Nachdem sie sich noch eine Weile unterhalten hatten, der Wein war inzwischen leer, beschlossen sie den Abend in eine Bar zu verlegen. Hermine zog sich einen Rock und ein passendes Oberteil an, danach starteten sie auch schon in das Nachtleben der Winkelgasse. Das war, zugegebenermaßen, nicht besonders atemberaubend, aber für ein Bier oder einen Whisky würde es reichen. Da es inzwischen dunkel war, dachte Draco sich, dass es er auf seinen Umhang verzichten könnte. Sie würden einfach nicht in den tropfenden Kessel gehen, der war schließlich der Anlaufpunkt für die meisten Hexen und Zauberer.
Als sie ein lauschiges Plätzchen in einer gemütlichen Bar gefunden hatten, setzten sie sich gegenüber an einen kleinen Tisch, spielten Karten und tranken etwas Whisky. Es war so herrlich ungezwungen, dass sie sich wirklich wohl fühlten und nicht an die Vergangenheit denken mussten.
„Ha! Wieder gewonnen, Zahltag für dich, mein Schatz!", sagte Hermine, die mit Schwung ihre Karten auf den Tisch geworfen hatte. Das entlockte Draco nur ein mürrisches Knurren. Danach erhob er sich vom Tisch, um zwei neue Getränke für sie zu besorgen. Hermine stellte plötzlich fest, dass ein paar Meter von ihrem Tisch entfernt ein Klavier stand. Schade, dass sie nicht spielen konnte. Sie hatte ihr Kinn auf ihre Hand gestützt und betrachtete die Klaviertasten, als Draco zurückkehrte. Der bemerkte ihren Blick und folgte ihm, bis er erkannte, was sie sich ansah.
„Kannst du spielen?", fragte er sie interessiert.
„Hm? Oh nein. Schade eigentlich, hier ist es recht düster und wenig besucht. Man würde sich nicht mal lächerlich machen, wenn man spielen würde.", träumerisch schwenkte sie die goldene Flüssigkeit in ihrem Tumbler, was die Eiswürfel klirren ließ.
„Ich kann spielen. Wenn du es hören möchtest, versteht sich.", verlegen kratzte er sich im Genick. Mit aufgerissenen Augen sah sie ihn an:
„Du kannst Klavier spielen? Ob bitte!", vor Freude klatschte sie in ihre Hände.
„Schon gut. Ich frage kurz an der Theke, ob ich darf.", Hermine nickte und beobachtete ihn dabei, wie er an der Theke etwas zum Barkeeper sagte, der ihm zunickte, worauf Draco zurückkehrte. Er zwinkerte Hermine zu und begab sich zum Klavier. Er schloss die Augen, atmete kurz durch und begann langsam zu spielen. Es war eine düstere, dunkle Melodie, sie klang träge und sanft zu gleich, denn immer wieder hörte man, wie er hohe Töne anschlug, die wie kleine Lichtblitze hervorstachen.
Draco war so in das Spiel vertieft, dass er für einen Moment die Welt vergaß und sich in die Klänge fallen ließ, die er dem Klavier entlockte. So lange hatte er nicht mehr Klavier gespielt, es fühlte sich fabelhaft an. In der Bar wurden die Gespräche leiser, alle sahen zu dem Mann, der plötzlich am Klavier aufgetaucht war und eine wehklagende Melodie durch den Raum wehen ließ. Es war, als würde er all seine Traurigkeit, alles was ihm zu schaffen machte, mit den Tasten zum Ausdruck bringen.
Hermine war wie versteinert. Sie sah zu, wie seine Finger über das Klavier schwebten. Irgendetwas in dem Stück berührte etwas tief in ihrem Inneren. Sie wusste nicht was es war, aber es traf sie mit solcher Gewalt, als hätte man ihr einen Backstein auf den Kopf geworfen. In ihren weit aufgerissenen Augen sammelten sich Tränen, dennoch wandte sie ihren verschwommenen Blick nicht ab. Stumm lösten sich kleine Tropfen aus ihren Augenwinkeln, liefen ihre Wangen hinab und verweilten an ihrem Unterkiefer.
Es kam ihr vor, als wären Stunden vergangen, als Draco das Stück beendete.
Draco erhob sich vom Klavier und hörte, wie ein paar der Barbesucher für ihn leise klatschten. Lächelnd verbeugte er sich kurz, bemerkte dann allerdings, dass Hermine weinte.
„Was ist los?", als er platzgenommen hatte, legte er besorgt eine Hand auf ihren Unterarm. Sie wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, um ihre Tränen zu trocknen, mit belegter Stimme antwortete sie:
„Das war wunderschön... Was ist das gewesen?"
„Das Stück heißt Clair de lune. Ich habe es damals als letztes gelernt. Und weil ich es mir selbst aussuchen durfte, ist es auch mein liebstes Stück.", überrascht davon, sie so aufgewühlt zu haben, sah er mit gesenktem Blick in sein Glas.
„Wow.", Hauchte sie ihm entgegen. „Ich würde dich gern mal wieder spielen hören, wenn du nichts dagegen hast. Es sah aus, als wärst du in einer anderen Welt und würdest alle deine Gefühle hineinfließen lassen."
„Ach du übertreibst.", er winkte ab. Es war ihm nun doch etwas unangenehm, in einer öffentlichen Bar Klavier gespielt zu haben. Mit einem Zug leerte er sein Glas, es war reichlich spät geworden. „Weißt du, ich würde gern gehen."
Überrascht setzte Hermine das Glas, aus dem sie gerade trinken wollte, wieder ab. „Okay.", sie leerte es anschließend, da hatte Draco sich schon erhoben.
Als sie aus der Bar traten, tauchte der Schein des Vollmondes die Winkelgasse in silberblaues Licht. Draco legte seinen Arm beiläufig um Hermines Schultern und so schlenderten sie zurück zu ihrer Wohnung. Vor der Haustür blieben sie stehen, Draco ließ sie los.
„Ich werde disapparieren. Ich habe noch nicht so viel getrunken."
„Ok, dann sorg dafür, dass dir nichts passiert, ja?"
„Natürlich.", er lächelte sie vorsichtig an. Danach legte er eine Hand an ihren Oberarm, beugte sich zu ihr herunter und gab ihr einen federleichten Kuss auf die Wange. „Tschau, ich schreibe dir." Und sobald er sie losgelassen hatte, gab es einen Knall und er war verschwunden.
Zurück blieb eine verblüffte Hermine, die ihre Fingerspitzen an die Stelle legte, an der Draco sie geküsst hatte.
„Tschau.", flüsterte sie.
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Erinnerungen [Dramione]
Fanfiction~*~ Hermine stürzt in ein tiefes Loch und versucht ihre Erinnerungen zu ertränken, was ihr mehr schlecht als recht gelingt. An einem dieser Abende begegnet sie ihrem ehemaligen Schulfeind, der sich um 180° gedreht hat. Sie schließen einen Pakt der i...