Kampf

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Ich registrierte in dem Moment nicht einmal wirklich, was ich machte und ignorierte auch meine Angst vollkommen. Ob ich das absichtlich tat oder es in dem Moment einfach Wichtigeres gab, wusste ich nicht genau. Auch die Tatsache, dass unsere Chancen auf einen Sieg gegen Poliphemus gleich null waren, änderte nichts an unserem Entschluss, zumindest zu kämpfen. Der größere Zyklop bemerkte uns nicht einmal, als wir unseren Angriff starteten. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, Tyson unglaubliche Qualen zu verursachen. Das einzige, woran in gerade denken konnte, war, wie sehr unser Freund gerade leiden musste. Obwohl wir bloß mit einem Messer aus einem Supermarkt und einem Dolch, den ich mir, als ich zur Half Blood academy gekommen war, ausgesucht hatte, war es von Anfang an klar gewesen, bewaffntet waren, war doch klar, dass wir in dieser Situation  keinen Augenblick zögern würden. Man hatte mir erzählt, dass meine Waffe einst Piper McLean, einer der sieben Halbgötter und davor der schönen Helena aus Troja gehört hatte. Ich war deshalb ziemlich stolz, ihn als mein Eigentum ansehen zu können. Aber jetzt zurück in die Gegenwart. Für euch ist das, was für mich jetzt Gegenwart ist, wohl schon längst Vergangenheit, wenn ihr das hier lest, aber ihr wisst schon, was ich meine. Wie in Trance stürzten wir zu Tyson und Poliphemus, der uns mittlerweile bemerkt hatte. 

Ebenfalls ohne das geringste Zögern ließ er von Tyson ab und wandte sich in unsere Richtung. Wenn ich jetzt beschreiben sollte, welche Angst ich in diesem Moment gehabt hatte, würde ich wohl kein Wort finden, das meine Gefühlslage ausdrücken könnte. Doch jetzt war es sowieso zu spät, um umzukehren. Des sicheren Todes bewusst stand ich einfach nur mit erhobenem Dolch neben Debby und betete zu allen existierenden Göttern, dass sie uns doch einmal helfen könnten. Dass daraufhin auch wirklich etwas passierte, wagte ich jedoch nicht zu hoffen, da schließlich auch olympische Götter manchmal, und damit meine ich immer, beschäftigt sein können. Das soll aber nicht heißen, dass jeder von ihnen zu allen Tag - und Nachtzeiten die Welt rettete. Viel eher ist hier die Rede von Pokern und Weinwetttrinken. Die Drecksarbeit ließen sie gewohnheitsmäßig von Helden erledigen. Die meiste Zeit versuchte ich, deshalb nicht wütend zu sein, doch ich fand es doch etwas unverschämt, dass, wer auch immer mein göttlicher Elternteil war, es nach zwei Jahren, in denen ich jetzt schon hier zur Schule ging, immer noch nicht geschafft hatte, sich zu mir zu bekennen. Ich muss zugeben, dass ich etwas eifersüchtig auf Debby war, weil sie schon nach zwei Tagen Kontakt zu ihrem Vater gehabt hatte. Auch, wenn das bedeutet hatte, dass sie erstmal nicht ans Lernen denken sollte, sondern, wie oben schon erwähnt, Drecksarbeit für ihren Vater zu erfüllen hatte. Ich schweife schon wieder ab. Nach unendlich vielen Kampftrainingseinheiten sollte ich eigentlich wissen, wie ich mir meine Waffe in so einer Situation zunutze machen sollte, jedoch stand ich einfach weiterhin angewurzelt da und hoffte auf ein Wunder.

Spätestens, als ich einen Blick auf Tyson, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht im Sand wand, warf, erwachte ich aus meiner Trance und ging in den Angriff über. Alles andere war egal. Ich wollte nur, dass dieses Monster für seine Taten bezahlte. Dass er uns auch einmal geholfen hatte, schien mein Gehirn in diesem Moment auszublenden. Selbst, wenn diese Aktion meinen Tod bedeuten würde, hätte mich nicht leicht Irgendetwas aufhalten können. Als Debby realisierte, was ich vorhatte, wollte sie mich noch an meinem Ärmel packen, doch dafür war es längst zu spät.  

So, wie ich es tausende Male geübt hatte, stach ich meinen Dolch zwischen Poliphemus' Schulterblätter. Noch bevor ich richtig realisiert hatte, was ich gerade getan hatte, zerfiel der Zyklop wortwörtlich zu Staub. Ein paar Sekunden später, als ich alles wieder halbwegs normal wahrnahm, bemerkte ich, dass Debby bei dem immer noch vor Schmerz stöhnenden Tyson saß und seinen Kopf in ihren Schoß gebettet hatte. Mit bösen Vorahnungen bewegte ich meine Füße in deren Richtung.

The Half Blood AcademyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt