Kapitel 40

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Die Fahrt zum Botanischen Garten dauerte vielleicht zwanzig Minuten, die wir teils schweigend und teils mit trivialen Gesprächen über die Schule verbrachten. Als wir endlich aus dem Bus ausstiegen und auf den Eingang des Garten hinzulegen, begann Tom schließlich, mir die Frage zu beantworten, die ich ihm bereits in der Schule gestellt hatte. "Du wolltet wissen, wo ich heute war, richtig?" Diese Aussage bejahte ich und trat dabei durch ein metallenes Drehkreuz. "Folgendes: ich werde wohl gar nicht mehr in die Schule kommen." Überrascht riss ich den Kopf nach hinten, da er hinter mir das Drehkreuz passierte. Was sollte das denn bedeuten. "Bitte was?" Tom lachte verlegen und kratzte sich mit der Hand im Nacken. "Ich habe ein Praktikum bei einer Firma bekommen und brauche dafür keinen Abschluss. Und es war limitiert, daher.." Bei diesen Worten unterbrach ich ihn. "Du schmeißt Schule hin? Hast du denn da eine Jobgarantie?" Jetzt lief er ein wenig schneller, sodass wir wieder nebeneinander gingen, und zuckte dann die Achseln. "Ja, ziemlich sicher. Es reicht auf jeden Fall für einige Jahre."-"Ok", antwortete ich nur, immer noch skeptisch. Aus meiner Perspektive konnte ich n8cht nachvollziehen, dass jemand seinen Abschluss nicht macht, nur weil es bereits ein Praktikum gab. Was wäre denn, wenn dieses Praktikum dann doch nicht zustande kommt oder man verletzungsbedingt ausfällt? Dann hat man weder einen Job noch eine abgeschlossene Ausbildung.

"Vertrau mir, das ist sicher", beruhigte mich der Braunhaarige. Mittlerweile hatten wir eine kleine Kreuzung erreicht und nahmen den Weg rechts, weiter in die Wiesen hinein. Um uns herum wuchsen Tausende von Pflanzen in vielen verschiedenen Farben, hauptsächlich Schattierungen von grün, aber auch gelbe, rote oder lilane Blumen. Vor uns befand sich jetzt ein kleiner See, an dem einige Schildkröten lebten, was zumindest eine kleine Tafel sagte. Eine Holzbrücke führte über einen Seitenarm des Sees hin zu großen, dunkelgrünen Hecken, die von weitem fast aussahen wie ein gigantisches Labyrinth.

"Tu ich doch. Ich mache mir nur Sorgen", murmelte ich ehrlich, während mein Blick weiter über den Garten schweifte. Links von den hohen Hecken erstreckte sich eine gepflegte Wiese, auf der viele Menschen lagen. Tom schien meinem Blick zu folgen und sah sich ebenfalls die Umgebung an. "Das ist lieb von dir, brauchst du aber wirklich nicht."-"Wie heißt die Firma?", fragte ich schnell, denn vielleicht kannte ich sie ja, was mir meine Sorgen ein wenig erleichtern würde. Die Antwort kam einige Sekunden später, nachdem Tom seine Stirn in Falten gelegt hatte. Worüber dachte er so lange nach? "Marvel", murmelte er schließlich und ich nickte anerkennend und gleichzeitig überrascht. Marvel kannte sogar ich als Unwissende was Filme und Serien anging- ein größeres Universum an Filmen gab es wohl nicht. "Was machst du da denn?"-"Filmtechnik und so", begann er ausweichend und deutete dann auf die Hecken vor uns. "Dort entlang?"-"Ja", antwortete ich, "können wir machen." Während wir den Weg nahmen, der dorthin führte, nahm er, als wäre es selbstverständlich, meine Hand in seine, woraufhin ich grinste und zu Boden sah. Er machte mich teilweise echt verrückt.

In dem Labyrinth aus hohen Hecken war es ein wenig schattiger als vorhin auf den Wegen im Botanischen Garten. Kleine Schildchen zeigten genau an, welche Plante welche war, und große Torbögen ließen zu, dass Menschen unter besonder hoch gewachsenen Ranken durchgehen konnten und diese nicht den Weg versperrten. Einmal schloss ich die Augen und atmete einfach nur den Geruch der Pflanzen ein, den man sonst nirgendwo in der Bronx so intensiv riechen konnte. Auch die Luft war sauberer als in der stickigen Stadt, auch wenn wir uns nur einige hundert Meter von den Wohnhäusern entfernt befanden. Manchmal machten weniger Meter Unterschiede aus, die man kaum begreifen konnte. Ein leichter Luftzug wehte mir durch die Haare und ließ mich erschaudern. Vielleicht hätte ich doch besser eine Jacke mitgenommen. Jetzt war es aber eh zu spät. "Sollen wir uns setzen?", fragte Tom in die Stille und ich öffnete meine Augen wieder. Rechts von uns stand eine leere Bank, von der man eine gute Sicht auf den kleinen See hatte und die ein wenig erhöht lag. "Gerne", erwiderte ich und wir stapften durch das lange Gras zur Bank hin. Dort ließen wir uns nieder und ich streckte die Beine aus. Tom seufzte einmal kaum merklich auf und drehte seinen Kopf dann so, dass er mich ansah. "Pass auf, jetzt kommt das Beste überhaupt." Gespannt sah ich ihn an, während er sie ein Lachen verkniff. "Wir zählen jetzt." Mit der rechten Hand tippte er auf seine linke Schulter. "Eins." Das gleiche tat er bei seine anderen Schulter, was er mit zwei kommentierte. "Drei", kam dann, als er meine linke Schulter antippte. Bei vier lag sein Arm um meinen Schulter. Ich atmete einmal dramatisch ein und wieder aus, lachte dann aber laut los. "Das geht aber besser." Tom lächelte ebenfalls, ließ die Hand aber dort liegen, wo er die abgelegt hatte. In meinem Bauch machte sich wieder dieses leichte Kribbeln breit, dass ich schon vorher gespürt hatte, gepaart damit, dass er seinen Arm um mich gelegen hatte. Was war das für ein Gefühl? "Wie soll das denn besser gehen?", fragte er jetzt, während er die Augenbrauen nach oben zog und mich damit anklagend ansah. Dann verformten sich seine Lippen plötzlich zu einem 'O' und er nickte, vermutlich auf einen seiner Gedanken bezogen. "Are you from Tennessee? Because you're the only ten-i-see", sagte er mit gesenkter Augenliedern. Ich musste ein weiteres Mal lachen. Dieser Moment hätte von mir aus ewig so weiter gehen können. Nur wir zwei und ein Haufen schlechter Sprüche. "Naja, ich bezweifle, dass du damit bei irgendwem landest." Nachdenklich zuckte er die Schultern und piekste mir dann mit einem Finger in die Seite. Empört sah ich ihn an. "Hey."Das hast du verdient", rechtfertigte er sich, worauf ich den Blick senkte. Dadurch blickte ich fast automatisch auf seine Lippen, die zu einem spöttischen Lachen verzogen waren- jedenfalls rechtfertigte ich meinen Blick damit. Auf das, was er gesagt hatte, reagierte nicht mehr, in diesem Moment wollte ich eigentlich nur seine Lippen auf meinen spüren. Arylia, ermahnte ich mich selbst. Woher kam dieser plötzliche Gedanke? Was machte er in meinem Kopf?

Tom hatte meinen Blick anscheinend ebenfalls gesehen und sah mich jetzt unverwandt an. Zwischen uns knisterte es beinahe, so aufgeladen war die Stimmung plötzlich. All das war innerhalb weniger Sekunden geschehen. Ich öffnete meinen Mund ein klein wenig, um etwas zu sagen, aber ließ es dann doch. Was tat man in einer solchen Situation? Fieberhaft überlegte ich, ob ich etwas sagen sollte oder einen Schritt wagen sollte. Was, wenn ich etwas falsches in sein Verhalten hineindeutete oder ich das eigentlich gar nicht wollte?

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Ich liebe seltsame Anmachsprüche upsi

undercover; tom hollandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt