"Hallo", rief ich in das Haus hinein, in der Hoffnung, dass jemand da sein würde. "Lia, bist du das?", antwortete mir die vertraute Stimme meiner Mutter aus einem Raum im Erdgeschoss. Ich legte meine Tasche ab und schaute dann in den Wohnbereich, wo sie sich nicht befand. Also musste sie wohl in der Küche sein. Als ich um die Ecke an den Küchentisch blickte, sah ich sie dort auch auf einem Schemel hocken, wie ein kleines Häufchen Elend. "Hey Mom", wiederholte ich noch einmal und sie sah auf. Ihre Augen hatten einen seltsamen Schleier, als sie ihre Hand hob und Muster in die Gegend malte. Jetzt murmelte sie: "Ich fühle mich so gut", was mir definitiv nicht mehr geheuer war. "Haben die dir was gegeben?", fragte ich misstrauisch und sie nickte mit großen Augen. "In einer Sss-Spritze." Verständnisvoll nickte ich und winkte sie dann zu mir. "Wir legen uns mal hin und dann erzählst du mir, was im Krankenhaus los ist, ok?" Mom begann zu Lächeln und stand auf. Gemeinsam liegen wir ins Wohnzimmer, wo ich sie auf das kleine Sofa legte und zudeckte. "Schlaf gut", murmelte sie mir zu und war dann sofort weg. Danke, kompetente Ärzte, warum auf immer ihr Mom das gegeben habt.
Auf dem Weg nach oben zog ich mein Handy heraus, auf dem Whatsapp bereits anzeigte, dass ich drei neue Nachrichten hatte. Eine war von Tom und zwei von Naomi, die mir lustigerweise eigentlich nie schrieb. Naomi fragte mich zum einen, ob das mit dem Date für mich in Ordnung ginge und zum zweiten, warum ich ihr nicht antwortete. Ups. Ich bin nicht durchgehend am Handy schrieb ich zurück und dachte dann über eine angebrachte Nachricht zu ihrer Frage nach. Ging es für mich in Ordnung? Warum sollte es nicht? Warum fragte sie mich das? Warum sollte es für mich nicht in Ordnung sein? antwortete ich daher und runzelte beim Tippen die Augenbrauen. Noch eine seltsame Angewohnheit von mir- egal was ich schrieb, mein Gesicht zeigte immer genau die Emotion, in der ich die Nachricht gemeint hatte. Gerade handelte es sich um einen Ausdruck der Unwissenheit. Mit einem Vibrieren zeigte mir mein Display jetzt an, dass mich Naomi anrief. Noch etwas seltsames, was sie eigentlich so gut wie nie tat. Wie gesagt, unsere Freundschaft beruhte nur auf der Schulzeit, außerhalb kannten wir uns praktisch nicht. "Hallo", sprach ich in das Mikro des Handys und eine Begrüßung ihrerseits schallte zurück. "Wie komme ich zu der Ehre?", fragte ich direkt, bevor sie ein Wort sagen konnte. "Bin zu faul zu schreiben." Wow. "Jedenfalls meinte ich damit, dass zwischen dir und deinem braunhaarigen Freund sicher etwas läuft. Oder laufen wird. Vertraue Tante Naomi." So würde ich es tatstächlich nicht umbedingt bezeichnen. Wir hatten schließlich nur einige pseudo-tiefgründige Gespräche geführt und er hatte mich gefragt, ob wir etwas essen gehen wollen. Da war praktisch nichts dabei. "Da ist nichts", erklärte ich jetzt auch Naomi, die meine Gedanken logischerweise nicht mitlesen konnte, "er hat mir nur noch eingeladen, zusammen Essen zu gehen." Naomi blieb für einige Sekunden still und quietschte dann einmal kurz auf. Was war heute eigentlich los mit ihr? Dies sagte ich ihr jetzt auch einmal: "Du bist seltsam gut drauf." Meine Gesprächspartnerin schnaubte einmal laut und antwortete mir dann: "Vertrau mir, ihr werdet sowas von zusammenkommen."-"Mhh", machte ich nur und dann blieb es eine ganze Weile still. Wollte ich eigentlich etwas wie eine Beziehung? Alleine dieses Wort machte mir Angst. Das Leben war nicht wie in einem dieser bescheuerten Teenie-Filme. Nicht alles würde am Ende gut sein und nicht in jedem Leben stand am Ende eine glückliche Beziehung. Beziehungen konnten toxischer Natur sein, wie die von Mom und Richard und das wollte ich nicht. Vielleicht war das, was mir Angst machte, auch nicht die Beziehung selbst, sondern die Gefahren, die es dabei immer gab. Lügen, Misstrauen und im schlimmsten Falle Gewalt. Vielleicht war mein Bild von Liebe auch einfach gestört und beeinflusst durch meine Erfahrungen. Vielleicht aber auch nicht. All diese Unsicherheiten machten für mich Beziehungen so abschreckend und angsteinflößend. Tief in meinem Inneren wusste ich, wie auch schon bei der Sache mit Richard und dem 'Sich einer Person anvertrauen', dass es irgendwann soweit sein würde, dass ich mich in jemanden verlieben würde. Laut dem, was ich so gehört hatte, konnte man das auch nicht beeinflussen. Ergab ja auch Sinn, da man Gefühle einfach nicht vernünftig steuern kann.
