Zuerst dachte ich leicht panisch , dass sich Poliphemus vielleicht dazu entschieden hatte, dass wir wohl doch eher wie Abendessen als wie Kundschaft aussahen, doch dann stellte ich fest, dass es sich bei meiner Besucherin um Debby handelte. Ich machte ihr auf meiner Jacke ein wenig Platz und für ein paar Augenblicke genossen wir einfach gemeinsam den Blick auf den Ozean. Dabei war es für mich kaum zu übersehen, wie nahe wir uns waren, was mein Herz wieder einmal schneller schlagen ließ. Leise, fast flüsternd fragte ich: "Na, kannst du nicht schlafen?" Zu meiner Freude lächelte sie kurz und meinte dann wieder ernst: "Mir gehen eben viele Gedanken durch den Kopf. einerseits will ich meinen Vater nicht enttäuschen, andererseits ist hier sowieso alles neu für mich und natürlich alles andere als das, was ich mir vorgestellt hatte. Außerdem habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich mich noch nicht bei meinen Pflegeeltern gemeldet habe, obwohl ich es ihnen versprochen hatte, bevor ich hier herkam. Tut mir leid, dass ich deine Ruhe störe." Dieser Satz brachte wiederum mich zum Lächeln. "Natürlich störst du nicht. Du bist übrigens nicht die einzige mit Chaos im Kopf." "Was geht denn bei dir so ab?", fragte sie, worauf ich mit: "In erster Linie beschäftigt mich natürlich, dass ich einen Freund verloren habe" antwortete. Daraufhin blickte sie nur nachdenklich weiter das Meer an. Natürlich konnte sie nicht wissen, dass auch sie einen gewissen Stellenwert in meinem Kopfchaos hatte. Als ich so auf die Wellen blickte, überlegte ich, wo Julian wohl war. Als Schülerin der Half Blood Academy war mir natürlich klar, dass er sich wohl in der Unterwelt aufhielt, doch über genaueres konnte auch ich nur mutmaßen. Hatte er es ins Elysium geschafft? Oder war er mittlerweile nur noch eine der vielen verlorenen Seelen am Asphodeliengrund? Es könnte natürlich auch sein, dass er aus einem mir unbekannten Grund auf die Felder der Bestrafung gelangt war. Schließlich hatte jeder Mensch so seine Geheimnisse, von denen seine Freunde wenig Ahnung hatten. Auch wenn dieser Gedanke schwer vorstellbar war, gab es doch nichts, das ihn widerlegte. Ich jedenfalls hatte ihn als offenen und abenteuerlustigen Menschen, der sich nicht leicht einschüchtern ließ und vor allem für seine Freunde immer wieder Mut bewiesen hatte, gekannt. Auch seinen Humor musste man erlebt haben. Was er wohl über mein Geheimnis denken würde? Hätte ich überhaupt den Mut gehabt, ihm davon zu erzählen? Ich konnte mir vorstellen, dass als Antwort ein Witz kommen würde, doch genau werde ich es wohl nie erfahren. Und dann ist da noch meine Tante Angelina, deren Selbstmord ich - unfreiwillig - beobachtet hatte. Es war schon spät gewesen und ich war von einer Freundin, die ich, wie man so schön sagt, in der Sandkiste kennengelernt hatte, nachhausegegangen. Es hatte mir nie viel ausgemacht, alleine im Dunkeln irgendwo hinzugehen. Außerdem fand ich es eher unnötig mich nur, weil alles in Grautönen statt in Farbe war und die Luft etwas kälter war, abholen zu lassen. Ohne mir viele Gedanken zu machen war ich bei dem unbegrenzten Bahnübergang, über den mein Weg führte, stehengeblieben. Die Person, die da in schwarz stand, hatte ich aufgrund der Farbe ihrer Kleidung erst gesehen, als sie von den Scheinwerfern des sich rasch nähernden Zugs angestrahlt wurde. Danach ging alles viel zu schnell, als dass ich noch irgendetwas tun hätte können. Dass es sich bei dieser Person um meine Tante, die immer für mich da gewesen war und mir auch schon damals, als ich noch eine gewöhnliche Mittelschule besucht hatte, oft bei schulischen Angelegenheiten geholfen hatte, handelte, erfuhr ich erst am nächsten Tag. Bis heute hatte ich es aus Schuldgefühlen nicht geschafft, jemandem zu beichten, dass ich die letzte gewesen war, die sie gesehen hatte. Ich fragte mich oft, wie es denn sein konnte, dass ich sie nicht erkannt hatte und warum ich ihr nicht helfen hatte können. Auch das Warum beschäftigte mich schon sehr lange, doch auf all diese Fragen hatte ich immer noch keine Antworten gefunden. Durch diese Gedanken war mir vor allem eines klar geworden: Es schadete mehr als dass es Gutes tat, Dinge, die man bestimmten Personen sagen will, hinauszuzögern. Deshalb fasste ich all meinen Mut zusammen, fasste einen Entschluss, stupste Debby an und gestand ihr meine Gefühle...
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The Half Blood Academy
FanfictionTretet ein in die Halfblood Academy, dem Ort, an dem Vergangenes Gegenwart ist✨ Enjoy