1. Februar 2013
Das Wochenende war nicht mehr lange entfernt. Eine halbe Stunde musste ich noch überleben, ehe ich es begrüßen konnte. Nicht mehr lange, bis zu meinem Partymarathon. Schon die ganze Woche hatte ich mich nur auf dieses Wochenende gefreut. Nicht oft feierte ich die Nächte wirklich durch. Erstrecht nicht, wenn am nächsten Tag Schule war. Klar, ich kam erst um zwei nach Hause. Doch bei meinen Marathons kannte ich diesen Ort nicht. Zuhause existierte da nicht. Meistens schlief ich bei Bastian oder, insofern ich es wollte, bei einem wildfremden, mit dem ich einen One-Night-Stand hatte. Noch nicht einmal zum umziehen kam ich nach Hause. Sonntagnacht trat ich immer den ersten Schritt wieder ins Haus und hörte dabei nur die Stille, was mir gefiel. Es war definitiv besser, als das Gestöhne von Haleigh und meinem Dad.
Aber auf die Beiden konnte ich pfeifen. Sie wollten nicht wissen, was ich tat. Solange ich nicht schwanger wurde. Im Gefühl hatte ich jedoch, dass Haleigh es mir zutraute. Vielleicht zählte sie schon die Tage, bis ich ihnen gestand, dass ich eine Teenie Mutter sein würde. Doch da konnte sie lange warten. So dumm war ich nicht.
Doch die dreißig Minuten schienen endlos zu sein. Ich hörte dem Ticken des Sekundenzeigers zu, welcher zu langsam schien. Gähnend ließ ich den Unterricht vorbei ziehen. Gestern war ich ausnahmsweise nicht in die Disco gegangen. Eigentlich sollte ich ausgeschlafen sein, aber ich war es nicht.
Zuerst konnte ich nicht einschlafen. Kurz bevor es mir dann endlich gelang, hörte ich wie Haleigh und mein Dad vögelten und dieses Mal länger als gewohnt. Ich war kurz davor zu schreien, sie sollten leiser sein, doch ich tat es nicht. Stattdessen lag ich im Bett und dachte darüber nach, wie das Wochenende sein würde.
Nachdem endlich Ruhe eingekehrt war, schloss ich die Augen und schlief ein. Nun saß ich im langweiligen Französischunterricht und langweilte mich zu Tode. Auf einmal klopfte es an der Tür und Mr. Zuler kam herein, hinter ihm – oh nein – Ashton.
„Können Sie ihn nehmen? Er ist grauenhaft“, hörte ich nur, ehe ich wieder ausschaltete und auf meinen Block Skizzen malte. Schnell vertiefte ich mich darin und nahm meine Umgebung nicht mehr wahr, bis sich etwas direkt neben mir bewegte. Verwundert blickte ich auf und sah in haselnussbraune Augen mit einem Stich grün in ihnen.
„Hei“, begrüßte er mich, doch ich ignorierte ihn. „Schöne Skizze.“ Wieder wollte ich meine Umgebung vergessen und mich nur auf die Zeichnung konzentrieren, doch sein Starren trieb mich in den Wahnsinn.
„Kannst du nicht nach vorne sehen?“, fuhr ich ihn leise an.
„Wieso sollte ich, Taylor?“, grinste er und sah mich triumphierend an.
„Denk dran, ich kann dein Leben zur Hölle machen“, zischte ich.
„Ach, kannst du das?“, schmunzelte er und beugte sich mehr zu mir. „Denn ich hab das Gefühl, das es andersherum verlaufen wird.“ Wütend sah ich Ashton an und schüttelte den Kopf.
„Bild dir ja nichts ein“, mahnte ich ihn und widmete mich wieder meinen Block. Wieder beobachtete er mich dabei. Weitgehend konnte ich es ignorieren, doch ich mochte es nicht. Er sollte sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern und mir nicht beim zeichnen zuschauen.
„Du kannst das gut“, lobte Ashton, doch ich ignorierte es. Schließlich klingelte es. Meine Erlösung war gekommen. Schnell stand ich auf und verschwand aus dem Raum.
„Bis später, Tay“, grinste Ashton. Ich verdrehte die Augen und lief zu Cara.
*/*
Später als sonst ging ich hinaus, um eine zu rauchen. Ziemlich besoffen war ich. Schwer war es, eine gerade Linie zu laufen. Mit der Zigarette im Mund traf ich auf Ashtons Blick.
„Willst du auch?“, erkundigte ich mich und bot ihm eine Stange an.
„Nein, danke. Habe Asthma“, lehnte er ab.
„Komisch, ich hab dich noch nie husten sehe, solange ich hier rauche“, murmelte ich und blies dann den Rauch direkt in sein Gesicht, immer noch keine Reaktion. „Lügner.“
„Ich rauche nicht“, verdrehte Ashton die Augen und verschränkte seine Arme vor der Brust.
„Wieso bist du dann hier?“
„Das würdest du gern wissen“, lachte Ashton und sah mir zu, wie ich rauchte.
*/*
29. März 1900
Die Stadt war anders. Hier waren viel mehr ihres gleichen unterwegs. Sie alle lebten hier. Er jedoch, hatte sie immer als sein Schützling vorgestellt. Sie wusste, was er war, weil sie schwanger von ihm war. Es sollten nicht noch mehr Aufstände entstehen. Er saß mit einem anderen Mann seines gleichen in dieser einen Kneipe. Nur ihre Art war hier vertreten. Sie konnten alle sie selbst sein, ohne, dass es Menschen bemerkten. Es war ein Ort nur für sie.
Von so einem Ort hatte er schon lange geträumt. Sein Bruder hatte immer gesagt, dass es solche Orte nicht gab. Zu auffällig sollen die sein. Doch in diesem Dorf herrschte unter den Menschen pure Ahnungslosigkeit, was ihm gefiel. Die Menschen sollten nichts über sie wissen. Sie alle waren etwas Besonderes. Die Menschen würden daran nie heran kommen.
Und sein Kind würde über allem stehen.