht. Ich sollte mich eklig fühlen. Doch ich tat es nicht. Ich konnte nicht.

Es klingelte an der Tür und ich hoffte, dass es nur die Post war. Ich wollte nicht, dass Tyler Besuch bekam. Ich wollte niemanden sehen.

Ich hörte, wie er die Tür öffnete und bevor er etwas sagen konnte, hörte ich Schritte in der Wohnung und Isas laute Stimme drang durch die geschlossene Schlafzimmertür:

"Weißt du wo Riley ist? Verdammt, ich habe seit Tagen nichts von ihr gehört, ihr Handy ist aus, ich weiß nicht, wo sie ist oder ob was passiert ist, ich bin kurz davor, die Polizei zu rufen und-"

Sie sprach ohne Punkt und Komma, bis Tyler sie unterbrach.

"Sie ist hier", sagte er nur.

"Ach ja?", antwortete sie schnippisch und kurz darauf wurde die Schlafzimmertür aufgerissen.

"Fuck, Riley, was stimmt nicht mit dir?", rief sie, als sie mich sah, "ich mache mir verdammt Sorgen! Wo ist dein scheiß Handy und wieso meldest du dich nicht?"

Ihre Stimme schellte in meinen Ohren, sie war viel zu laut. Ich kniff die Augen zusammen.

"Und wie siehst du überhaupt aus?", fuhr sie fort. Sie erinnerte mich an meine Mutter und mir wurde schlecht.

Tyler trat an sie heran und packte sie am Arm.

"Was?", fuhr sie ihn an und schüttelte ihn ab.

"Sie macht gerade einiges durch", sagte Tyler mit ruhiger Stimme. Doch das schien Isa nur noch mehr in Rage zu bringen.

"Ach ja? Ich dachte, dann meldet man sich bei seiner besten Freundin, damit wir durch diese "schwierige Phase" oder was auch immer zusammen gehen. Aber du bist dir jetzt wohl zu fein dafür, weil du mit dem da befreundet bist oder was?"

Ich schwieg. Sie hatte jedes Recht dazu, sauer zu sein.

"Was liegst du überhaupt bei ihm im Bett? Vögelt ihr miteinander oder was?"

Diese Worte fühlten sich wie Messer in meiner Brust an. Mir fehlte der Atem.

"Es ist besser, wenn du jetzt gehst", sagte Tyler und Isa hob vorwurfsvoll eine Hand.

"Ja, vielleicht ist es das. Das da", sie zeigte abfällig auf mich, "ist nämlich nicht die Freundin, die ich noch vor einer Woche hatte"

Wie Recht sie damit hatte.

Mit diesen Worten machte sie kehrt und spazierte aus der Wohnung. Mit einem Knall fiel die Tür ins Schloss und es war still. Tyler sah mich besorgt an. Ich sollte sauer auf Isa sein, weil sie mir solche Sachen unterstellte. Aber ich hätte mich bei ihr melden müssen, sie war meine beste Freundin. Doch ich konnte einfach nicht.

"Bist du okay?", fragte Tyler vorsichtig nach. Ich stand auf.

"Ja. Ich würde nur gerne duschen gehen", antwortete ich ihm emotionslos. Er machte den Weg frei und ich ging in sein Bad. Ich schloss die Tür hinter mir ab und betrachtete mich im Spiegel. Ich sah wirklich furchtbar aus.

Alle meine Gedanken stürzten plötzlich auf mich ein. Während sie die letzten zwei Tage still waren, so waren sie jetzt umso lauter. Ich atmete unruhig.

Ich war unfähig, Kontakte zu knüpfen. Und wenn, dann endete es so. Ich hatte mich jemandem anvertraut, doch er hat dieses Vertrauen ausgenutzt. Er hatte mich vergewaltigt. Bei diesem Gedanken wurde mir wieder schlecht. Ich konnte nicht einmal die Freundschaft zu meiner besten und einzigen Freundin aufrecht erhalten.

Was konnte ich überhaupt?

Am liebsten hätte ich alles zerschlagen.

Ich musste diesen Druck loswerden. Sofort.

Ich öffnete die Tür des Spiegelschrankes und ich musste nicht lange suchen, bis ich eine kleine graue Packung mit Rasierklingen fand. Ich wusste, dass Tyler sich ebenfalls verletzte. Es war also klar, dass er Klingen da haben würde. Und dass er sie hier im Bad aufbewahrte, machte die Sache deutlich einfacher für mich. Ich nahm eine heraus und packte sie aus dem dünnen Papier.

Wie falsch es sich anfühlte, in einer Wohnung zu sein, die nicht meine war. Eine Klinge in der Hand zu halten, die nicht meine war.

Aber nachdem ich mich ausgezogen und den ersten Schnitt über mein Bein gesetzt hatte, fühlte es sich doch so richtig an.

Der erste Schnitt war leicht und kurz, als wenn ich mich nicht richtig getraut hätte. Dabei wollte ich es nicht belassen.

Ein zweiter Schnitt folgte.

Ein dritter.

Tiefer.

Länger.

Ein vierter.

Einen noch.

Nur noch einen.

Ich hielt inne, als das Blut mein Bein herunterlief.

Mein Atem hatte sich etwas beruhigt.

Ich legte meine Hand auf die blutenden Schnitte und schloss die Augen. Die warme Flüssigkeit zu spüren, besänftigte mich auf eine komische Art und Weise.

Ich legte die Klinge auf den Waschbeckenrand und stieg unter die heiße Dusche. Das Wasser an meinen Füßen verfärbte sich rotbraun und ich beobachtete, wie immer wieder frisches Blut aus den Wunden trat. Ich lächelte.

Das war das einzig Gute, das ich heute getan hatte.

Øur brains are sick // twenty one pilots Fanfiction // germanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt