Mitten in der Nacht riss sie plötzlich die Augen auf. Es war dunkel, das Feuer im Kamin inzwischen erloschen. Blind tastete sie den Couchtisch ab, um ihren Zauberstab zu finden, mit dem sie ein neues Feuer entfachen wollte. Als sie sich aufsetzte durchzuckte sie ein stechender Schmerz im Bauch. Was ist denn jetzt los? Mit schmerzverzerrtem Gesicht legte sie ihre linke Hand auf ihren Magen, der so schmerzte, dass sie es kaum wagte zu atmen. Verdammt. Mit rasenden Gedanken überlegte sie, wann sie zuletzt etwas gegessen hatte und mit Schrecken musste sie sich eingestehen, dass sie keine Ahnung hatte. Es konnte Tage her sein. Sie setzte sich auf den Rand des Sofas, endlich fand sie auch den Zauberstab und entzündete die Lichter in ihrer Wohnung. Kurz musste sie blinzeln, als das helle Licht sie blendete. Schwarze Punkte tanzten in ihrem Sichtfeld und ihr war schwindelig, schlecht und zum Heulen zumute. Schwankend erhob sie sich und ging gebückt, mit einer Hand auf dem Bauch, zum Kühlschrank. Mit der anderen zitternden Hand öffnete sie die Tür, es kostete sie erstaunlich viel Kraft, sie zu öffnen. Sie fand einen vertrockneten Salatkopf, Ketchup, ein Glas saure Gurken, eine Packung Eier, Butter und Milch. Sie beschloss, sich Rührei zu braten. Innerhalb von 15 Minuten hatte sie einen Teller mit einem Berg Rührei, sauren Gurken und einem Klecks Ketchup vor sich stehen. Direkt mit dem linken Arm neben dem Teller auf der Küchentheke abgestützt begann sie das Rührei hinunterzuschlingen. Sie kaute wenig und schluckte ganze Löffel voller Rührei und Gurkenstücken herunter. Nach vier Minuten war der Teller leer. Ihr war unendlich schlecht, aber sie musste das Essen drin behalten, sie hatte doch so lang nichts gegessen. Vornübergebeugt stützte sie sich mit durchgedrückten Armen auf dem Rand der Theke ab. Langsam und tief atmete sie ein und aus. Es brachte nichts. Gerade noch rechtzeitig hatte sie sich im Badezimmer über die Kloschüssel beugen können, ehe Krämpfe das Rührei aus ihr schüttelten. Tränen rannen ihr aufgrund der Schmerzen über die Wangen. Als ihr Magen erneut leer war, war sie unendlich erschöpft. Neben dem Klo an die Wand gelehnt, zog sie ihre Knie an ihre Brust und umschlang sie mit ihren Armen. Sie legte ihre Stirn auf ihre Arme und schloss entmutigt ihre Augen.
Als sie aufwachte lag sie zusammengerollt auf dem Badezimmerboden. Ihre Hüfte schmerzte, weil sie stundenlang auf ihrem Beckenknochen gelegen hatte und ihr Bauch fühlte sich an als hätte sie Muskelkater. Als wäre das nicht schon genug, hatte sie auch noch unglaublichen Hunger. Sie musste etwas essen, aber am besten so, dass sie sich nicht erneut übergeben musste. Vorsichtig setzte sie sich auf und betätigte die Klospülung. Ein furchtbarer Geschmack lag auf ihrer Zunge, also beschloss sie, zunächst ihre Zähne zu putzen. Mit wackeligen Knien erhob sie sich vom Boden und ging zum Waschbecken, auf dem sie sich abstützte. Mit der linken Hand drehte sie den Wasserhahn auf und wusch sich mit kaltem Wasser das Gesicht. Als sie es dann mit einem Handtuch abgetrocknet hatte, begann sie, sich die Zähne zu putzen, danach duschte sie und trocknete ihr Haar mit einem Zauber, nachdem sie im Wohnzimmer ihren Zauberstab geholt hatte. Wenig später hatte sie sich auch angezogen und schritt vorsichtig aus ihrer Wohnung. Hermine hatte sich überlegt in einem Wirtshaus um die Ecke eine Kleinigkeit zu frühstücken, immerhin war es erst 8 Uhr. Von dem verwirrenden letzten Tag fühlte sie sich noch gerädert und benommen. Vor der Haustür angekommen zündete sie sich eine Zigarette an, schwammig sah sie sich auf der Straße um. Es waren nicht viele Leute unterwegs, wie sie zufrieden feststellte, dennoch zog sie sich die Kapuze ihres Pullovers tiefer ins Gesicht, damit sie nicht erkannt wurde. Langsam ging sie die Straße hinab, hin und wieder inhalierte sie den blauen Qualm des Stängels in ihrer Hand. Vor dem Wirtshaus angekommen, warf sie die Zigarette, die sie zur Hälfte geraucht hatte, ungeachtet auf den Boden, bevor sie durch die Tür ins Innere trat.
An den wenigen besetzten Tischen vorbei gehend, steuerte sie auf eine Nische am linken hinteren Ende des Gastraumes zu, die sich am Fenster befand. Kurz nachdem sie Platz genommen hatte, erschien bereits eine Kellnerin an ihrem Tisch, die sie nach ihrer Bestellung fragte.
„Einen großen Kaffee, schwarz und einmal das Frühstück für eine Person bitte.", sagte sie leise, noch immer mit der Kapuze halb im Gesicht.
„Kein Problem, kommt sofort.", antwortete die Kellnerin geschäftig. Sie schien nicht davon irritiert zu sein, dass Hermine sie nicht angesehen hatte. Anscheinend frühstückten hier häufiger Zauberer, die zuvor eine harte Nacht gehabt hatten. Den Kopf auf ihre Hand gestützt starrte sie aus dem Fenster und beobachtete das Treiben auf der Straße. Inzwischen waren mehr Magier auf dem Weg zu irgendwelchen Geschäften oder Jobs. Wie so oft im Sommer von England, war der Himmel von grauen Wolken bedeckt. Hoffentlich würde es nicht regnen, dachte sie. Als sie das nächste Mal ihren Blick vom Fenster abwendete bemerkte sie, dass ihr Frühstück inzwischen vor ihr auf dem Tisch stand. Wann ist das denn aufgetaucht? Anscheinend war sie noch immer nicht ganz bei der Sache. Augenblicklich lief ihr das Wasser im Mund zusammen, während sie ihr Frühstück betrachtete. Auf dem Teller lagen ein Croissant, ein Brötchen, daneben noch ein Teller mit Käse, Wurst, Butter und einem kleinen Schälchen mit Marmelade. Außerdem gab es dazu einen eine kleine Schüssel mit Joghurt, neben dem sich sowie eine Tasse Kaffee, als auch ihr Besteck befand. Um ihren Magen nicht zu überfordern, beschloss sie den Joghurt als erstes zu essen. Sie begann die Straße wiederholt zu beobachten und hin und wieder schob sie sich einen Löffel des Erdbeerjoghurts in den Mund.
Mhm. Dachte sie. Das mit Draco gestern war eigentlich ein angenehmer Abend gewesen, das muss ich mir eingestehen. Ich hätte niemals von ihm erwartet, dass er sich so normal mir gegenüber verhalten konnte. Dennoch weiß ich noch nicht so recht, was ich davon halten soll. Auch wenn ich diejenige war, die den Vorschlag machte, gemeinsam die Traumata des Krieges zu kompensieren. Vielleicht war das doch keine so gute Idee. Immerhin hat er mich jahrelang geärgert und als minderwertig betrachtet. Außerdem gab es da ja noch meine Freunde. Merlin weiß was sie nur davon halten würden, dass ich mich mit Malfoy traf, wenn sie davon erführen. Allerdings hab ich mich in der letzten Zeit nicht so verhalten, als wären sie noch meine Freunde. Ich sollte mich wirklich mal wieder bei ihnen melden, sie waren schließlich diejenigen, mit denen ich zusammen gegen Voldemort gekämpft und letztlich gesiegt hatte. Wir kennen uns schon so lange und haben gemeinsam so viel erlebt, ich verstehe einfach nicht, warum mir das alles so zusetzt und ich mich nicht dazu überwinden kann, mehr Kontakt zu ihnen zu haben. Aber es ist möglicherweise besser, wenn sie mich in diesem Zustand nicht sehen. Sie würden mich vermutlich dazu zwingen bei ihnen zu bleiben, damit sie mich rund um die Uhr beobachten konnten. Darauf hab ich auch keine Lust. Aber was soll's, heute Abend hab ich ohnehin schon was vor.
Grübelnd und mit gerunzelter Stirn kratzte sie ihre Schüssel schließlich leer. Da sich ihr Magen etwas beruhigt zu haben schien, wurde sie nun mutiger und trank etwas von ihrem Kaffee. Abwartend faltete sie die Hände vor sich auf der Tischplatte. Als sich noch immer nichts in ihrem Magen rührte, griff sie zu dem Croissant und riss ein Stück davon ab, welches sie dann in das Schälchen mit Marmelade tunkte. Schon besser.
„Hermine?"
Erschrocken sah sie von ihrem Teller auf. Zwei Tische weiter stand Harry im Gang und sah sie überrascht und gleichzeitig besorgt an. Na super, gerade habe ich noch beschlossen, damit abzuwarten mich bei einem von ihnen blicken zu lassen und jetzt steht er ausgerechnet in diesem Gastraum.
DU LIEST GERADE
Erinnerungen [Dramione]
Fanfic~*~ Hermine stürzt in ein tiefes Loch und versucht ihre Erinnerungen zu ertränken, was ihr mehr schlecht als recht gelingt. An einem dieser Abende begegnet sie ihrem ehemaligen Schulfeind, der sich um 180° gedreht hat. Sie schließen einen Pakt der i...