"Du magst ihn doch, oder?", dröhnte jetzt Naomis Stimme aus dem Höhrer. "Naomi, warum verhältst du dich gerade wie ein Teenager, der zum ersten Mal mit seinem Crush geredet hat?", fragte ich sie genervt und bekam sofort eine Antwort: "Ich bin super gelaunt." Mit einer Hand fuhr ich mir durchs Gesicht. "Shit", murmelte ich nur und hatte damit wohl vollkommen Recht. Ich atmete einmal aus und wieder ein: "Also schön, ich mag ihn ganz gerne, aber das wars dann auch schon, ok?"-"Ok", gab sie zurück. Plötzlich ertönte ein lautes "Oh Fu-" und sie legte auf. Verwirrt blickte ich auf den geöffneten Chat und sah, dass sie gerade eine Nachricht tippte. Muss zu O&O schrieb sie nur und war dann offline. Mit O&O waren vermutlich ihre Großeltern gemeint.
Ich erinnerte mich, dass ich noch eine Nachricht von Tom zu beantworten hatte. Schnell öffnete ich seinen Chat und überflog dann seine Nachricht. Er wollte wissen, wo wir denn hingehen wollten, da er sich hier in der Gegend nicht besonders auskannte. Schmunzelnd antwortete mit einem kurzen Was Essen angeht, kenne ich mich auch nicht besonders gut aus. Da von ihm nach einer Minute keine Antwort kam und auch die Nachricht nicht zugestellt wurde, schaltete ich mein Handy aus und widmete mich weiter meinen Hausaufgaben.
Etwa eine Stunde später hörte ich unten ein lautes Rumpeln. Mom ist vermutlich gerade aufgewacht. "Arylia?", rief sie, "Kommst du mal runter?" Ihre Stimme war ungewohnt laut und fest. Da ich sowieso mit meinen Hausaufgaben fertig war, stand ich von meinem Schreibtisch auf und ging die Treppen herunter, um mit ihr zu sprechen. Anscheinend war sie wohl auch nicht mehr auf Schmerzmitteln, da sie am Küchentresen gelehnt stand und eine Tasse mit heißem Tee in der Hand hielt. Als ich die Küche betrat, blickte sie auf und sah mich an. "Was ist denn?", fragte ich sie, während ich mir einen Stuhl umdrehte und hinsetzte. Meine Arme lagen auf der Armlehne und ich legte meinen Kopf auf den Handrücken. "Richard wird wohl nie wieder aufwachen."
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Vielen Dank für die vielen Votes und Kommentare in den letzten Tagen! Es freut mich sehr, dass es euch anscheinend gefällt.
Glaubt ihr, dass Richard wirklich tot ist? 🤷♀️
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undercover; tom holland
Fanfiction"Du hast absolut keine Ahnung wie es ist, ich zu sein. Ich stehe zwischen einem Vollzeitjob als Schauspieler, den ich perfekt machen muss, und muss gleichzeitig noch den Schein eines perfekten Teenagers wahren, der ich aber faktisch einfach nicht bi...