Unerfreuliches Wiedersehen

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, brauchte ich einen Moment. um mich zu orientieren. Nach einer kurzen Zeit der Verwirrung konnte ich mich dann aber schon wieder an mein nächtliches Gespräch mit Debby und den Grund meiner sich vom Weinen verschwollen anfühlenden Augen erinnern. Verschlafen blickte ich um mich und sah, dass Debby friedlich neben mir schlummerte, von Tyson jedoch keine Spur war, also stand ich auf, um unseren Zykpopenfreund suchen zu gehen.

Zuerst ging ich den Strand entlang, da er sich ja, genau wie Debby und ich gestern, dazu entschieden haben könnte, etwas Einsamkeit am Meer zu genießen, doch dies gab ich schnell auf. Da ich nicht weiter wusste, weckte ich nun auch meine Missionspartnerin auf. Nachdem sie etwas Unverständliches genuschelt hatte, fragte mich, was denn los sei. "Tyson ist weg. Ich hab schon am Strand geschaut, aber da ist er nicht. Hilf mir bitte, ihn zu suchen!", antwortete ich mit aufgebrachtem Unterton. Versteht mich nicht falsch, ich bin eigentlich immer die, die versucht, Ruhe zu bewahren. Doch in dieser Situation war mir das mit einer sowieso schon überlasteten Emotionswelt nicht möglich. "Beruhige dich. Es wird alles gut. Tyson kann sicher gut auf sich selbst aufpassen", versuchte sie mich nun zu beschwichtigen, was überraschenderweise sogar einen gewissen Effekt auf meine Gefühlslage hatte. Nachdenklich blickte Debby nun in Richtung Meer. "Wie wäre es, wenn wir uns in die Richtung von Poliphemus' Kebapstand bewegen? Gut möglich, dass er sich noch einmal mit seinesgleichen umgeben wollte", meinte mein Gegenüber gedankenversunken. Das war natürlich eine schlaue Überlegung, doch ich wollte Tysons Artgenossen lieber nicht alleine oder nur mit Debby als Begleitung gegenübertreten, falls wir doch auf der falschen Spur waren. Was natürlich nicht heißen soll, dass ich denke, dass Debby schwach ist. Ganz im Gegenteil. Als ehemaliges Staßenkind ist sie mit ziemlicher Sicherheit noch viel mutiger, stärker und im Kampf erfahrener als ich selbst. Der Gedanke an Poliphemus sagte mir trotzdem alles andere als zu.

Als Debby meinen ängstlichen Gesichtsausdruck zu bemerken schien, bot sie an, dass sie die von ihr erdachte Route genausogut auch alleine abgehen konnte. "Nein, das geht schon" "Sicher?" "Ganz sicher." Dann war es jetzt also besiegelt: Mit viel Glück würden wir heute noch als Zyklopenfutter enden. Glaubt mir, ich war Poliphemus natürlich dankbar für die Gratismahlzeit gestern Abend, jedoch änderte das nichts daran, dass er einen furchterregenden Eindruck bei mir hinterließ. Vielleicht würde ich es ja irgendwann schaffen, meine Angst vor besonders großen und angsteinflößenden Dingen zu überwinden. Schließlich war sie der Grund gewesen, aus dem ich bis jetzt noch auf keinen Einsatz mitgegangen war. Aber naja, bei Debby konnte ich schlecht nein sagen, da ich ja in sie verliebt war und noch vor wenigen Stunden Hoffnung gehabt hatte, dass meine Gefühle erwidert werden können. Tja, da hatte ich wohl ziemlich falschgelegen. Nichtsdestotrotz sollten wir uns jetzt auf die Suche nach Tyson machen. Nach einigen Schritten in Richtung Kebapstand fragte mich Debby, wie ich mich denn fühlte. Ich versuchte, der Frage durch ein Schulterzucken auszuweichen, was jedoch nach hinten losging. "Sag schon. Ich hab dir doch gesagt, dass du mit mir über alles reden kannst." "Naja... etwas furchteinflößend wirkt unser Kebaplieferant schon", seufzte ich, worauf sie mich mit aufmuntender Miene bedachte und "Es wird schon alles gut werden. Im Notfall gebe ich dir Rückendeckung" erwiderte.

Doch dass es das wahrscheinlich nicht werden würde, wurde uns schon nach wenigen Augenblicken klar. Nicht weit entfernt von uns stand nämlich Poliphemus, der Tyson mit beiden Armen umschlungen hatte und wohl versuchte, unserem dritten im Bunde alle Luft aus den Lungen zu pressen. Der arme junge Zyklop versuchte zu schreien, doch dazu reichte seine Atemluft längst nicht mehr. Durch einen kurzen Blick fassten Debby und ich einen Entschluss und gingen gemeinsam mit erhobenen Waffen auf die beiden einäugigen Riesen zu.

The Half Blood AcademyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt