14. Stans letzter Kampf

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„Stan! Stan, beruhig dich!"
Aber es half nichts, er beruhigte sich kein bisschen. Es wurde eher schlimmer. So schlimm, dass ich befürchtete, er könnte sich befreien und mich wieder angreifen, denn er schien absolut nicht mehr zurechnungsfähig zu sein.
Und da passierte es. Er schaffte es, einen Arm aus den Seilen zu befreien und begann sofort, die anderen zu öffnen, während er mit dunklen, milchigen Augen und einem schwarzen Zeug, dass ihm aus dem Mund lief, zu mir herüber stierte.
„Gleich hab ich dich. Gleich hab ich dich..."
Oh Scheiße.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich lag auf der Liege und hatte eigentlich viel zu große Schmerzen, um mich überhaupt zu bewegen, aber ich wusste, dass ich hier ganz schnell weg musste, denn ich würde mich garantiert nicht wehren können, wenn er mich erst einmal gepackt hatte. Dazu fehlte mir die Kraft.
Also rollte ich von der Liege und stöhnte auf, als ich dumpf auf dem Boden aufkam, zum Glück nicht auf der rechten Seite. Ich versuchte verzweifelt, mich aufzurichten, aber es klappte einfach nicht, ich war zu schwach. Mit aller Kraft, die ich noch hatte, kroch ich auf die Tür zu und hatte sie fast erreicht, als Stan – ein Bein immer noch an die Liege gefesselt – mich am Fuß erwischte.
Entsetzt schrie ich auf, aber mein Schrei ging in seinen Rufen unter. Ich fuchtelte wild mit den Armen und bekam den Türrahmen zu fassen. Er zog immer stärker an mir und meine rechte Seite durchzog ein fürchterlicher Schmerz. Wieder schrie ich auf, dieses Mal lauter.
Als er mich nicht zu sich ziehen konnte, zog er mit aller Kraft an der Liege, die nach wenigen Sekunden einen lauten Knall von sich gab und zusammen krachte.
Stan war frei und ich immer noch auf dem Boden. Ich musste doch irgendetwas tun können.
Wieder schrie ich, dieses Mal so laut ich konnte, nach Hilfe, während ich mich panisch in meiner nächsten Nähe umsah und nach einer Waffe suchte. Auf einem Regal über mir lugte eine Schere hervor. Da musste ich irgendwie ran kommen und zwar sofort.
Mein Gegner war jetzt über mir und drückte mir wie gestern die Luftröhre zu, nur dieses Mal so stark, dass ich schon nach wenigen Sekunden Sterne sah. Ich krächzte und sah ihm voller Entsetzen in die Augen, in denen ich nichts als Leere sah.
Verdammt nochmal, wo bleibt Newt?!
Mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, trat ich Stan zwischen die Beine und hörte, wie er aufjaulte und meine Kehle kurz frei gab. Ich nutzte den Moment und trat mit letzter Kraft gegen das Regal.
Nichts passierte. Die Schere wackelte, aber blieb liegen.
Wieder trat ich zu, dieses Mal stärker, was mich sofort wieder vor Schmerzen aufschreien ließ. Aber ich hatte Glück – die Schere fiel herunter und landete direkt neben mir.
Keine Sekunde zu früh, denn Stan hatte sich schon wieder von dem Schmerz erholt und ging mir wieder an die Gurgel. Ich versuchte, noch einmal nach Hilfe zu schreien, aber ich hatte das Gefühl, er zerquetschte mir gerade den Kehlkopf.
Ich will das nicht tun, oh bitte, ich will das nicht tun!
Aber ich musste. Wenn ich mich jetzt nicht wehrte, wäre ich in weniger als zehn Sekunden bewusstlos und in weiteren zehn wahrscheinlich tot.
Also stieß ich die Schere mit aller Kraft in seine Seite. Ich spürte sofort, wie Blut aus der Wunde schoss und sein Griff um meinen Hals schwächer wurde, bis er komplett abebbte.
Das Dunkle wich aus seinen Augen und ich sah in die vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen eines Jungen, der - wenn überhaupt - 15 Jahre alt war. Ich hörte, wie er gurgelnd nach Luft schnappte und bekam im nächsten Moment einen Schwall Blut ins Gesicht. Gleich darauf fiel er mit seinem gesamten Gewicht zuckend und röchelnd auf mich und begrub mich unter sich.
Ein paar Mal atmete er noch glucksend, bevor er vollkommen erschlaffte und alles was noch zu hören war, meine lauten Schluchzer waren.
Ich konnte mich nicht bewegen, die frisch genähte Wunde pochte und stach und das Atmen fiel mir schwer, weshalb ich zwischen den Schluchzern immer wieder keuchend nach Luft schnappte. Aber ich konnte einfach nicht aufhören zu weinen, auch nicht, als ich merkte, wie mir durch den Sauerstoffmangel das Bewusstsein zu entgleiten drohte.
Es kam mir vor wie Stunden, bis zwei laute und zwei ungleichmäßige Schritte auf mich zukamen. Ich wusste, dass der Kampf nicht länger als zwei Minuten - wenn überhaupt - gedauert hatte und dass ich garantiert noch nicht lange unter Stan begraben lag, und trotzdem hätte ich denjenigen, mit den ungleichmäßigen Schritten, der Newt sein musste, weil er ja wegen seinem Bein humpelte, fragen wollen, warum er so lange weggewesen war, wenn ich in der Lage dazu gewesen wäre.
„Oh Scheiße! Newt, hol Nick und Alby!" Clint stürzte vor mir auf die Knie und ich spürte, dass seine Hand zitterte, als er mich vorsichtig am Kopf berührte. „Anna? Hey, hörst du mich?"
„Was ist mit ihr? Clint, da ist so viel Blut! Sie ist doch nicht..." Ich hörte Newts Stimme brechen.
Sofort versuchte ich meine Augen zu öffnen, aber ich war zu schwach. Also nahm ich all meine letzte Kraft zusammen und gab ein leises Stöhnen von mir.
„Oh, Gott sei Dank!", Clint strich mir über die Stirn. „Alles in Ordnung! Hol jetzt die beiden. Sie schafft es. Das ist nicht ihr Blut. Es ist Stans."
Newt schien zu zögern, aber dann hörte ich, wie seine Schritte sich entfernten, dieses Mal langsamer.

Into The WICKED Maze | A Maze Runner StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt