56. Vor Gericht

776 45 3
                                    

Als wir die Lichtung erreichten suchten wir Newt. Wir fanden ihn in der Versammlungshütte, zusammen mit Gally. Sie schienen über etwas zu reden, aber es sah nicht wie ein Streit aus. Als wir herein kamen, verstummten sie und sahen uns fragend an.
Minho hielt Newt das blinkende Ding hin, das er aus dem Griever gezogen hatte.
„Was ist das?", fragte er und drehte es in den Händen.
„Das haben wir gefunden. Es steckte in dem Griever", erklärte Thomas und ich sah, wie Gallys Gesichtsausdruck sich schlagartig änderte, als er realisierte, dass wir alle im Labyrinth gewesen waren.
„Das sind die selben Buchstaben wie auf unseren Vorräten!", stellte Newt fest und sah uns erstaunt an.
„WICKED." Ich nickte.
„Ja, die, die uns hergebracht haben, haben auch die Griever erschaffen. Und es ist die erste echte Spur, überhaupt das erste, was ihr in drei Jahren gefunden habt, stimmt's?", fragte Thomas aufgeregt.
Minho und ich wechselten wieder einen Blick. Das stimmte nicht ganz. Wir waren uns schon lange sicher, dass WICKED etwas zu bedeuten hatte und auch, dass die Griever von denen geschickt wurden, die wir die Schöpfer nannten. Aber keiner von uns sagte etwas.
„Ja", meinte Minho nur und nickte. Wir waren uns einig, dass wir unsere Spekulationen weiterhin für uns behalten sollten.
Jetzt sprach Thomas Newt, der noch immer das Ding in seiner Hand betrachtete, direkt an.
„Newt, wir müssen nochmal da raus. Wer weiß, wohin uns das vielleicht führt."
Newt sah ihn ernst an, dann sah er zu mir herüber und dann zu Gally. Die beiden wechselten einen Blick und Gally sah ihn verständnislos an.
„Du kriegst schon mit, was er vorhat, oder? Erst bricht er unsere Regeln – und dann will er uns davon überzeugen sie ganz abzuschaffen? Was...? Die Regeln sind das Einzige, was uns bisher zusammen gehalten hat, warum stellen wir sie jetzt in Frage? Ihr wisst, dass Alby mir Recht geben würde." Er machte eine Pause und sah jetzt uns und dann Thomas an. „Dieser Strunk muss bestraft werden!"
Jetzt sah er wieder Newt auffordernd an. Der sah immer noch ernst ins Leere, bevor er Thomas ansah. Die beiden sahen sich ein paar Sekunden stumm in die Augen, dann gab Newt Minho das blinkende Etwas zurück und begann zu sprechen.
„Du hast Recht. Thomas hat die Regeln gebrochen. Eine Nacht im Loch, ohne was zu essen."
Jetzt war Gally nicht mehr ruhig. „Ach, jetzt komm schon, Newt! Eine Nacht im Loch, denkst du, das wird ihn davon abhalten wieder ins Labyrinth zu gehen?!"
„Da drinnen kann's ganz schön kalt werden", murmelte ich und Minho musste ein Lachen unterdrücken.
„Nein", stellte Newt nüchtern fest. „Und wir können Nicht-Läufern nicht erlauben ins Labyrinth zu gehen, wenn ihnen danach ist."
Thomas nickte und sah zu Boden. Gally verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn erwartungsvoll an, so wie wir alle.
„Deshalb machen wir es jetzt offiziell. Ab morgen früh bist du ein Läufer."
Bei diesen Worten sah Newt uns an. Wir nickten zustimmend.
Kurz herrschte Stille, dann schüttelte Gally den Kopf.
„Wow."
Er bahnte sich einen Weg an uns vorbei und wollte beleidigt abziehen.
„Gally..." Fry Pan versuchte ihn festzuhalten, aber er schlug seine Hand weg.
„Nein, Fry." Mit diesen Worten verließ er die Versammlungshütte.
Fry Pan sah mich hilfesuchend an. „Anna..."
