21. Januar 2013
Wie jeden Tag saß ich auf der Couch und aß etwas. Doch es war der letzte Tag, an dem mein Vater mit seiner neuen Frau in den Flitterwochen war. Morgen müsste ich das Haus auf Hochglanz haben. Jedoch war ich die meiste Zeit nicht im Haus gewesen. Nachts hatte ich die Zeit ausgenutzt, um mich in Clubs zu betrinken. Meine Stiefmutter und ich kamen nicht miteinander klar, weshalb ich mich wirklich nicht über ihre Rückkehr freute.
Schnell stellte ich die Schüssel in die Spülmaschine und machte mich für diese Nacht fertig. Mein dunkelblaues Minikleid lag eng an meinem Körper und betonte meine Kurven. Wie eine zweite Haut lag das Kleid an meinem Körper. Andere würden mich wahrscheinlich als Schlampe abstempeln, aber ich liebte es so herumzulaufen, wenn ich Party machte. Es war eine nette Abwechslung zu meinem sonstigen Punk auftreten. Meine Augen schminkte ich immer gleich. Nicht wichtig, ob es für die Schule war oder eine Party war.
Lidschatten musste immer sein, wie Eyeliner und Mascara. Je nachdem benutzte ich dunkleren oder helleren Lidschatten. Für die Schule benutzte ich eher einen dunklen, damit meine Augen schön dunkel schienen. Für Partys passte ich den Lidschatten ans Kleid an. Die einzige Besonderheit an meiner Partyschminke war, meine geschminkten Lippen. Jedoch fand ich dies nicht wirklich toll, da ich sowieso alles beim Trinken verlor oder spätestens beim Rauchen.
Ja, ich rauchte und besoff mich mit sechzehn, aber ich kümmerte mich nicht um die Meinung anderer. Meine Meinung war die Einzige, die zählte. Und ich wollte es so. Mein Leben sollte so sein. Ich wollte mein Leben leben und jeden Tag davon leben, als wäre es mein letzter. Auch wenn meine schulischen Leistungen im Keller waren. Doch die Schule war für mich unwichtig.
In der Disco angekommen, kippte ich mir einen Drink nach dem anderen herunter, bis ich den Alkohol merkte. Danach torkelte ich wie immer zur Tanzfläche und tanzte zur Musik. Der Alkohol ließ sich zeigen, aber darauf gab ich schon lange keinen Wert mehr. Männer starrten meinen Körper an, aber sollten sie. Ich war hier, um meine Jugend zu feiern und keinen One-Night-Stand zu haben. Klar, ich war Single und könnte mit denen schlafen. Wahrscheinlich würde es sogar atemberaubend sein, aber dann hätte ich keinen Spaß mehr, mit ihnen zu spielen. Man musste nur sagen, warte um blabla in der Straße blabla. Tatsächlich zogen sie sich zurück und warteten dort bestimmt auch, jedoch tauchte ich nie auf.
Nach einer guten Tanzeinlage trat ich wieder an die frische Luft und rauchte dort eine mit ein paar Anderen. Wieder erschlich mich dieses Gefühl, beobachtet zu werden. Schon seit längerem hatte ich das Gefühl, das mich jemand beobachtete. Irgendwann hatte es plötzlich angefangen, aber da hatte ich mit dem Party machen erst angefangen. Mein Vater wusste von all dem nichts, auch meine Stiefmutter Haleigh wusste davon nichts. Nachts, sobald sie schliefen und mit dem Sex fertig waren schlich ich mich aus dem Haus und ließ die Nacht zum Tag werden.
Nach der Zigarette ging ich nach Hause, wollte wissen, ob mich mein Beobachter verfolgte. Auf einmal trat der Fall ein. Immer noch fühlte ich diesen starren Blick auf mir. Panisch blickte ich mich um, doch ich konnte niemanden sehen. Nein, hier war niemand. Doch ich wurde beobachtet. Ich konnte es mir nicht einbilden. Schneller lief ich nach Hause, schlang die Jacke enger um meinen Körper. Den Blick spürte ich noch immer. Lügen würde ich, wenn ich behaupten würde, dass es mir keine Angst machte. Wie es mir Angst machte. Am liebsten würde ich kreischen, doch ich wollte keine Aufmerksamkeit. Niemand griff mich an. Dies sollte ein gutes Zeichen sein.
Im Horizont konnte ich schon mein Zuhause erkennen. Es ließ mich etwas entspannen, doch sein Blick verfolgte mich noch immer. Große Angst machte es mir, wenn er wüsste, wo ich wohnte. Doch hier war ich am sichersten. Er hätte die Chance zur Vergewaltigung gehabt, doch er hatte sie nicht genutzt.
Schnell öffnete ich die Tür und verschwand hinter dieser. Wieder hatte er mir nichts getan. Schon immer hatte er mich auch noch verfolgt, nachdem er mich beim Rauchen begafft hatte. Nach wenigen Minuten beruhigte sich mein Puls und ich ging die Treppe hoch in mein Zimmer. Das Adrenalin ließ mich den Alkohol vergessen. Das Kleid fiel auf den Boden, ehe ich in mein Bett schlüpfte.
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22. Januar 2013
Mein Dad und Haleigh kamen durch die Tür. Erholt sahen sie aus und glücklich. Gespielt lächelte ich die Beiden an und trat in den Flur.
„Hallo“, sagte ich etwas zu freundlich. Haleigh sah mich an. Wieder warf sie mir diesen hasserfüllten Blick zu, den mein Vater nie sah. Es tat weh. Meine Mum starb an einem Autounfall und nun hatte er eine neue. Doch Mum konnte man nicht austauschen. Mum war voller Liebe. Haleigh jedoch war nur kaltherzig. Wie hatte sich mein Vater in sie verlieben können?
„Hallo“, erwiderte sie mit einem gespielten Lächeln. Mein Dad wollte mich umarmen, doch ich blockte ab.
„Hallo“, sagte dann auch mein Dad und sah mich an.
„Hattet ihr Spaß?“, wollte ich wissen, doch es interessierte mich nicht.
„Ja, aber unsere Art von Spaß verstehst du nicht“, sagte Haleigh zuckersüß. Genervt verdrehte ich die Augen und ging hoch in mein Zimmer. Ich wollte sie nicht sehen, wie sie miteinander glücklich waren, wenn mein Dad nur Mum lieben sollte. Es waren zwei Jahre her, seit dem Unfall, doch sie war trotzdem meine Mum. Sie war seine große Liebe. Nur weil sie Tot war, hatte er eine neue. Dazu war Haleigh einfach nur scheußlich.
Am liebsten hätte ich ihr ins Gesicht geschrien, dass auch ich schon mal gefickt hatte. Ja, ich wusste welchen Spaß sie meinte. Verdammt, ich hörte die Beiden beinahe jede Nacht! Insofern sie nicht weg waren oder ich weg war.
Schnell wischte ich mir meine Tränen weg. Ich wollte keine Schwäche zeigen. Tränen waren ein Symbol von Schwäche, die ich ungern vor Haleigh zeigen wollte. Sie sollte sehen, dass sie sich demnächst von hier verabschiedete.
An der Tür klopfte es. Schnell legte ich mein Haar etwas vor mein Gesicht, damit man nicht sofort sehen konnte, dass ich geweint hatte. Mein Vater trat herein, hinter ihm stand – welch ein Wunder – Haleigh.
„Darling, bitte sei nett zu Haleigh. Sie gehört nun zur Familie“, bat mein Dad. Triumphierend grinste Haleigh, doch der Kampf war noch lange nicht vorbei.
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2. Januar 1900
Wie er es liebte, sie glücklich zu sehen. Sie saß auf dem Sofa und betrachtete ihren Bauch. Er liebte es, zu wissen, dass sie beide ein Kind erwarteten. So kurz nach der Hochzeit. Er sah es als ein Geschenk des Herrn an. Das Kind war ein Segen und kein Tyrann. Niemand aus seiner Familie konnte ein Tyrann sein. Er würde seinen Kindern lehren, was Liebe war und wie man damit umging. Er würde ihnen beibringen, nichts zu zerstören.
Angefangen mit diesem Kind. Niemand wusste bisher, dass sie schwanger war. Es war umso besser so. Es würde nur Aufstände geben. Die Menschen würden sie verbrennen wollen. Sie, seine treugeliebte Frau. Seine Frau, die sein Leben war. Doch sie beide waren keine Menschen. Dies machte das Leben des Kindes um einiges gefährlicher. Doch es durfte auch nicht in Unwissen leben. Er musste dem Kind sagen, was es war. Es musste seine Fähigkeiten entdecken und vor den Menschen flüchten. Seine Nachfahren werden nie menschlich sein. Zumindest nie gänzlich.