„Ja, Pan. Ich komme." Ich drehte mich ebenfalls um und verließ hinter Fry Pan den Raum.
An der Tür drehte ich mich noch einmal um und sah Minho an.
„Zeig es ihm", sagte ich nur und meinte damit die Hütte im Wald, bevor ich Gally und Fry Pan auf die Lichtung folgte.
Draußen angekommen sahen wir uns suchend um. Ich sah, wie Gally schnellen Schrittes die Lichtung überquerte, scheinbar auf dem Weg zu seiner Hütte.
„Gally!", rief ich und lief ihm hinterher, Fry Pan neben mir. „Gally, warte!"
Aber mein bester Freund beachtete mich nicht, sondern lief einfach weiter. Ich erreichte ihn und versuchte, ihm den Weg abzuschneiden. Er machte einen Bogen um mich und dieses Mal versuchte ich, ihn festzuhalten, aber er schlug meine Hand schmerzhaft weg.
Entsetzt sah ich ihn an. So hatte ich ihn noch nie erlebt.
Als er trotzdem einfach weiter laufen wollte, schrie ich so laut, dass die Lichter sich zu uns umdrehten.
„Gally, verdammt nochmal, jetzt bleib stehen, du Strunk!"
Jetzt hielt er an, drehte sich aber nicht zu uns um. Wir liefen die paar Meter zu ihm und ich baute mich vor ihm auf, was nicht gerade beeindruckend war, weil ich fast zwei Köpfe kleiner war als er.
„Jetzt beruhig dich bitte. Newt hat so entschieden, wie er es für richtig gehalten hat und Minho und ich sind seiner Meinung. Thomas ist ein guter Läufer."
„Ach, meinst du das, ja? Der Frischling bringt hier alles durcheinander und Newt lässt das nicht nur zu - er unterstützt ihn sogar dabei!"
Wieder wollte er weiter laufen, aber dieses Mal griff ich nach seinen Händen und hielt sie fest. Bei dieser Berührung hörte er auf sich zu wehren und sah mich gequält an.
„Newt versucht nur, einen Ausweg aus diesem Labyrinth zu finden, genau wie wir alle. Und Thomas ist der Erste, der wirklich etwas gefunden zu haben scheint."
Fry Pan, der bisher stumm neben uns gestanden hatte, meldete sich jetzt auch zu Wort. „Anna hat Recht, Gally. Ich war am Anfang auch misstrauisch, was es mit diesem Frischling auf sich hat, aber er scheint in Ordnung zu sein. Er will uns helfen, hier rauszukommen, Mann."
„Ihr wisst, dass wir keine Ahnung haben, was da draußen ist. Hier sind wir wenigstens in Sicherheit." Jetzt sah er mir in die Augen und ich konnte sehen, dass er Angst hatte. Gally hatte tatsächlich Angst.
„Aber wir müssen doch wenigstens versuchen, es herauszufinden, oder?", fragte ich sanft und drückte seine Hände.
Er nickte nicht. Er sah mich einfach nur an und schwieg. Ich wusste, dass es ihm nicht leicht fiel, uns zu zeigen, dass er Angst vor etwas hatte, aber Fry Pan war sein bester Freund und ich seine beste Freundin. Wenn er mit uns nicht sprechen konnte, mit wem dann?
Er schien sich allerdings dazu zu entscheiden, dass er nichts mehr sagen wollte. Wieder ließ er meine Hände los und wollte an uns vorbei gehen.
„Gally...", versuchte ich es noch einmal, aber ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte.
„Ich will einfach etwas alleine sein." Mit diesen Worten ließ er uns stehen und verschwand in seiner Hütte.
„Wir haben's versucht", sagte Fry Pan und legte mir eine Hand auf die Schulter. Dann murmelte er etwas von „nach Chuck sehen" und verschwand in Richtung Küche.
Ich blieb mit hängenden Schultern zurück.

Into The WICKED Maze | A Maze Runner StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt